Buschholz-Export aus Namibia –
Auswirkungen auf den namibischen Arbeitsmarkt
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Die GIZ will in Namibia Biomasse-Industrieparks für einen interkontinentalen Export von Buschholz nach Europa errichten. Es ist fraglich, ob diese Art der Inwertsetzung von Buschholz für Namibia von Nutzen ist. Insbesondere die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt könnten sehr schädlich für Namibia sein. Da Namibia unter einer sehr hohen Arbeitslosigkeit leidet, sollte eine von den Zielsetzungen der GIZ unabhängige Neubewertung vorgenommen werden.
In Hamburg wird seit einem Jahr die energetische Nutzung großer Mengen von Buschholz aus Namibia geprüft. Am 7. Mai 2020 wurde bereits ein Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) und der Hamburger Umweltbehörde (BUKEA) geschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und IfaS hatten der Hamburger Umweltbehörde schon ein Jahr zuvor ein Dossier zugeleitet, in dem der Einsatz von namibischem Buschholz in den Heizkraftwerken Hamburgs im Rahmen einer „Transkontinentalen Biomassepartnerschaft Namibia – Hamburg“ vorgeschlagen wurde. Zur Gewinnung und Konditionierung von Buschholz sollten Biomasse-Industrieparks in Namibia errichtet werden.
In derartigen Biomasse-Industrieparks sollen aus Buschholz fast ausschließlich Brennstoffe für den Export hergestellt werden.
Bild: Erzeugungsmengen eines Biomasse-Industrieparks in Tonnen pro Jahr. Verwertet werden jährlich 310.000 Tonnen Buschholz (Quelle: IfaS)
Verpflichtungen des Netze-Volksentscheids für Hamburg
Der zweite Satz des Hamburger Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze in Hamburg vom 22. September 2013 lautet:
„Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien.“
Was bedeutet dieser Satz, angewandt auf einen umfangreichen energetischen Einsatz von Buschholz aus Namibia in Hamburg?
Ein vom Hamburger Energietisch (HET) in Auftrag gegebenes Gutachten, „Verwertung von Buschholz aus Namibia in Hamburg. Auswirkungen auf das globale Klima“, kam zum Ergebnis, dass der energetische Einsatz von Buschholz aus Namibia in Hamburg definitiv nicht klimaverträglich ist.
Fragwürdig ist, ob eine demokratische Kontrolle stattfinden kann, wenn gemäß dem Memorandum of Understanding in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Prüfung des GIZ-IfaS-Vorschlags ohne Beteiligung der Öffentlichkeit nur von Personen durchgeführt wird, die von der Hamburger Umweltbehörde ausgewählt wurden und zum größten Teil das Vorhaben vorbehaltlos unterstützen. Keiner der anerkannten Hamburger Umweltverbände ist beteiligt.
Schließlich bleibt die Frage, ob der geplante Einsatz von Buschholz sozial gerecht erfolgen würde. Im Fall des beabsichtigten interkontinentalen Holz-Exports müssen unter diesem Aspekt vor allem die sozialen Auswirkungen auf das Land Namibia betrachtet werden.
Versprechen für Namibia
Im GIZ-IfaS-Dossier werden die erwarteten Effekte der vorgeschlagenen „Transkontinentalen Biomassepartnerschaft Namibia – Hamburg“ so beschrieben:
„Die mit der Partnerschaft erwarteten Effekte für Namibia umfassen die so dringend notwendige, signifikante Entbuschung der Savannenlandschaft und damit verbundene:
- Erhöhung der allgemeinen Biodiversität
- Erhöhung der spezifischen Biodiversität (z.B. Gepard)
- Anreicherung des Grundwasserspiegels
- Restaurierung agrarwirtschaftlich wichtiger Weidefläche
- Sicherstellung touristischer Nutzungsmöglichkeiten
- Schaffung von Arbeitsplätzen
- Technologietransfer und Investition.“
In Namibia ist die hohe Arbeitslosigkeit ein Problem von überragender Bedeutung. 2018 lag sie bei 33 %. Bei Jugendlichen unter 25 Jahren sogar über 60 %. Durch die CORONA-Pandemie ist die Arbeitslosigkeit sicher noch weiter angestiegen. Daher soll bei der Bewertung der „erwarteten Effekte“ die angekündigte Schaffung von Arbeitsplätzen als erstes zur Sprache kommen.
Welche sozialen Auswirkungen sind in Namibia zu erwarten?
Würden die Pläne von GIZ und IfaS umgesetzt, so würde die Ernte von Buschholz in Namibia sprunghaft ansteigen. Eine Präsentation von Prof. Dr. P. Heck (IfaS) vom Januar 2020 nennt für 2024 eine Buschholzernte von mindestens 9 Millionen Tonnen Holz pro Jahr. Bei einer Verarbeitung von 310.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr in einem Biomasse-Industriepark (Hub) würden innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens 20 Biomasse-Industrieparks gebaut werden. Bis 2030 wären es bei 18 Millionen Tonnen Holz pro Jahr mehr als 40 BIPs.
