Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

15. November 2022
von Redaktion
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Die Hamburger Energiewerke auf dem Holzweg

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Wieviel Holz soll im Hamburger Heizkraftwerk Tiefstack anstelle von Steinkohle verbrannt werden?  Sehr wenig und nur absolut klimaneutrales Holz, behaupten die Spitzen der Hamburger Umweltbehörde und die Vertreter der Hamburger Energiewerke. 
Stimmt das?

Am 17. Juni 2022 stellten der Hamburger Umwelt-Senator Jens Kerstan (BUKEA) und der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke (HEnW) Christian Heine bei einer Pressekonferenz ein Konzept zum Ausstieg aus der Verbrennung von Steinkohle im großen Heizkraftwerk (HKW) Tiefstack vor.

Erst fünf Monate später wurde von den HEnW zu einer als „Zukunftsdialog“ bezeichneten Veranstaltung für „Information und Austausch zum Energiepark Tiefstack“ am 16. November 2022 eingeladen. Die Bezeichnung „Zukunftsdialog“ erinnert an den „Hamburger Wärmedialog“. Dieser fand seit acht Jahren bereits elfmal themenbezogen mit umfangreichen Diskussionsmöglichkeiten statt – jeweils drei Stunden lang. Im Vergleich dazu geht es bei den Hamburger Energiewerken eher um einen moderierten Monolog, eine einstündige Digitalveranstaltung, bei der die Zuschauerinnen und Zuschauer nur Fragen in den „Chat“ schreiben dürfen. Ganz offensichtlich ein PR-Termin, auf den weitere folgen sollen.

Die geplante Transformation des HKW Tiefstack zu einem Energiepark

An einem Konzept für die „Transformation Tiefstack“ wird von den HEnW schon seit über zwei Jahren gebastelt. Spätestens 2030 muss die Verbrennung von Steinkohle in Tiefstack beendet werden. Danach sollen zwei weitere Phasen bis zur Fertigstellung des Energieparks im Jahr 2035 folgen.

Bild 1: Anlagen zur Bereitstellung von Fernwärme im Umkreis des Heizkraftwerks Tiefstack (Quelle: HEnW, Energiepark Tiefstack)

Bild 1 zeigt den gegenwärtigen Planungsstand des Energieparks Tiefstack. Das „umzuwandelnde“ Steinkohle-Heizkraftwerk besitzt eine Feuerungswärmeleistung von bis zu 848 MW bei einer thermischen Leistung von 286 MW und einer elektrischen Leistung von 189 MW. Zum Energiepark gerechnet werden nicht nur das „umzuwandelnde“ Heizkraftwerks Tiefstack, sondern auch eine ganze Reihe in der Nähe liegende Wärmequellen, bereits vorhandene und neue. Eigenartigerweise wird das mit Erdgas befeuerte Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Tiefstack, das direkt neben dem Kohle-HKW steht, nicht gezeigt. Auch in der gesamten Planung schien es keine Rolle zu spielen.

In der Pressekonferenz am 17. Juni 2022 und seither wurde die Aufmerksamkeit der Medien auf die beiden „Flusswasser-Wärmepumpen“ gelenkt. In Bild 1 sind sie mit einem winzigen Sternchen versehen, das rechts unten mit „Standort nicht festgelegt“ erläutert wird. Diese mächtigen Großwärmepumpen wurden öffentlich besonders herausgestellt, obwohl sie erst in den Phasen 2 und 3 nach der „Umwandlung“ des Heizkraftwerks realisiert werden sollen und obwohl nicht nur ihr Standort, sondern auch ihre Finanzierung und Genehmigung ungewiss sind. Der am 1. November 2022 veröffentlichte Zwischenbericht zum Hamburger Klimaplan stellt auf Seite 26 fest, dass eine auskömmliche Wärmenetzförderung seitens des Bundes zwingend nötig sei. Er bezieht sich dabei auf das ausstehende Inkrafttreten der Bundesförderung effiziente Wärmenetze, das die Umsetzung innovativer Wärmenetzprojekte verzögere und aktuelle Planungen infrage stelle.

Die Nutzung der industriellen Abwärme von Aurubis, auf die viele Jahre gewartet wurde, und eine bessere Nutzung der „Müllverbrennung“ in der Anlage Borsigstraße durch die Gewinnung der in den Rauchgasen enthaltenen Wärme sollten schon vor 2025 umgesetzt sein (Klimaplan, Seite 25).

Der Umfang der vom städtischen Fernwärmenetz versorgten Hamburger Gebäude soll stark ausgebaut werden – von gegenwärtig etwa 20 Prozent auf 35 Prozent im Jahr 2030 (Klimaplan, Seite 26). Die zusätzliche Abwärme wird vor allem für diesen Ausbau gebraucht, mit dem auch die Nutzung von fossilem Erdgas in Hamburger Gebäuden reduziert werden soll. Daher muss 2030 vom Standort Tiefstack ähnlich viel Fernwärme kommen wie gegenwärtig.

Gemäß Bild 1 bleiben so zum Zeitpunkt des Kohleausstiegs im Jahr 2029 oder 2030 neben dem „umzuwandelnden“ Heizkraftwerk nur weniger bedeutende Zusätze – ein Aquiferspeicher als Demonstrator, ein Wärmespeicher und eine Power-to-Heat-Anlage. Von „Industrieller Abwärme“ ist außer der von Aurubis bisher wenig zu hören oder zu sehen. Auch das Projekt „Green Fuels Hamburg“, das direkt neben der Kraftwerks-Halbinsel entstehen soll, wird kaum Entlastung für die Bereitstellung von Wärme im Heizkraftwerk Tiefstack bringen.

Die Umweltverbände lehnen eine Verbrennung von Holz entschieden ab

Schon lange vor der Pressekonferenz am 17. Juni 2022 hatte sich eine breite Koalition von Umweltverbänden entschieden gegen eine Verbrennung von Holz in einem konvertierten Heizkraftwerk Tiefstack ausgesprochen. Unmittelbar vor der Pressekonferenz wurde eine Gemeinsame Stellungnahme von 32 Organisationen „Hamburg, raus aus Kohle, Erdgas und Holz!“ veröffentlicht, nicht nur in einer deutschen, sondern auch in einer englischen Fassung. Aufsehen erregte eine nächtliche Videoprojektion von Robin Wood, DUH und NABU auf die beiden Kraftwerkstürme in Tiefstack (Bild 2).

Spätestens seit der Affäre um den Import von Buschholz aus Namibia nach Hamburg, die bisher nur ausgesetzt wurde, gibt es ein erhöhtes internationales Interesse an der Ersatzlösung für das Heizkraftwerk Tiefstack. 78.000 Menschen hatten vor fast zwei Jahren eine Petition „Keine Büsche und Bäume in Großkraftwerken verfeuern!“ gegen die Verbrennung von Buschholz aus Namibia in Hamburg unterzeichnet.

Bild 2: Spektakuläre Video-Projektion durch ROBIN WOOD, Deutsche Umwelthilfe und NABU am Heizkraftwerk Tiefstack am 1. September 2022 (Foto: Mirko Boll / ROBIN WOOD)

Verwirren, Abwiegeln, Irreführen und Verheimlichen

Auf der Internetseite, die die Hamburger Energiewerke eigens für das Projekt „Energiepark Tiefstack“ eingerichtet haben, wird der Unterschied zwischen dem „Status Quo HKW Tiefstack“ und dem „Energiepark Tiefstack“ so dargestellt (Bild 3):

„Tiefstack heute“: 100 % Kohle         „Tiefstack morgen“: 70-100 % „grüne“ Wärme

Bild 3: „Vollständiger Kohleausstieg durch 70 bis 100 Prozent klimaneutrale Wärme“ (Quelle: HEnW, Energiepark Tiefstack)

Beim Ring mit der „grünen“ Wärme bilden die Wärmelieferungen der Flusswasser-Wärmepumpen, die zunehmend mit „grünem“ Strom angetrieben werden sollen, mehr als die Hälfte der Gesamtwärme im Energiepark Tiefstack. Sie können der Bille und der Elbe Wärme entziehen, die in der Fernwärme genutzt werden soll, allerdings erst in den Phasen 2 und 3 in der 30er Jahren. Die Ausbauprojekte Müllverbrennungsanlage Borsigstraße und Abwärme von Aurubis, die schon bis 2025 zusätzliche Fernwärme liefern sollen, haben mit jeweils 14 Prozent die gleiche Größe wie der gestrichelte Teil „Biomasse/Gas KWK“. Wenn für diesen kein Gas, sondern ausschließlich Biomasse eingesetzt wird, dann soll sich 100% „grüne“ Wärme im Energiepark ergeben. Es scheint also um einen recht bescheidenen Anteil der Fernwärme aus der Holzverbrennung zu gehen – irgendwann, denn ein Datum für die Realisierung der „grünen“ Wärme fehlt ja. Zu dieser Auffassung könnte die Betrachtung von Bild 3 leicht verleiten.

Der grüne Teil des Rings mit insgesamt 86 % der gesamten Wärme und die Beschriftung mit „70 %“ in Bild 3 passen irgendwie nicht zusammen. Und 14 Prozent sind vielleicht noch immer viel, wenn man mit Senator Kerstans Erklärung in Hamburg 1 AKTUELL (Minute 3:15) vergleicht: Holz würde nur noch bei der Spitzenlast an „sehr, sehr kalten Wintertagen“ eingesetzt.

Kann das aber wirklich der Fall sein? Die sehr teure Umrüstung eines großen Heizkraftwerks von Steinkohle auf Holz bzw. Erdgas in mehreren Abschnitten neben dem laufenden Betrieb, von der Vattenfall als früherer Betreiber wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nichts wissen wollte, nur für einen Einsatz an wenigen sehr, sehr kalten Wintertagen?

Immerhin, die Internetseite der HEnW sagt Ähnliches: „In einem Zwischenschritt sind Biomasse oder auch Erdgas nach jetzigem Kenntnisstand noch notwendig. Denn insbesondere in Spitzenzeiten und im Winter benötigt Hamburg eine Wärmequelle, die eine zuverlässige und bezahlbare Fernwärmeversorgung ermöglicht.“ Außerdem sei der Umbau der Bestandskessel des HKW auf Gas- und Biomasse-Nutzung für die Leistungsabsicherung vorgesehen.

Auch bei der Pressekonferenz am 17. Juni 2022 ging es vor allem um Spitzenlastzeiten: „Zur Absicherung der Wärmeversorgung in Spitzenlastzeiten wird das bestehende Heizkraftwerk Tiefstack auf den wahlweisen Einsatz von Erdgas oder nachhaltiger Biomasse aus Rest- und Schadholz umgestellt.“ 

Festzuhalten ist, dass hier sogar davon geredet wird, dass es beim Einsatz von Biomasse und Erdgas nur um einen „Zwischenschritt“ geht!

Einen deutlich höheren Einsatz von Gas und Biomasse als Senator Kerstan nennt der Zwischenbericht zum Hamburger Klimaplan. In diesem steht auf Seite 25: „Das erarbeitete Konzept Energiepark Tiefstack sieht eine bivalente Umrüstung der Kohlekessel des HKW Tiefstack möglichst vor 2030 (idealerweise bereits 2028) auf Gas- oder Biomasse und einen Fokus auf brennstofffreie Wärmeerzeugung mittels Großwärmepumpen, Abwärme und gegebenenfalls auch Geothermie vor. Das umgerüstete HKW soll anschließend nur 30 Prozent der zu ersetzenden Wärme liefern. 70 Prozent der Wärme soll durch eine brennstofffreie Wärmeerzeugung ersetzt werden.“

Was bedeutet hier „anschließend“? Ist damit gemeint, gleich nach der Umrüstung der Kohlekessel oder fünf bis zehn Jahre später?

Und wieso sind es in Bild 3 nur 14 Prozent und nicht die hier genannten 30 Prozent?

Und wieviel von der nicht brennstofffreien Wärmeerzeugung soll auf Gas beruhen, wieviel auf Holzpellets?

Dazu weiß die Internetseite der HEnW: „Ob Biomasse oder Gas in Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden, entscheidet sich jeweils aktuell. Ausschlaggebend sind jeweils Aspekte der Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit – wie sind die Wetterbedingungen (z.B. kalter Winter), wird je nach Jahreszeit wenig und viel Wärme benötigt und was ist am Markt gut verfügbar.“

Noch weiter als 30 Prozent ging offenbar der HEnW-Geschäftsführer Heine: Er sprach vom Einsatz des umgerüsteten Heizkraftwerks in der Mittel- und Spitzenlast. Das könnte bedeuten: ähnliche Einsatzzeiten wie heute beim Kohle-Heizkraftwerk. Man unterscheidet die durchgehend benötigte Grundlast und die innerhalb der Heizperiode benötigte Mittel- und Spitzenlast. In der Grundlast, die von den Müllverbrennungsanlagen gestellt wird, wird das HKW Tiefstack gar nicht gebraucht – außer es wird damit wie gegenwärtig sehr häufig Strom durch Kohleverbrennung erzeugt, mit dem sich hohe Gewinne einfahren lassen.

Der Strategie-Leiter der HEnW Burkhard Warmuth wiederum erklärte im Rahmen der 4. Sitzung des Energiewendebeirats am 29.6.2022 laut Protokoll: „Hinsichtlich der Biomasse wird mit 200.000 bis 400.000 Tonnen pro Jahr gerechnet.“ In einer Präsentation am 21. September 2021 hatte Warmuth noch geschrieben, beim vollständigen Ersatz des HKW Tiefstack wären ca. 500.000 Tonnen Biomasse notwendig (HET, S. 17) und auch das schien damals untertrieben.

Ohne spezielle Fachkenntnisse sind solche Angaben mit den bisherigen nicht vergleichbar. Entspricht diese wirre Informationslage vielleicht sogar der Absicht der Akteure der Hamburger Energiewerke, denen natürlich sehr detaillierte Informationen über die Planungen zur „Transformation Tiefstack“ vorliegen?

Eine öffentliche Diskussion der Pläne für die „Transformation Tiefstack“ wird bisher offensichtlich behindert durch

  • das Fehlen verständlicher Angaben beispielsweise zur Menge der Holzverbrennung,
  • das Fehlen von Angaben zu den geplanten Umsetzungs-Zeitpunkten,
  • das Fehlen von Unsicherheiten und Risiken für die Umsetzung,
  • das Fehlen von Darstellungen über Alternativen zur propagierten Vorzugsvariante der „Transformation Tiefstack“.

Schafft sich die Hamburger Umweltbehörde eine simulierte Zivilgesellschaft?

Umfangreiche Informationen und Diskussionen gab es im „Beteiligungsprozess Tiefstack“. So die Internetseite der HEnW: „Von den Expertinnen und Experten eingebrachte Argumente und Hinweise wurden in den Dialog aufgenommen und Entscheidungen wurden transparent gemacht. Gutachten, die von Wärme Hamburg im Rahmen des Umbauprozesses Tiefstack erarbeitet werden, wurden dem Beteiligungsgremium vorgestellt.“

Die HEnW schreiben von einem „Transparenten Begleitprozess zum Kohleausstieg“. Transparent für wenige von der Umweltbehörde ausgewählte Personen – Orwells „Neusprech“ lässt grüßen.

In diesem Beteiligungsprozess mit zehn jeweils vierstündigen „Workshops“ und drei Zusatzterminen darunter einem speziellen zum Thema Biomasse, wurde bereits ab dem 8. Workshop immer wieder darüber gesprochen, auf welche Art und zu welchen Zeitpunkten die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgelegt werden sollten, deren „Akzeptanz“ es herzustellen gelte. Das geht aus den veröffentlichten Protokollen hervor.

Antworten auf die oben aufgeführten Fragen und Informationsdefizite sind allerdings in diesen Protokollen kaum zu finden. Die zum Beteiligungsprozess hinzugezogenen Expert:innen mussten sich nach definierten Spielregeln zu Vertraulichkeit verpflichten. Bis Mitte Mai 2022 wurden 15 zum Teil sehr umfangreiche Dateien, darunter 12 Präsentationen, als vertraulich deklariert.

Diese Geheimniskrämerei, die alle in Hamburg anerkannten Umweltverbände bis heute von einer unmittelbaren Einsichtnahme ausschließt, steht in eklatantem Widerspruch zum zweiten Satz des Volksentscheids von 2013 zum Rückkauf der Hamburger Energienetze, der mit Gesetzeskraft eine „demokratische Kontrolle“ vorschreibt.

Unter die beteiligten Expert:innen wurden die gleichen Personen ausgewählt, die schon in den Arbeitsgruppen des Beteiligungsprozesses der Biomasse-Partnerschaft Hamburg-Namibia mitwirken durften und dort eifrig für den Import von Buschholz aus Namibia und dessen Verbrennung im HKW Tiefstack eintraten. Ein Teil der übrigen zum „Beteiligungsprozess Tiefstack“ hinzugezogenen Expert:innen waren wirkliche Fachleute. Die meisten können aber in diesem Zusammenhang nicht als unabhängig von den Interessen der Umweltbehörde BUKEA und der Hamburger Energiewerke betrachtet werden.

Überaus aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Positionierung des Leiters des Amts für Energie und Klima in der Hamburger Umweltbehörde BUKEA, Anselm Sprandel: Dem Protokoll zum 8. Workshop zufolge vertrat er den Standpunkt, eine frühzeitige Einbindung der Zivilgesellschaft sei schon durch dieses Beteiligungsgremium hergestellt.

Die Hamburger Umweltbehörde gewöhnt sich also daran, „transparente“ Dialogprozesse mit einer selbst geschaffenen simulierten Zivilgesellschaft zu führen, zu der alle anerkannten Umweltverbände und die übrige reale Zivilgesellschaft keinen echten Zugang mehr erhalten.

140.000 Tonnen, 425.000 Tonnen oder gar 800.000 Tonnen Holzpellets?

Mit welchen Mengen an Holzverbrennung ist in Tiefstack tatsächlich zu rechnen?

Die bisher zitierten Angaben geben keine verlässlichen Antworten auf Fragen nach dem Umfang der geplanten Holzverbrennung.

Wenn man unter Hinzuziehung von technischen Parametern nachrechnet, wieviel Fernwärme pro Jahr nach der HEnW-Grafik in Bild 3 bei einem Anteil von 14 % aus Holz oder Erdgas erzeugt werden soll, kommt man auf eine grobe Schätzung von 250 GWh. Wenn nur Holzpellets und kein Erdgas eingesetzt werden, dann ergeben sich daraus 140.000 Tonnen Holz pro Jahr.

Wie unsicher diese Schätzung ist, geht aus den widersprüchlichen Angaben im Abschnitt „Verwirren, Abwiegeln, Irreführen und Verheimlichen“ hervor. Von Geldgebern wie der Bundesregierung lassen sich die Hamburger Energiewerke viel eher in die Karten schauen als von der Zivilgesellschaft. Daher ist es angebracht, sich Präsentationen aus einer von Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) im Oktober 2022 in Hamburg veranstalteten Fachtagung anzusehen. Das sehr interessante Bild 4 stammt aus der Präsentation von Herrn Warmuth, HEnW.

Hier wurde der gesamte Dekarbonisierungspfad der Hamburger Energiewerke für die „Stadtwärme“ in Fünf-Jahres-Schritten bis 2045 dargestellt.

In Hamburg wird von der Stadtreinigung Hamburg bereits relativ viel Altholz verbrannt. Dessen energetische Nutzung soll in Kürze durch das Einsetzen einer neuen Turbine sowie durch die schon erwähnten Rauchgaskondensation verbessert werden. Dieser Wärmeanteil wird in Bild 4 innerhalb der „Abwärme“ aufgeführt. Damit erklärt sich teilweise die relative Zunahme des Anteils „Abwärme“ zwischen 2022 und 2025.

Erst im Jahr 2030, in dem der Kohleausstieg abgeschlossen ist, taucht der mittelgrüne Abschnitt „Synthetische Gase/Biomasse“ auf. Er ist ganz der Holzverbrennung im HKW Tiefstack zuzuordnen, da nicht damit zu rechnen ist, dass schon 2030 „synthetische Gase“ (Wasserstoff, Ammoniak) für einen Einsatz im Energiepark Tiefstack in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen. Ab 2040 wird dieser Anteil größer, was auf den Einsatz synthetischer Gase zur Reduzierung von Erdgas zurückgeführt werden kann. Ab 2035 nimmt der dunkelgrüne Anteil, der vom „Ausbau der Wärmepumpen“ herrührt, stark zu, ohne dass dadurch der Biomasse-Anteil im Jahre 2035 wesentlich kleiner wird. In Rechnung zu stellen ist jeweils, dass durch das Wachstum der Versorgung mit Fernwärme der absolute Umfang steigt, auch wenn der relative Anteil gleich bleibt (Erdgas-Ausstieg mit Bild 7).