Im Vergleich zur bisherigen weitgehend manuellen Gewinnung von Buschholz würden ganz überwiegend hochproduktive voll-mechanisierte Erntemaschinen zum Einsatz kommen, mit deren Hilfe die spezifischen Kosten der Buschholzgewinnung erheblich gesenkt werden sollen. Daher muss mit drastischen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der gesamten Buschholzernte gerechnet werden.
Bisher wird die Ernte von Buschholz großenteils von ungelernten Arbeitern und Arbeiterinnen durchgeführt, allerdings in prekären Beschäftigungsverhältnissen und mit sehr geringen Einkommen. Die Einführung einer hoch produktiven Holzgewinnung würde nicht ohne Rückwirkung auf diesen schon lang bestehenden Sektor der Ernte von Buschholz bleiben. Erstaunlicherweise wurde diese Rückwirkung in allen Studien, die großenteils von der GIZ finanziert wurden, vollständig ausgeblendet.
Schaffung von Arbeitsplätzen durch Biomasse-Industrieparks?
Das GIZ-IfaS-Dossier macht zur Schaffung von Arbeitsplätzen eindrucksvolle Versprechen:
„Die Regierung Namibias hat Busch Kontrolle in ihrem fünften „National Development Plan“ (NDP5, 2017 – 2022) zu einer Priorität erklärt. Zur Umsetzung ist eine „Nationale Strategie für die Optimierung der Weidewirtschaft und der Nutzung von Busch Biomasse“ entwickelt worden. Ihre Umsetzung würde über 17 000 Arbeitsplätze schaffen und zur Gründung von 460 kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) führen.“
Auf wieviel geerntetes Holz sich diese Angaben beziehen und wie sie zustande gekommen sind, konnte der GIZ-Autor des Dossiers auf Nachfrage nicht beantworten. Er versicherte aber, er können diese Zahlen in der Größenordnung (sic!) bestätigen.
Eine Präsentation von Prof. Dr. P. Heck vom Januar 2020 enthält Näheres zum Anteil der Arbeitskosten an den Kosten der Buschholz-Ernte für die Biomasse-Industrieparks:
Aus der Abbildung geht hervor: Von den 32,7 Euro pro Tonne geernteten Buschholzes gehen nur 2 Euro an die Beschäftigten der Buschholz-Ernte, der Sammlung und der Verarbeitung.
In der gleichen Präsentation werden folgende Gesamt-Preise für das nach Hamburg transportierte Holz angegeben:
Während für die Buschholzernte mit Kosten zwischen 28 und 36 EUR/t gerechnet wird, liegt der Endpreis für namibisches Buschholz in Hamburg zwischen 106 und 158 EUR/t. Der niedrigste Preis von 106 EUR/t entspricht übrigens dem im GIZ/IfaS-Dossier genannten Preis von 120 US-Dollar pro Tonne. Aus diesen Angaben folgt, dass der Transport über Straße, Schiene und per Schiff bis nach Hamburg zweifellos sehr kostenträchtig ist. Er verschlingt rund 75 Prozent des Endpreises in Hamburg.
Bei einem mittleren Preis von 132 EUR pro Tonne in Hamburg bilden 2 EUR pro Tonne für die Beschäftigten und deren Arbeitsplätze ganze 1,5 Prozent des Endpreises in Hamburg.
Zum Vergleich: Nach einem Dossier über die Herstellung von Holzkohle in Namibia haben sich kürzlich die Holzkohle-Produzenten auf einen Mindestlohn für die Arbeiter*innen geeinigt. Dieser liegt bei etwas mehr als 40 Prozent des Verkaufspreises der Holzkohle in Namibia.
Mit 2 EUR/t von 32,7 EUR/t bei den Biomasse-Industrieparks haben die Beschäftigten einen Anteil von 6,7 Prozent an den Erntekosten in Namibia. Ein Unterschied um einen Faktor 6.
Wie wirkt sich der Übergang von niedriger zu sehr hoher Arbeitsproduktivität aus?
Für Hamburg akzeptable Preise für das Holz aus Namibia ergeben sich nur mit einer hoch mechanisierten Holzgewinnung. Für die Biomasse-Industrieparks und für deren Versorgung mit Buschholz werden dabei nur relativ wenige qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer benötigt. Das erklärt den oben festgestellten geringen Anteil der Arbeitskosten am Gesamtpreis.
Der in der Folge ausgelöste Verlust an einfachen Arbeitsplätzen, die gegenwärtig hauptsächlich der Holzernte mit anschließender Erzeugung von Holzkohle dienen, wird allerdings ungleich größer sein als der Gewinn an neu geschaffenen Arbeitsplätzen. Denn ein Sektor mit der bisherigen sehr geringen Arbeitsproduktivität wird nicht lange unverändert neben einem Sektor mit einer sehr hohen Arbeitsproduktivität bestehen bleiben. Bei einem freien Spiel der Marktkräfte entscheiden die Besitzer der Farmen darüber, auf welche Art Buschholz von ihrem Land geerntet werden soll. Für die Farmer bieten sich bei einer voll-mechanisierten Holzernte erhebliche Vorteile im Vergleich zur bisherigen Gewinnung von Buschholz.