Bild 4: Geplanter Dekarbonisierungspfad der Hamburger Energiewerke, bezogen auf die Hamburger „Stadtwärme“, in Fünf-Jahres-Schritten vom Status Quo bis 2045. Dargestellt werden relative Anteile der Wärmeerzeugung. Für den Vergleich von Absolutwerten ist das geplante starke Wachstum der Stadtwärme zu berücksichtigen. (Quelle: Warmuth, HEnW)

Für einen aus Bild 4 entnommenen Biomasse-Anteil im Jahr 2030 von 15 % von 5000 GWh Fernwärme pro Jahr im Stadtnetz ergeben sich 750 GWh pro Jahr als Fernwärmeanteil aus Holz und 425.000 Tonnen Holzpellets pro Jahr (mit einem thermischen Wirkungsgrad von 41 % sowie einem Brennwert der Holzpellets von 4,3 MWh pro Tonne). Zur Veranschaulichung: Würden die Holzpellets nicht per Schiff, sondern mit 25-Tonnen-Lkw angeliefert, so ergäben sich 90 Lkw-Transporte Tag für Tag an 365 Tagen des Jahres.

Der so für 2030 ermittelte Wert des Holzeinsatzes in Tiefstack liegt etwas höher als die obere Grenze des von Warmuth im Energiewendebeirat genannten Intervalls von 200.000 bis 400.000 Tonnen Holzpellets. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser Wert noch wachsen wird, vor allem bis die geplanten Flusswasser-Wärmepumpen wirklich vollständig zur Verfügung stehen. (Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Hamburg bei allen großen Wärmeprojekten erhebliche Verzögerungen von fünf bis zehn Jahren bis zur Inbetriebnahme zu verzeichnen waren.)

Geht man dagegen vom Kohleeinsatz im HKW Tiefstack mit 401.449 Tonnen im Jahr 2021 aus (Drs. 22/7567) und rechnet auf eine äquivalente Menge an Holzpellets um (Brennwert 8,3 MWh / t Kohle), so ergeben sich sogar 778.000 Tonnen Holzpellets pro Jahr.

Ein Wert von rund 800.000 Tonnen Holzpellets pro Jahr kann also als ein Art Obergrenze betrachtet werden für den Fall, dass die Fernwärmeversorgung wächst wie geplant und sich die Einführung von Flusswasser-Wärmepumpen in der Bille und der Norderelbe verzögert oder nur in Teilen umsetzen lässt und dass die Erdgaspreise hoch sind.

Ähnliche Werte für den Holzeinsatz wie bei der Herleitung aus Bild 4 ergeben sich aus einer Darstellung, die – mit geringer Auflösung und eigentlich wohl nur zu dekorativen Zwecken – in den „Begleitfolien“ zum 10. Workshop des Beteiligungsprozesses Tiefstack enthalten ist (Bild 5).

Bild 5: Jährliche Wärmeproduktion im Heizkraftwerk Tiefstack zwischen 2027 und 2050 (Quelle: Begleitfolien zum 10. Workshop des Beteiligungsprozesses Tiefstack, Seite 4)

Die Darstellung entspricht nicht dem letzten Stand der aktuellen „Vorzugsvariante“ der „Transformation Tiefstack“. Denn in dieser wird keine Geothermie mehr eingesetzt, nachdem die Bohrungen nach tiefliegenden Geothermie-Quellen in Hamburg-Wilhelmsburg nicht die erhofften Ergebnisse brachten.

Die Wärmeproduktion im HKW Tiefstack von 1.100 GWh im letzten Jahr der Steinkohleverbrennung (schwarz, 2028) lässt sich nachvollziehen als Ergebnis aus einem gewachsenen Fernwärmebedarf und aus der zusätzlichen Abwärme von Aurubis und der Abfallverbrennung in der Borsigstraße. Der eigenartige Sprung auf nur noch 700 GWh pro Jahr in den drei Folgejahren ist vermutlich damit zu erklären, dass mehr Fernwärme auf Erdgasbasis aus dem Heizkraftwerk Dradenau ins Netz geliefert werden soll. Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass die gestrichelte Linie für den Fall einer ebenfalls erwogenen Konversion des HKW auf Gas gelten soll.

Die Flusswasser-Wärmepumpe, die dem Wasser der Bille Wärme entziehen soll (blau), wird ab 2032 nur 10 Jahre lang mit voller Leistung betrieben, da nur so lange eine Betriebskostenförderung durch das Förderprogramm BEW gewährt werden würde.

Die leistungsstärkere Flusswasserw-Wärmepumpe, die dem Wasser der Norderelbe Wärme entziehen würde, ist in diesem Bild noch nicht enthalten. Würde sie 2035 fertig werden, so würde unter den gleichen Konditionen auch ihr Betrieb aus Kostengründen nach 10 Jahren stark reduziert werden. Noch im Jahr 2045 wäre daher mit einigem Optimismus mit den Einsatz von Holzpellets (olivgrün) zu rechnen, der 600 GWh Fernwärme pro Jahr zur Fernwärme beitragen würde. Eine Umrechnung auf die jährliche Zufuhr von Holzpellets ergibt hier 340.000 Tonnen. Falls sich die Flusswasser-Wärmepumpen nicht realisieren lassen, so ergibt sich eine Bedarf von 580.000 Tonnen. Zu bedenken ist dabei, dass bei den Berechnungen der HEnW eine recht optimistische Einschätzung der zeitlichen Abnahme des Wärmebedarfs pro versorgter Wohneinheit unterstellt wurde.

Ist die Verbrennung von Holz im HKW Tiefstack klimaneutral?

Die Hamburger Energiewerke begründen ihre Behauptung einer Klimaneutralität der Holzverbrennung im HKW Tiefstack auf bemerkenswerte Weise so:

„Biomasse ist per Definition klimaneutral, da die Pflanze/der Baum während der Verbrennung so viel CO2 freisetzt, wie zuvor aus der Atmosphäre gebunden wurde.“

Die HEnW schließen sich also nicht der unter Holzlobbyisten verbreiteten Argumentation an, die von manchen Vertretern einer Kreislaufwirtschaft gerne verwendet wird (Beispiel: Dr. Schrägle, zitiert in HET, Seite 22). Diese Interessenträger erklären mit Blick auf die Zukunft, dass nach der Freisetzung von CO2 beim Verbrennen von Holz im Laufe der Zeit genauso viel CO2 durch nachwachsende Bäume wieder eingefangen werden würde.

  • Die Autor:innen der HEnW argumentieren aber gar nicht, sondern sie „definieren“, was eine neutrale Wirkung auf das Klima haben soll.
  • Sie erklären in ihrer Definition, dass das bei der Verbrennung von Bäumen freigesetzte CO2 von diesen Bäumen zuvor innerhalb von Jahrzehnten der Atmosphäre entnommen wurde.

Diskussionswürdig wäre ein solcher Gedankengang nur dann, wenn wir es mit einem gleichbleibenden Erdklima zu tun hätten. Das ist völlig unrealistisch beim aktuellen Stand der Klimakrise, die so bedrohlich ist, dass UN-Generalsekretär Guterres auf der UN-Klimakonferenz in Scharm el Scheich feststellen musste: „„Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal. Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens und sind dabei zu verlieren.“

Die HEnW tun also so, als befände sich das Erdklima in einem stationären Zustand, obwohl es sich seit Jahrzehnten hochdynamisch verändert. Wenn nicht rasch Reduzierungen bei der Freisetzung von Treibhausgasen in einem bisher nicht gekannten Umfang erreicht werden, werden zunehmend Kipppunkte des Erdklimas überschritten werden, die kein Zurück zu dem uns vertrauten Klima mehr erlauben werden.

Der HEnW-Geschäftsführer Heine schwärmt sogar von negativen Emissionen, wenn später das bei der Holzverbrennung freigesetzte CO2 abgeschieden und zur Erzeugung von Kerosin für Flugzeuge eingesetzt wird. Er übersieht dabei, dass hier die CO2-Freisetzung lediglich verlagert wird. Das Fliegen wird dadurch natürlich nicht klimaneutral. Finanziell ist die Sache aber attraktiv, weil nach bisherigem Stand sowohl für die Holzverbrennung wie für das Fliegen mit „E-Kerosin“ keine CO2-Zertifikate aus dem europäischen Emissionshandel gekauft werden müssen wie für fossile Energieträger.

Da es wirklich (fast) klimaneutrale Wärmequellen gibt, wie beispielsweise die Solarthermie oder mit erneuerbarem Strom angetriebene Wärmepumpen, muss einer „Definition“ von Holzverbrennung als klimaneutral durch die Hamburger Energiewerke heftig widersprochen werden. Die HEnW beabsichtigen einen klaren Etikettenschwindel.

Es wäre unverantwortlich, wenn auch eine von Grünen geführte Hamburger Umweltbehörde Einstellungen wie die von den HEnW formulierten vertreten würde.

Nach der „Definition“ der HEnW würde alles, was zuvor CO2 gespeichert hat, klimaneutral verbrannt werden können. Auch Torf, auch Bäume aus dem Regenwald. Letztlich auch Kohle, Erdöl und Erdgas! Da eine solche Position einen öffentlichen Sturm der Entrüstung auslösen könnte, setzten die HEnW ihrer Klimaneutralitäts-Definition folgende Einschränkung voran:

„Bei der in Tiefstack zur Versorgungssicherheit eingesetzten Biomasse wird es sich aber ausschließlich um Rest- und Schadholz handeln. Für den Biomasseeinsatz werden keine gesunden Bäume gefällt. Stattdessen kommen u.a. Reste aus Sägewerken zum Einsatz.“

Wie in ähnlichen Fällen üblich, soll für Tiefstack von den HEnW und der Umweltbehörde ein Hamburger Biomassekodex erarbeitet werden, „der an die Nutzung von Biomasse strenge Nachhaltigkeitskriterien definiert“.

Auf diese „Definition“ der Nachhaltigkeit von Rest- und Schadholz darf frau und man gespannt sein. Jedenfalls ist jetzt schon klar, dass die vorgesehenen Mengen an Holzpellets bei weitem nicht aus der lokalen Umgebung stammen werden, sondern vor allem auf dem Weltmarkt gekauft und mit Seeschiffen herangeschafft werden sollen. Da die großen Kohlebunker in Tiefstack die benötigten Mengen nicht fassen können, hat sich der Geschäftsführer Heine schon um den Kohlebunker in Moorburg als Speicher für weitere Holzpellets bemüht. Er kann im Gegensatz zum Standort Tiefstack gut mit großen Seeschiffen erreicht werden.

Der Experte Prof. Kaltschmitt hat laut Protokollen des Beteiligungsprozesses mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ressource Biomasse immer stärker von der chemischen Industrie als Rohstoff benötigt wird. Im Abschluss-Workshop merkte er zur Aufstellung von Nachhaltigkeitskriterien an, aufgrund des Einkaufs auf dem Weltmarkt sei eine Orientierung an vorhandenen Standards sinnvoll – die Anwendung eigener Kriterien könne zu einer Verengung der Auswahl und damit zu steigenden Kosten führen.

Welche Auswahl an Biomasse-Siegeln existiert und welche sich davon besonders gut für einen „Ablasshandel“ eignen, hat Prof. P. Heck (IfaS) bereits in einem 32-seitigen Gutachten im Rahmen der Biomassepartnerschaft Namibia – Hamburg beschrieben.

Wer treibt die Verbrennung von Holz im HKW Tiefstack?

Der große Zeitaufwand, der im „Beteiligungsprozess Tiefstack“ dem Thema Biomasse gewidmet wurde, zeigt, dass ein Bewusstsein dafür vorhanden war, dass die Umrüstung auf Holzverbrennung als grün bemäntelter Elefant im Raum steht.

Es könnte sein, dass die Planer der HEnW zusammen mit ihren Beratern von GEF Ingenieure und BET auch in der Lage gewesen wären, eine funktionierende und bezahlbare wirklich „brennstofffreie“ Ersatzlösung zu entwickeln. Eine zukunftsfähige Lösung, die nicht unter dem Druck der Klimakrise Gefahr läuft, zur Investitionsruine zu werden. Vieles deutet aber darauf hin, dass der Antrieb für eine reine Umrüstung des Heizkraftwerks Tiefstack vom Brennstoff Steinkohle auf die Brennstoffe Holz/Gas verstärkt von der Hamburger Umweltbehörde BUKEA ausging.

Zum einen deutet darauf hin, dass sich die Umweltbehörde seit einigen Jahren verbissen für die Verbrennung von Buschholz aus Namibia einsetzt. Trotz zahlreicher Proteste und Gutachten und der eindeutigen Ablehnung durch das Umweltbundesamt ist der Prüfprozess bisher nur ausgesetzt. Zum anderen erwartet der Hamburger Senat, in dem die BUKEA für Energiefragen zuständig ist, dass die zurückgekauften Hamburger Energieunternehmen Gewinne erwirtschaften, damit die Kosten für den Rückkauf rasch refinanziert werden können. Ein bloßer Umbau der KWK-Anlage mit einem Brennstoffwechsel erscheint da sicher am günstigsten.

Wenn man die Herausforderung durch die Klimakrise und die Verantwortung der Industriestaaten nicht einfach ignorieren will, dann muss man unbedingt zur Kenntnis nehmen, dass bei der Verbrennung von Holz pro genutzter Energieeinheit noch 14 % mehr CO2 freigesetzt wird als bei der Verbrennung von Steinkohle. Es ist also geradezu absurd, wenn mit großer Unterstützung der Hamburger Bevölkerung im Jahr 2019 ein Gesetz zum Ausstieg aus der Steinkohleverbrennung beschlossen wurde und wenn bei dessen Umsetzung ein noch klimaschädlicherer Energieträger eingesetzt wird. Pest statt Cholera.

In SAT 1 Regional (Minute 1:05) sprach Umweltsenator Kerstan am 17. Juni 2022 von der ausschließlichen Verbrennung von „Bruch- und Restholz, das für gar keine anderen wirtschaftlichen Prozesse mehr zur Verfügung steht“.

Das ist falsch. Bruch- und Restholz können sehr wohl in der Bau-, Papier- und Chemiewirtschaft wirtschaftlich verwertet werden. Erst am Ende einer Kaskadennutzung von Holz, auf die das Umweltbundsamt großen Wert legt, kommt eine Verbrennung von nicht weiter verwendbaren Abfallstoffen als „Altholz“ in Frage. Die aber übernehmen die Hamburger Müllverbrennungsanlagen ohnehin besser als ein umgerüstetes HKW Tiefstack.

„Ohne Biomasse geht`s nicht“, sagte Senator Kerstan – oder alternativ Erdgas, so die taz nach der Pressekonferenz am 17. Juni 2022. Auch das wäre erst nachzuweisen. Bei der Diskussion zur „Transformation Tiefstack“ im Beteiligungsprozess wurden jedenfalls auch alternative Konzepte diskutiert, die brennstofffrei ausgelegt waren oder mit viel weniger Holzverbrennung auskamen, weil das Holz nicht in einer KWK-Anlage, sondern in einem relativ kleinen Heizwerk eingesetzt wurde. Warum wird die Öffentlichkeit nicht auch über diese Alternativen unterrichtet?

Die Entscheidung für die präsentierte Vorzugsvariante erfolgte offenbar nach ökonomischen Kriterien. Denn die ökologischen Kriterien sind für die Holzverbrennung ohnehin großartig, wenn diese einfach als klimaneutral definiert wird.

Es gibt nicht nur die gesetzliche Verpflichtung zum Ausstieg Hamburgs aus der Kohleverbrennung bis 2030, sondern es gibt auch das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021, das eine Verschiebung von Emissionsreduzierungen auf nachfolgende Generationen verbietet.

Das BVerfG hatte sich in diesem Urteil auf Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) zu dem für Deutschland verbleibenden CO2-Emissions-Budgets gestützt. Der SRU hat eine Aktualisierung dieser Berechnungen vorgenommen. Daraus geht hervor, dass Deutschland schon 2031 klimaneutral sein muss.

„Klimaneutral“ sicher nicht im Sinne der „Definition“ der Hamburger Energiewerke.

Hamburg sollte daher von einem verfassungswidrigen Ersatz für das Heizkraftwerk Tiefstack Abstand nehmen und dem echten Klimaschutz Priorität vor der reinen Wirtschaftlichkeit der „Transformation Tiefstack“ einräumen.

Zusammenfassung

Die Hamburger Energiewerke und die Hamburger Umweltbehörde versuchen mit ihrem Konzept eines Energieparks Tiefstack die Zustimmung der Öffentlichkeit zu gewinnen, indem sie darin sehr große Flusswasser-Wärmepumpen als Köder präsentieren, um von der geplanten umfangreichen Holzverbrennung abzulenken. Mit der Holzverbrennung soll schon in sechs Jahren begonnen werden, mit den Flusswasser-Wärmepumpen ist erst Mitte der dreißiger Jahre zu rechnen, falls sie nicht vorher gestrichen werden wie jetzt schon die tiefe Geothermie in Tiefstack. Gleichzeitig wird versucht, die geplante Verbrennung großer Mengen von Holz anstelle von Steinkohle nach einer Umrüstung des Heizkraftwerks Tiefstack kleinzureden. Die Auswertung von Dokumenten der Hamburger Energiewerke zeigt, dass mit einer jährlichen Holzverbrennung zwischen 400.000 und 800.000 Tonnen in Tiefstack zu rechnen ist.

Dass die Hamburger Umweltbehörde wie schon beim bisher gescheiterten Projekt eines Buschholzimports aus Namibia auch bei der Planung des Energieparks Tiefstack einen ergebnisoffenen Dialog mit der Zivilgesellschaft verhindert, indem sie eine Scheinbeteiligung konstruiert und durch Vertraulichkeitsbeschlüsse der Öffentlichkeit fast alle wichtigen Informationen vorenthält, steht in krassem Widerspruch zum Volksentscheid von 2013 zum Rückkauf der Hamburger Energienetze und darf nicht hingenommen werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2021 in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass eine Verschiebung von Emissionsreduzierungen auf nachfolgende Generationen nicht zulässig ist. Daher sollte unverzüglich ein Konzept für den Ersatz des Heizkraftwerks Tiefstack ausgearbeitet werden, das sich am real existierenden Klima orientiert und ohne Verbrennung von Biomasse auskommt. Die Optimierung von finanziellen Gewinnen darf hierbei nicht an erster Stelle stehen, vielmehr muss dem echten Klimaschutz die ihm zustehende „überragende Bedeutung“ beigemessen werden.

  1. November 2022

14. Oktober 2022
von Redaktion
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Alle sparen Gas  – die Hamburger Energiewerke tun das Gegenteil

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In Deutschland ist im kommenden Winter mit einer Gasmangellage zu rechnen. In der Folge kann es zur Abschaltung ganzer Unternehmen kommen. Regierungen und Verbände rufen daher seit Monaten zur Einsparung von Gas auf – auch in Hamburg. Doch die Hamburger Energiewerke scheinen sich nicht darum zu kümmern. Sie verbrauchten im Sommer 2022 in ihrem Gas- und Dampfkraftwerk Tiefstack für die Erzeugung von Strom um 70 Prozent mehr Erdgas als im Sommer des Vorjahres. Offenbar, um damit möglichst hohe Gewinne zu machen.

Am 24. Februar 2022 griff Russland völkerrechtswidrig die Ukraine an.

Am 30. März 2022 rief das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die erste Stufe des Notfallplans Gas aus. Anlass war Russlands Drohung eines Lieferstopps, sollte die Bezahlung von Gaslieferungen nicht in Rubel erfolgen.

Am 23. Juni 2022 folgte die Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas auf Grund der seit dem 14. Juni 2022 bestehenden Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und wegen der weiterhin hohen Preise am Gasmarkt.

Bild 1: Gasflüsse aus Russland im Jahr 2022 in GWh pro Tag (Quelle: NDR)

Unmittelbar nach der Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas forderte Hamburgs Umweltsenator Kerstan auch die Industrie zum Einsparen von Gas auf:

Mit Erklärungen des Industrieverbands Hamburg, man unternehme schon alles Mögliche, um den Gas-Verbrauch zu senken, weitere Einsparungen wären nur machbar, wenn die Produktion gedrosselt würde, wollte sich Kerstan nicht zufrieden geben: „Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, wir können nichts tun, das sollen sie sich noch mal genau überlegen, weil sonst werden andere Leute die Entscheidung treffen.“ Wenn es nicht gelinge, vom 1. Juli an mindestens 20 Prozent Gas einzusparen, ginge das Gas im Herbst, spätestens aber im März aus.