Aus den folgenden Zahlen geht hervor, dass die Anzahl der verlorenen einfachen Arbeitsplätze leicht um eine Faktor zehn höher sein kann als die Anzahl der neu geschaffenen qualifizierteren Arbeitsplätze.
Aus den Zahlen einer Studie zur Ernte-Technologie von Buschholz lässt sich folgern, dass die Anzahl der verlorenen einfachen Arbeitsplätze leicht um eine Faktor zehn höher sein kann als die Anzahl der neu geschaffenen qualifizierteren Arbeitsplätze.
In einer Machbarkeitsstudie für ein 20-MW-Biomasse-Kraftwerk in Namibia finden sich ähnliche Werte für die Arbeitsproduktivität.
In beiden Studien wurden Zahlenwerte für die drei folgenden Arten der Ernte von Holzschnitzeln verwendet:
- manuell (bisher überwiegende Art)
- halb-mechanisiert (bisher in Anfängen praktiziert und beworben)
- voll-mechanisiert (Maschinen hierfür können aus Industrieländern eingeführt werden).
Das Bild zeigt, dass eine voll-mechanisierte Ernte von Buschholz rund zwanzigmal so produktiv ist wie eine Mischung aus manueller und halb-mechanisierter Ernte.
Eine Vorstellung von einer voll-mechanisierten Buschholz-Ernte kann dieses Video vermitteln.
Dem Holzkohle-Sektor ist in Namibia eine beträchtliche Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zuzuordnen, die an diesen angepasst sind. Beispielsweise werden die Öfen zur Holzkohleerzeugung nicht importiert, sondern in Namibia selbst hergestellt. Auch diese KMU werden von den Veränderungen bei einem Übergang zu einer industriellen Buschholzverwertung stark betroffen sein.
Sind Biomasse-Industrieparks für Namibia von Nutzen?
Der umfangreiche Maschinenpark, der in den Biomasse Industrieparks (BIPs) benötigt werden würde, müsste fast komplett aus Industrieländern eingeführt werden. Ebenso verhält es sich mit den voll-mechanisierten Erntemaschinen und den Transport-Fahrzeugen. Auch der Dieselkraftstoff für den Holz-Transport wird von Namibia importiert. Daher ist das gesamte BIP-Projekt technologisch und finanziell größtenteils auf ausländische Investoren angewiesen. Diese werden in erster Linie ihre Renditen im Auge haben und kaum bereit sein, auf sozioökonomische Anforderungen in Namibia einzugehen.
Wie gezeigt, lässt die Errichtung von Biomasse-Industrieparks eine klar negative Arbeitsplatz-Bilanz erwarten. Beim Bau eines Industrieparks werden zwar kurzzeitig auch namibische Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Der Anteil der Arbeitskosten während des Betriebs der BIPs und damit auch der Arbeitsplätze ist jedoch gering.
Es bleibt die Frage, ob wenigstens die im GIZ-IfaS-Dossier aufgeführten anderen Effekte a) bis e) zuverlässig im erwarteten Umfang eintreten werden.
Ob sich der Grundwasserspiegel bei einer Ausdünnung des Buschholzes anreichern wird, ist ungewiss. Das wird sogar von dem neuesten Fact Sheet der GIZ, an dem die Universität Hamburg mitgewirkt hat, eingeräumt.
Ob die voll-mechanisierte Buschernte zu einer Restaurierung agrarwirtschaftlicher Weideflächen mit einer Verdoppelung der Tragfähigkeit für die Viehzucht führen wird, ist ebenfalls ungewiss. Das oben zitierte Video und Ergebnisse von Studien namibischer Wissenschaftler lassen stark daran zweifeln.
Eine für Namibia gewinnbringende Möglichkeit, neue teil-entbuschte Flächen touristisch zu nutzen, wird davon abhängen, ob die interkontinentale Touristik unter dem Zwang zur Einhaltung des Klimaabkommens von Paris noch ausgeweitet werden kann. Man denke an die in Europa wachsende „Flugscham“.
Damit drängt sich der Eindruck auf, dass die Vorschläge der GIZ zum Bau von Biomasse-Industrieparks und zum interkontinentalen Export von Buschholz einseitig auf europäische Interessen ausgerichtet sind, während ein hohes Risiko besteht, dass Namibia die Schäden zu tragen haben wird.
Es erscheint daher sehr wichtig, dass Gesellschaft und Staat Namibias die Vorschläge der GIZ zur Inwertsetzung der Busch-Biomasse eigenständig und ohne Einflussnahme durch die GIZ analysieren und eine (komplexe) Planung zu entwickeln, wie eine zukunftsfähige Nutzung des Buschholzes ohne sehr schädliche Auswirkungen, insbesondere auf den Arbeitsmarkt Namibias, erfolgen könnte.
Aktualisierte Fassung vom 27.9.2020