Seither ist in Hamburg viel über Maßnahmen zur Einsparung von Energie, insbesondere von Erdgas zu lesen. Beispielsweise wurde vom Ersten Bürgermeister Tschentscher, von Energiesenator Kerstan, vom Präses der Handelskammer Aust und vom Präsidenten der Handwerkskammer Stemmann am 22. September eine Energiesparkampagne unter dem Motto „Hamburg dreht das“ gestartet, an der sich zahlreiche Hamburger Unternehmen, Einrichtungen und Vereine beteiligen wollen. Kerstan dazu: „… niemand muss tatenlos bleiben, wir alle haben es in der Hand, achtsam und sparsam mit Energie umzugehen. Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde trägt dazu bei, der Energieknappheit vorzubeugen.“

Bild 2: Kampagne „Ganz Hamburg spart Energie“ (Quelle: Senatskanzlei)

Das GuD Tiefstack hat jedoch seinen Erdgasverbrauch erhöht

Senator Kerstan ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Energiewerke (HEnW). Der Fernwärmeversorger Wärme Hamburg GmbH und der Strom- und Wärmeversorger Hamburg Energie GmbH wurden kürzlich per Fusion zu den HEnW zusammengefasst. Man könnte also erwarten, dass auch die HEnW ihren Gasverbrauch so weit wie möglich reduzieren. Überraschenderweise zeigt eine Überprüfung jedoch das Gegenteil!

Innerhalb der Hamburger Energiewerke ist das Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Tiefstack ein besonders wichtiger Erdgasverbraucher. Da in den Sommermonaten die Wärme aus der Müllverbrennungsanlage in der Borsigstraße ausreicht, um alle Bezieherinnen und Bezieher von Fernwärme mit Warmwasser zu versorgen, wäre zu erwarten, dass im Sommer 2022 im GuD Tiefstack die Verstromung von Erdgas im Vergleich zu vorausgehenden Jahren stark verringert wurde.

Allen Sparappellen der Bundesregierung und der Landesregierung Hamburgs zum Trotz wurde aber im GuD Tiefstack in den Sommermonaten Juni, Juli und August 2022 zusammen um 70 Prozent mehr Strom aus Erdgas erzeugt als in den entsprechenden Monaten des Vorjahres 2021 (Bild 3).

Bild 3: Vergleich der sommerlichen Stromerzeugung mit Erdgas im GuD Tiefstack in den Jahren 2022 und 2021 (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

Nach Daten der Energy Charts des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE wurden in den drei Sommermonaten des Jahres 2021 im GuD Tiefstack zusammen 16,9 GWh Strom erzeugt, im entsprechenden Zeitraum des Jahres 2022 waren es dagegen 28,9 GWh.

Warum steigern die HEnW ihren Erdgasverbrauch im GuD Tiefstack?

Warum folgen die Hamburger Energiewerke nicht den klaren Vorgaben ihres Aufsichtsratsvorsitzenden? Die zuständigen Behörden, die Bürgerschaft, der Erste Bürgermeister und die Zivilgesellschaft sollten Aufklärung darüber verlangen, weshalb ein stadteigenes Unternehmen die Regierungsvorgaben verletzt.

A) Als Erzeuger von Fernwärme wird das GuD Tiefstack im Sommer nicht gebraucht.

Die Rolle ihrer Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) in Tiefstack erläutert die Wärme Hamburg GmbH selbst so: „Die beiden Heizkessel für die Spitzenlast werden mit Erdgas befeuert und dienen der Absicherung der Wärmeversorgung in Zeiten, in denen besonders viel Wärme benötigt wird.“ Das GuD dient also der Absicherung der Wärmeerzeugung im Winter.

Ohnehin wird im Sommer von den HEnW als Koppelprodukt der Stromerzeugung viel mehr Wärme erzeugt als gebraucht wird. Viel davon dürfte neuerdings weggekühlt worden sein. Für die Bereitstellung von Warmwasser im Hamburger Fernwärmenetz reicht allein schon die Wärme aus der Müllverbrennungsanlage Borsigstraße weitgehend aus. In den Sommermonaten 2022 liefen aber auch die Steinkohle-Heizkraftwerke Wedel und Tiefstack mit hoher Leistung. Bild 4 zeigt, dass gegenwärtig die mit Steinkohle gefeuerten Heizkraftwerke Tiefstack und Wedel im Sommer ähnlich viel Strom erzeugen wie im Winter. Eine Reduktion ergab sich nur auf Grund der jährlich erfolgenden Wartungszeiten der einzelnen Kraftwerke.

Im Vergleich zum Strom aus der GuD-Anlage in Bild 3 sind die Werte des monatlich in den Heizkraftwerken erzeugten Stroms zwischen 80 und 210 GWh viel höher. Aber das Problem ist in Hamburg gegenwärtig nicht ein Mangel an Steinkohle, sondern eine Notlage für die Versorgung mit Erdgas.

Bild 4: In den Monaten Januar bis September in den Steinkohle-Heizkraftwerken Tiefstack und Wedel erzeugter Strom in GWh pro Monat (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)
Bild 5: Stromerzeugungs-Leistung des GuD Tiefstack im Juli 2022. Hohe Leistungen in kurzen Zeitintervallen und sehr geringe Leistungen im Rest der Zeit (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

B) Das GuD Tiefstack erzeugte im Sommer Strom zwecks Gewinnmaximierung

Bild 5 zeigt, wann und mit welchen Leistungen im Monat Juli 2022 im GuD Tiefstack Strom erzeugt wurde. In kurzen Zeitintervallen von meist wenigen Stunden wurde mit voller Leistung von gut 100 MW Strom erzeugt, manchmal mit der halben Leistung. In den restlichen Zeitintervallen war die Stromerzeugung sehr gering.

Als Ausschnitt aus Bild 5 sind in Bild 6 für die 29. Woche des Jahres 2022 die Werte der Nettostrom-Leistung des GuD Tiefstack den Preisen an der Strombörse und der gesamten deutschen Stromproduktion gegenübergestellt. Gut zu erkennen ist, dass häufig morgens und abends die Strompreise (rot und Skala rechts) sehr hoch sind, weil hier oft die Stromnachfrage das veränderliche Dargebot an Solarstrom (grün) übersteigt. Genau in diesen Zeitenintervallen wurde Erdgas im GuD Tiefstack verbrannt, offensichtlich weil hier trotz der gegenwärtigen hohen Erdgaspreise noch erhebliche Gewinne zu machen waren. (Es gab kurze Zeitspannen, in denen der Preis pro Megawattstunde sogar auf über 1000 € anstieg.)

Bild 6: Zeitlicher Zusammenhang zwischen der Stromerzeugungsleistung des GuD Tiefstack (blau) und den Preisen an der Strombörse EEX (rote Linie; Day Ahead Auktion) in der 29. Woche des Jahres 2022, vom 18. bis zum 24. Juli. Die rote Linie überlagert die Leistung der gesamten Stromproduktion in der BRD. Grün die Leistung der stark veränderlichen erneuerbaren Stromproduktion. Deutlich wird die durch gestrichelte Linien angedeutete zeitliche Korrelation zwischen dem Börsenstrompreis und der Stromerzeugung im GuD Tiefstack (blau) (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

Warum wurde in den Zeitenintervallen, in denen das GuD Strom mit hoher Leistung erzeugte, nicht die entsprechende Strommenge billiger in den Steinkohle-HKW erzeugt? Nach Bild 7 liefen die Kohle-Heizkraftwerke Tiefstack und Wedel 1 selbst mit hoher Leistung (während Wedel 2 gewartet wurde). Zudem eignet sich das GuD besser für rasches Herauf- und Herunterfahren der Leistung als die Kohle-Heizkraftwerke.

Bild 7: Zeitlicher Zusammenhang zwischen der Stromerzeugungs-Leistung des GuD Tiefstack (blau) und den Stromerzeugungs-Leistungen der Heizkraftwerke Tiefstack und Wedel 1 in der 29. Woche des Jahres 2022 (Wedel 2 in dieser Woche ohne Stromproduktion). (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

C) Gibt es vertragliche Gründe für die Stromerzeugung des GuD Tiefstack?

Die HEnW verkaufen den erzeugten Strom zu einem großen Teil nicht an der Strombörse, sondern langfristig. Könnte die Stromerzeugung des HKW Tiefstack in kurzen zeitlichen Intervallen mit langfristig eingegangenen Lieferverpflichtungen der HEnW zusammenhängen? Nach den Daten der Stromerzeugung in den Energy Charts wie in Bild 6 ist das sehr unwahrscheinlich.

Auch eine Vermutung, es könnte sich um Stromexport ins Ausland, beispielsweise nach Frankreich handeln, wird durch den Vergleich der Stromleistung des GuD und den Leistungen des Strom-Imports und -Exports in den Energy Charts widerlegt. Eine Korrelation mit dem Strom-Export nach Frankreich ist dabei nicht zu erkennen.

Damit bleibt als Schlussfolgerung, dass der Grund für den um 70 Prozent höheren Erdgasverbrauch des GuD Tiefstack im Sommer 2022 gegenüber dem Sommer 2021 in der Profitmaximierungs-Absicht der HEnW zu suchen ist.

Erwähnt sei noch: Im Jahr 2020 lag die kumulierte Stromerzeugung im GuD Tiefstack in den Sommermonaten wesentlich höher als 2021 und 2022, sogar höher als im Winter. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass genau in diesem Zeitraum die Erdgaspreise niedriger waren als die Preise für Steinkohle (Bild 8).

Bild 8: Entwicklung der Erdgas- und Kohle-Kraftwerkspreise nach EWI Köln

Wie soll es weitergehen?

Zur Rechtfertigung des Anstiegs des Erdgasverbrauchs im GuD Tiefstack im Sommer 2022 ließe sich einwenden, dass das Ziel der Bundesregierung, die deutschen Gasspeicher bis zum 1. November 2022 auf einen Speicherstand von 95 Prozent zu füllen, sogar vorzeitig erreicht wurde.

Die Bundesnetzagentur stellt aber in ihrem wöchentlichen Lagebericht vom 13. Oktober 2022 fest:

  • Die Lage ist angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden.
  • Die Bundesnetzagentur betont ausdrücklich die Bedeutung eines sparsamen Gasverbrauchs.

Die HEnW schreiben selbst zur Beruhigung ihrer Kundinnen und Kunden unter der Überschrift „Alarmstufe im Notfallplan für die Gasversorgung“:

„Wenn es tatsächlich zu einer Gasmangellage käme (§ 53a EnWG), dann wären Wärmeversorger (Heizwerke und KWK Anlagen) ebenso wie Haushalte besonders geschützt und erhielten vorrangig Erdgas.

Im Brennstoffmix des Stadtnetzes der Hamburger Energiewerke hatte Erdgas im Jahr 2021 einen Anteil von rund 15 Prozent. Das bedeutet auch, dass die Erzeugungsanlagen der Hamburger Energiewerke und weiterer Wärmelieferanten (z. B. Müllverwertungsanlagen) bis zu Außentemperaturen von bis zu 5°C prinzipiell in der Lage sind, ausreichend Wärme ohne Erdgaseinsatz zu liefern.“

Daher sollte die Stromerzeugung mit Erdgas im GuD Tiefstack zwecks Optimierung der finanziellen Gewinne der HEnW sofort beendet werden. Bis zum Winter sollte hiermit nicht gewartet werden.

Kürzlich tauchte in der WELT ein Artikel auf, in dem es hieß: „Um die Fernwärmeversorgung in Hamburg trotz drohender Gasmangellage zu sichern, unternimmt die Hansestadt drastische Maßnahmen. In den Kraftwerken Tiefstack und am Haferweg wird im Winter Öl statt Gas verfeuert.“

Senator Kerstan habe verkündet, dass „zwei der Hamburger Kraftwerke, nämlich das Heizkraftwerk Tiefstack und das Heizwerk am Haferweg, von Gas- auf Ölbetrieb umgestellt werden. Es werde bereits Öl gebunkert. … Die beiden Kraftwerke werden diesen Winter gar kein Gas verbrauchen.“

Damit bezog sich Kerstan nicht auf das GuD Tiefstack, das nicht auf einen Betrieb mit Öl umgestellt werden kann, sondern nur auf eine Zusatzfeuerung mit Öl statt Erdgas im Kohle-Heizkraftwerk Tiefstack. Während das Heizwerk am Haferweg von Erdgas auf Öl umstellbar ist, gilt dies nicht für die anderen Heizwerke, mit denen im Winter Fernwärme für das Stadtnetz erzeugt wird, insbesondere für das leistungsstarke Heizwerk HafenCity.

Im Übrigen: In den beiden großen Heizkraftwerken Hamburgs, Tiefstack und Wedel, wird im Jahr 2022 um 42 Prozent mehr Strom durch Verbrennung von Steinkohle erzeugt werden als im Jahr 2019. Das wirft für die HEnW satte Gewinne ab. Auf zusätzliche Gewinne aus der Erdgasverbrennung sollte das Unternehmen in der gegenwärtigen Gaskrise daher wirklich verzichten können.

  1. Oktober 2022

24. September 2022
von Redaktion
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Übergewinne der Hamburger Energiewerke aus der Erzeugung von Strom im Jahr 2022

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Aktualisierungen am 30. September 2022:

a) Eine Gasumlage wird es nicht geben. Stattdessen wird eine Gaspreisbremse eingeführt.

b) Auch die Mehrwertsteuer auf Fernwärme wurde wie die auf Gas ab Oktober 2022 bis März 2024 von 19 auf 7 Prozent gesenkt.

c) Die in unserem Beitrag berechneten Übergewinne der HEnW setzen voraus, dass diese den erzeugten Strom auf dem Spotmarkt oder Day Ahead Markt der Strombörsen verkaufen. Tatsächlich dürften die HEnW ähnlich wie E.ON und RWE den größten Teil des von ihnen erzeugten Stroms mit Hedge- oder Sicherungsgeschäften zu bereits länger zurückliegenden Preisen verkauft haben. Von den hohen gegenwärtigen Strompreisen profitieren also die Hedge-Unternehmen in viel größerem Maß als die HEnW.

24. September 2022:

  • Die Hamburger Energiewerke (HEnW) können voraussichtlich für den von ihnen im Jahr 2022 erzeugten Strom „Übergewinne“ von etwa 150 Millionen Euro einstreichen.
  • Dennoch wurde eine Preiserhöhung der städtischen Fernwärme um 60 Prozent angekündigt.
  • Für die rund 200.000 Hamburger Haushalte, die von den HEnW mit Fernwärme versorgt werden und die die angekündigte Preiserhöhung nicht ohne weiteres verkraften können, könnte mit Hilfe dieser Übergewinne eine Erhöhung der Fernwärmekosten vermieden werden.
  • Der angekündigte Verzicht der HEnW auf eine Gasumlage im Jahr 2022 für ihre Gaskunden ist im Vergleich dazu nur eine billige Werbemaßnahme.
  • Die hohen Übergewinne der HEnW werden noch einige Jahre anhalten, zusammen mit stark erhöhten CO2-Emissionen.

Kohleverbrennung in Hamburg 2022 um 42 Prozent höher als 2019

Der Verbrauch von Erdgas muss wegen der Erdgaskrise dringend reduziert werden. Um bei der Stromerzeugung Erdgas einzusparen, wurde die Kohleverbrennung in den Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerken Tiefstack und Wedel im Jahr 2022 erhöht. Bild 1 zeigt, dass nach einer Reduzierung des mit Kohleverbrennung erzeugten Stroms in Hamburg in den Jahren 2017 bis 2019 im Jahr 2022 die Erzeugung von Kohlestrom voraussichtlich wieder etwa so hoch sein wird wie zuletzt im Jahr 2015. Für die Stromerzeugung aus Steinkohle ist im Jahr 2022 ein um 42 Prozent höherer Wert zu erwarten als im Jahr 2019.

Bild 1: Mit Steinkohle in den Hamburger Heizkraftwerken Tiefstack und Wedel erzeugter Strom (Daten aus den Energy Charts von Fraunhofer ISE. Der Wert für 2022 wurde von Mitte September bis zum Jahresende extrapoliert.)

Im Verlauf der Erdgaskrise haben sich die Großhandelspreise für Strom stark erhöht. Zwar sind auch die Brennstoffpreise erheblich gestiegen und für die Verbrennung von Kohle fallen beträchtliche Kosten für CO2-Zertifikate an. Dennoch ergeben sich bedeutende Übergewinne, die nicht von den Hamburger Energiewerken (HEnW) erwirtschaftet wurden, sondern auf einem historischen „Zufall“ beruhen.

Tim Meyer hat mit Hilfe von öffentlich zugänglichen Daten analysiert, wie sich die Übergewinne aus den explodierenden Strompreisen in Abhängigkeit von den eingesetzten Brennstoffen errechnen lassen.

Bei einer von Meyer berechneten Gewinnsteigerung von „gut sechs Cent pro kWh“ und der für das Jahr 2022 aus den Daten der Energy Charts ermittelten Menge an Kohlestrom in Hamburg von 2198 GWh ergeben sich Übergewinne für die Hamburger Energiewerke HEnW von rund 132 Millionen Euro (Tabelle 1).

Tabelle 1: Übergewinne aus der Stromerzeugung in den Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerken im Jahr 2022

Auf ähnliche Art ergibt sich für den Strom, der 2022 im Gas- und Dampfkraftwerk Tiefstack der HEnW mit der Verbrennung von Erdgas gewonnen wird, ein Übergewinn von rund 8 Millionen Euro. Dazu kommen weitere Übergewinne u. a. von dem mit Blockheizkraftwerken von Hamburg Energie (Teil der HEnW) erzeugten Strom. Schätzt man diese auf rund 10 Millionen Euro, so folgt ein gesamter Übergewinn der HEnW aus der Stromerzeugung von rund 150 Millionen Euro.

Die HEnW haben nach ihrem Geschäftsbericht schon im Jahr 2021 „gut an den steigenden Energiepreisen verdient und der Stadt rund 46 Millionen Euro Gewinn beschert“. Und das, obwohl für 2021 eigentlich noch Verluste aus dem Rückkauf der Wärme Hamburg GmbH von Vattenfall erwartet worden waren.

Verzicht der HEnW auf die Gasumlage für ihre Gaskunden im Jahr 2022

Das Hamburger Abendblatt (HA) fragte am 31. August 2022: „Millionengewinn: Verzichtet Hamburg nun auf die Gasumlage?“. Am 21. September konnte das Blatt dann berichten, die HEnW würden für 2022 auf eine „Weitergabe der Gasumlagen“ verzichten. In dem entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats der HEnW heißt es: „Die Hamburger Energiewerke (HEnW) werden im Jahr 2022 auf eine Weitergabe der Gasbeschaffungs- und Gasspeicherumlage an die Gaskunden der Unternehmensmarke Hamburg Energie verzichten.“

Aus den Angaben der HEnW (30.000 Gaskunden der Hamburg Energie GmbH; jeweils 79 Euro Ersparnis für den Verzicht auf die Gasumlage in den Monaten Oktober bis Dezember 2022) lassen sich 2,37 Mio. Euro als Höhe eines Verzichts der HEnW im Jahr 2022 errechnen. Da die Gasumlage, falls sie überhaupt kommt, erst ab November 2022 erhoben werden soll, geht es um einen Verzicht von weniger als 2 Mio. Euro. Ein Betrag, der wirklich sehr bescheiden ist im Vergleich zu rund 150 Mio. Euro Übergewinn der HEnW im Jahr 2022. Eine wirklich gekonnt in Szene gesetzte PR-Maßnahme!

Stark steigende Fernwärmepreise trotz hoher Zufallsgewinne der HEnW

„Auch unseren Fernwärmekunden stellen wir die Gasumlagen in diesem Jahr nicht gesondert in Rechnung“ heißt es weiter im Beschluss des Aufsichtsrats der HEnW, erklärt von Michael Prinz, einem der drei Geschäftsführer:innen der HEnW.

Die Fernwärme im Hamburger Stadtnetz entsteht laut HA zwar zu 64 Prozent aus Steinkohle und neben 16 Prozent aus Müllverbrennung nur zu 19 Prozent aus Erdgas. Dennoch könnte diese Ankündigung etwas bedeutsamer sein als die für die Gaskunden, da offenbar die Gasumlage auch bei Fernwärmeversorgern mit Gasnutzung erhoben werden soll.

Über den bevorstehenden Anstieg der Fernwärmepreise im Hamburger Stadtnetz berichtete das Hamburger Abendblatts bereits am 11. August 2022, die HEnW hätten auf Anfrage mitgeteilt, dass der Preis der Fernwärme um mindestens 60 Prozent steigen dürfte. Dies obwohl schon bisher aus nachvollziehbaren Gründen die Fernwärme eine besonders teure Heizungsart war, wozu das Hamburger Abendblatt nähere Angaben machte. Diese „mindestens 60 Prozent“ dürften sich nach festgelegten Regeln aus den Kostensteigerungen vor allem für Steinkohle, Erdgas und CO2-Zertifikate ergeben (Preisänderungsklausel).

Nach dem Bericht des Hamburger Abendblatts gibt es 247.000 Haushalte, die von den HEnW mit Fernwärme versorgt werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gewerbekunden, städtische Einrichtungen und Krankenhäuser, die am Wärmenetz hängen. Rein rechnerisch werden vom Hamburger Stadtnetz rund 500.000 „Wohneinheiten“ mit Heizwärme und Warmwasser versorgt.

Wie verhalten sich nun die Übergewinne der HEnW von rund 150 Mio. Euro im Jahr 2022 zu den angekündigten Preiserhöhungen für die Fernwärme?

Das Hamburger Abendblatt erklärte, der Beratungsfirma co2online zufolge seien als Heizkosten für eine durchschnittliche 70 Quadratmeter große mit Fernwärme versorgte Wohnung in einem Mehrfamilienhaus 945 Euro für 2021 zu veranschlagen.

Tabelle 2: Zur Verwendung der Übergewinne der Hamburger Energiewerke im Jahr 2022

Eine einfache Überschlagsrechnung führt zum Vergleich in Tabelle 2: Für 200.000 bedürftige Haushalte, die bisher im Jahr rund 1000 Euro für die Fernwärme bezahlen, würden zur Vermeidung einer Kostenerhöhung von 60 Prozent 120 Millionen Euro benötigt. Mit ihren gar nicht selbst erwirtschafteten Übergewinnen könnten die HEnW also die Fernwärmekosten für die Haushalte, die in Hamburg mit Fernwärme für Heizung und Warmwasser versorgt werden und die die Preiserhöhung nicht einfach wegstecken können, für ein Jahr konstant halten.

Übrig bleiben würden 30 Millionen der Übergewinne für den vom HEnW-Aufsichtsratschef Senator Kerstan (Grüne) vorgeschlagenen Härtefallfonds des Senats für „Menschen, die die hohen Energiepreise trotz anderer staatlicher Hilfen nicht mehr bezahlen können.“ Energiesperren sollen damit vermieden werden. Und die HEnW hätten immer noch die „normalen“ Gewinne aus dem Fernwärmebetrieb.

Der Härtefallfonds soll Teil des „Notfallfonds Energiekrise“ werden, der mit einem Startkapital von 125 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Der Notfallfonds ist auch für Unternehmen in Industrie und Handwerk gedacht, die derzeit unter den explodierenden Strom- und Gaspreisen leiden. Nach Bürgermeister Tschentscher soll der Notfallfonds das dritte Entlastungspaket des Bundes ergänzen, das die größten Härten abfedern soll.

Wie wird es weitergehen?

Das renommierte Beratungsinstitut PROGNOS hat kürzlich unter Verwendung der zu erwartenden Preise von Energieträgern Prognosen zu den Großhandelspreisen von Strom in Deutschland bis zum Jahr 2040 veröffentlicht (Bild 2).

Bild 2: Von PROGNOS erwartete Strompreise bis 2040 (Quelle: PROGNOS. Der „obere Strompreispfad entspricht einem völligen Stopp russischer Gaslieferungen.)

Das völlige Ausbleiben von Erdgasimporten aus Russland entspricht dem „oberen Strompreispfad“. PROGNOS dazu: „Der obere Strompreispfad steigt 2023 aufgrund der hohen Gaspreise auf über 500 € / MWh an und sinkt dann bis 2028 deutlich ab. 2030 liegt der Preis bei 98 und sinkt bis 2040 auf rund 80 € / MWh ab.“ Vor 2021 war der Preis weniger als halb so hoch.

Der Studie liegen als Annahmen zugrunde: die Weiterführung des gegenwärtigen Strommarkt-Designs (merit-order) und die Bestimmung des Preises auf dem deutschen Gasmarkt durch verflüssigtes Erdgas aus den USA ab dem Jahr 2027. Als Preise für Erdgas wurden 2022/2023 250 bis 300 Euro pro MWh und ab 2027 25 bis 35 Euro pro MWh angenommen. Die Steinkohlepreise sind wesentlich moderater (Seite 7 in der Studie).

Nach der Studie ist zu erwarten, dass die größtenteils Steinkohle-gestützte Hamburger Fernwärme bei voller Auslastung der Heizkraftwerke noch weitere drei Jahre sehr hohe Übergewinne verbuchen kann. Mit den in den Folgejahren von PROGNOS erwarteten Strompreisen wird die Gewinnerwartung für Steinkohle-Heizkraftwerke weiterhin hoch sein. Zu erwähnen ist allerdings, dass PROGNOS auch davon ausgeht, dass bis 2030 alle deutschen Steinkohle-Kraftwerke abgeschaltet werden (Seite 10). Das ließe sich realisieren, wenn die installierte Leistung der erneuerbaren Energien gemäß dem „Osterpaket“ der Ampelregierung bis 2030 verdreifacht würde (Seite 11).

Folgen für den Klimaschutz

Es gibt zahlreiche negative Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Gegenmaßnahmen der westlichen Demokratien für den dringend notwendigen Klimaschutz.

Für die nähere Umgebung Hamburgs offensichtlich sind

  • die starke Zunahme der Verfeuerung von Steinkohle (Bild 1), die wohl noch einige Jahre im gegenwärtigen Umfang weitergeführt werden wird,
  • die mit „Lichtgeschwindigkeit“ (Habeck) erfolgende Errichtung zahlreicher LNG-Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas an den deutschen Küsten, die sich nicht auf schwimmende Terminals zur kurzfristigen Deckung des Erdgasbedarfs beschränkt, sondern für die bereits langfristige Verträge zur Lieferung von fossilem Erdgas geschlossen werden,
  • der Ersatz der übermäßigen Abhängigkeit von russischem Erdgas durch eine übermäßige Abhängigkeit von Erdgas aus Nordamerika, bei dem es sich häufig um besonders klimaschädliches Fracking-Gas handelt,
  • die Abwertung der Berücksichtigung ökologischer Belange bei der Verkürzung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren,
  • die Behinderung des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Reduzierung von Treibhausgasen, beispielsweise durch das von der Hamburger Umweltbehörde betriebenen Projekt eines LNG-Terminals in Hamburg, das der Errichtung einer großen Wasserstoff-Erzeugungsanlage im Weg stehen würde.

5. August 2022
von Redaktion
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Klimaschäden durch entweichenden Wasserstoff

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In Deutschland hat sich herumgesprochen, dass eine Freisetzung des Gases Methan so rasch wie möglich reduziert werden muss. Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas und von Biogas, ist das zweitwichtigste Klimagift, gleich hinter Kohlendioxid. Und die Methan-Konzentration in der Atmosphäre steigt immer schneller und bedrohlicher. Dabei war eigentlich vor 2007 nach der Bildung eines Plateaus ein allmählicher Rückgang erwartet worden (Bild).

Die Abbildung zeigt den weltweiten monatlichen Mittelwert von atmosphärischem Methan (NOAA Global Monitoring Laboratory) (ppb = Milliardstel). Bis zum Jahr 2007 bestand die Hoffnung, dass die Methan-Konzentration nach einer Abflachung abnehmen würde. Stattdessen steigt die Konzentration seither immer steiler an. Insgesamt stieg die Konzentration 2021 erstmals über 1900 ppb, fast das Dreifache im Vergleich zum Niveau vor der Industrialisierung.

Die wichtigsten Quellen von Methan sind zum einen natürliche Feuchtgebiete, vor allem in den Tropen. Zum anderen entsteht Methan beim Anbau von Reis auf Nassfeldern und bei der Verdauung von Wiederkäuern. Eine weitere Methanquelle ist vor allem die Energieproduktion. Bei der Förderung und Verteilung von Erdgas kann viel Methan freigesetzt werden, besonders beim Einsatz der Fracking-Methode wie in den USA. Auch bei der Förderung von Erdöl und Steinkohle wird Methan emittiert.

Menschengemachte Quellen wie die Öl-, Kohle- und Gasförderung, die Massentierhaltung und Mülldeponien sorgen also für mehr als die Hälfte der Methanemissionen. Reduktion der Freisetzung von Methan sowie die Suche nach Methan-Lecks und deren Schließung gelten daher zumindest in der EU als äußerst dringlich.

Vor Jahrzehnten wurde Erdgas zu einer „Brücke“ in eine klimaneutrale Zukunft erklärt. Schon damals hätte intensiv untersucht werden müssen, welche Folgen sich aus entweichendem Methan für das Klima ergeben und wie Lecks so gut wie möglich vermieden werden können.

Auch entweichender Wasserstoff schadet dem Klima

Dass auch Freisetzungen von Wasserstoff schädlich für das Klima sind, wird erst allmählich bekannt. Im Unterschied zur Nutzung von Erdgas müsste der geplante sehr rasche Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft von Anfang an so vollzogen werden, dass der Vermeidung von Wasserstoff-Lecks bei Erzeugung und Anwendung von Wasserstoff große Beachtung geschenkt wird.

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft steht noch in den Startlöchern, hat aber eine bedeutende Zukunft. Die Europäische Kommission stellte im Jahr 2020 ihre Wasserstoffstrategie vor. Dabei nannte sie Schätzungen, denen zufolge 24 Prozent der weltweiten Energienachfrage bis 2050 mit sauberem Wasserstoff gedeckt könnten.

In Hamburg soll von der Gasnetz Hamburg GmbH ein eigenständiges großes Wasserstoffnetz HH-WIN aufgebaut werden, das auch überregional vernetzt werden soll. Mit dem Bau soll bereits 2023 begonnen werden. Dieses kommunale Unternehmen und die Hamburger Umweltbehörde BUKEA müssten eigentlich großes Interesse an neuen wissenschaftlichen Ergebnissen zur Klimaschädlichkeit von Wasserstoff haben.

Die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten der LINKEN Stephan Jersch in der Bürgerschaftsdrucksache Drs. 22/8776 „Klimaschädigung durch Emission von Wasserstoff“ zeigt jedoch ein verblüffendes Desinteresse des Senats.

Im Vorspann zu seiner Anfrage ging Jersch auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Treibhauspotenzial von molekularem Wasserstoff ein. Diese ergaben, dass freigesetzter Wasserstoff mehr als doppelt so klimaschädlich ist als aus früheren Berechnungen folgte. Dann fragte Jersch den Senat, wie dieser die Problematik der Klimaschädigung durch Wasserstoff-Freisetzung unter den Randbedingungen der gegenwärtig angewandten Technologien beim Einsatz von Wasserstoff im Verkehr, in der Industrie und bei Transport und Speicherung von Wasserstoff beurteile.

Der Hamburger Senat winkt ab

Der Senat reagierte uninteressiert bis abweisend:

„Das Kyoto-Protokoll nennt die entscheidenden Treibhausgase, die maßgeblich zum Klimawandel beitragen. Dazu gehören neben Kohlendioxid, Methan und Lachgas auch fluorierte Kohlenstoffverbindungen (F-Gase). Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) bezieht in seine aktuellen Betrachtungen weitere Treibhausgase und Aerosole ein, Wasserstoff gehört bislang aber nicht dazu. Der Senat sieht keine Veranlassung, von den Bewertungen des IPCC abzuweichen.“

Mit anderen Worten: Was interessieren den Senat neue wissenschaftliche Erkenntnisse? Er hält sich an das Kyoto-Protokoll und an die bisherigen Veröffentlichungen des Weltklimarats IPCC.

Die Liste der „entscheidenden Treibhausgase“ des Kyoto-Protokolls ist bald 20 Jahre alt. Eine Bewertung des IPCC zur neuen hochinteressanten im April 2022 veröffentlichten Arbeit über das Treibhauspotenzial von Wasserstoff kann es noch gar nicht geben, da der IPCC in seinem zum letzten Assessment Report (AR6 –Technical Summary) Literatur nur bis zum 31. Januar 2021 berücksichtigte!

Die Antwort des Senats erinnert fatal an das vielfach angeprangerte Verhalten internationaler Öl- und Gaskonzerne, die zwar frühzeitig von der Klimaschädlichkeit von CO2 wussten, aber systematisch und anhaltend Zweifel an den wissenschaftlichen Grundlagen säten.

Wie klimaschädlich ist freigesetzter Wasserstoff?

Wasserstoff wird beispielsweise im Wikipedia-Beitrag „Treibhauspotential“ in einer Liste der „Bedeutenden Treibhausgase“ aufgeführt. Als GWP-100 (global warming potential über 100 Jahre) wird der Wert 4,3 angegeben, als Lebensdauer in der Atmosphäre 4 – 7 Jahre.

Im April 2022 wurde eine Untersuchung veröffentlicht, die im Auftrag des Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS) der britischen Regierung von der Universität Cambridge und dem National Centre for Atmospheric Sciences an der Universität Reading durchgeführt wurde: Warwick et al.: Atmospheric implications of increased Hydrogen use.

Die Studie gibt für einen Zeithorizont von 100 Jahren ein Treibhauspotenzial von 11 ± 5 an, zweieinhalb-mal größer als das bisherige. Für den in diesem Fall wichtigeren Zeithorizont von 20 Jahren wurde ein Treibhauspotenzial von 33 ermittelt, in einem Unsicherheitsbereich von 20 bis 44 (Seite 54 der Forschungsarbeit). Bezogen auf einen Zeitraum von 20 Jahren ist die Emission von Wasserstoff also etwa 33-mal klimaschädlicher als die von CO2.

Die entsprechenden GWP-Werte des zweitwichtigsten Treibhausgases Methan sind nach Angaben des IPCC GWP-100 = 30 und GWP-20 = 85 (fossiles Methan). Der Vergleich zwischen Methan und Wasserstoff zeigt, dass die Schädigung des Klimas durch Freisetzung von molekularem Wasserstoff im Rahmen einer zukünftigen umfangreichen Wasserstoffwirtschaft sehr ernst genommen werden muss.

Die Wissenschaftler:innen kamen zum Ergebnis: „Das Entweichen von Wasserstoff in die Atmosphäre während der Produktion, der Speicherung, der Verteilung und der Nutzung wird einige der Vorteile einer wasserstoffbasierten Wirtschaft teilweise wieder zunichtemachen.“

Beim Ersatz von fossilen Energieträgern durch grünen Wasserstoff lassen sich Treibhausgas-Emissionen stark reduzieren. Umfangreiche Freisetzungen von Wasserstoff würden diese Vorteile verringern. Die Verwendung von Wasserstoff mit anderen „Farben“ ist ohnehin derjenigen von grünem Wasserstoff unterlegen.

Die im Vergleich zur bisherigen Beurteilung von Wasserstoff erhöhten Werte des Treibhauspotenzials ergaben sich durch die Berücksichtigung von indirekten Treibhauseffekten: Methan wird durch die Einwirkung von OH-Ionen abgebaut.

OH-Ionen (Hydroxyl-Radikale) entstehen in der Troposphäre aus Ozon und Wassermolekülen beim Auftreffen von Ultraviolett-Strahlen. Sie sind für den Abbau vieler Spurengase verantwortlich und werden daher als Waschmittel der Atmosphäre bezeichnet.

Molekularer Wasserstoff reagiert mit OH-Ionen, verringert deren Konzentration und dadurch auch den Abbau des atmosphärischen Methans. Wasserstoff verlängert auf diese Weise die Lebensdauer des Methans.

Wasserstoff reagiert auch mit Sauerstoff, wobei troposphärisches Ozon gebildet wird, und hinterlässt Wasserdampf in der Stratosphäre (Bild). Beides trägt ebenfalls zum Treibhauseffekt bei.

Das Bild aus Ocko et al., Climate consequences of hydrogen emissions zeigt die chemischen Reaktionen in der Troposphäre und in der Stratosphäre, die zu einem Anstieg der Konzentrationen von Methan (CH4), Ozon (O3) und Wassersdampf (H2O) führen.

Fragen an die Gasnetz Hamburg GmbH zum Wasserstoffnetz

In seiner Senats-Anfrage interessierte sich Jersch insbesondere für das von GNH geplante Wasserstoffnetz HH-WIN.

❑  Frage 3:

„Mit welchen Leckageraten rechnet Gasnetz Hamburg beim zukünftigen Wasserstoffnetz HH-WIN im normalen Betriebszustand?“

Antwort zu Frage 3:

„Im zukünftigen Wasserstoffnetz HH-WIN werden keine Leckageraten erwartet. Es handelt sich um technisch dichte Stahlleitungen, für die nach dem DVGW-Regelwerk G221, Kapitel 8.5.1 keine Permeation/Gasdurchlässigkeit für Wasserstoff nachzuweisen ist. Zudem richtet sich GNH beim Bau der Wasserstoffleitungen nach dem Regelwerk G463 (Bau von Leitungen > 16 bar). Zusätzlich werden alle Anlagenkomponenten speziell auf den Betrieb mit Wasserstoff ausgelegt und die Tauglichkeit wird vom jeweiligen Hersteller bescheinigt, sodass auch hier keine Leckagen zu erwarten sind.“

❑  „Keine Leckageraten“  ­–  Ganz anders klingt die Antwort auf Frage 8:

„Welche Untersuchungen und Entwicklungen laufen, um gegenwärtige Freisetzungen von H2 in Zukunft zu vermeiden oder wenigstens zu verringern?“

Antwort zu Frage 8:

„Konkrete Erkenntnisse dazu liegen der zuständigen Behörde nicht vor.

Neben einem kriechenden Entweichen über Dichtungen (in Rohrleitungen, Armaturen oder Behältern) ist die Diffusion von Wasserstoff durch das jeweilige Wandungsmaterial ein Problem, welches zu Freisetzungen beiträgt, wie sie in den referenzierten Ausarbeitungen angegeben werden. …“

Also: Erst keine Leckageraten im zukünftigen Wasserstoffnetz HH-WIN, dann aber Probleme mit dem Entweichen über Dichtungen und die Diffusion von Wasserstoff durch das jeweilige Wandungsmaterial!

❑  Jersch wollte wissen, wie die beim Netz HH-WIN eingesetzten bisherigen Erdgasleitungen für den Wasserstoff-Transport vorbereitet werden.

Antwort auf diese Frage:

„In der jetzigen Planungsphase handelt es sich um einen vollständigen Neubau. Die Umwidmung von bestehenden Erdgasleitungen zur Wasserstoffnutzung ist nicht vorgesehen.“4

Wer sich die Mühe macht, die Planungen zu HH-WIN genauer anzusehen, findet keineswegs einen „vollständigen Neubau“, schon gar nicht für das gesamte geplante Wasserstoffnetz:

Im „Netzplan von HH-WIN“ steht: „Die Erweiterung des Wasserstoffnetzes HH-WIN in Ausbaustufe 2 (bis 2035) wird größtenteils durch Umstellung bestehender Leitungen erfolgen.“

Konkrete Zahlen gibt es im „Faktenblatt zu HH-WIN“:

Für 20 km in 2021-2026 (Ausbaustufe 1):               Umstellungsquote „unter 10 %“

für weitere 40 km in 2027-2030 (Ausbaustufe 1):    Umstellungsquote „über 10 %“

für weitere 40 km in 2031-2035 (Ausbaustufe 2):    Umstellungsquote „über 60 %“

❑  „Wie untersucht Gasnetz Hamburg Leitungen auf Wasserstoff-Lecks?“ wollte Jersch wissen.

Antwort: „Bisher betreibt GNH keine Wasserstoffleitungen und hat folglich keine Expertise zur Untersuchung von Wasserstoffleitungen auf Leckagen.“

Auf einer Internetseite von GNH wird aber das Projekt mySmartLife beschrieben, in dem dem Erdgas bis zu 30 Prozent Wasserstoff beigemischt wird. GNH: „Dadurch sammelt das Projekt wertvolle Erfahrungen im Wasserstoff-Mischbetrieb einer als Erdgas-Infrastruktur errichteten Wärmeversorgung.“ Untersuchungen auf Wasserstoff-Leckagen gehört offenbar nicht dazu.

Das ist erstaunlich. Denn GNH plant nach wie vor, über das reine Wasserstoffnetz HH-WIN hinaus sukzessive dem gesamten Hamburger Gasnetz Wasserstoff beizumischen, am Ende 100 Prozent. Die Nutzung dieses, teilweise in die Jahr gekommenen Gasnetzes kann auch bei erheblichen Umbauten zu beträchtlichen Leckagen von Wasserstoff führen. Denn Wasserstoff ist ein viel kleineres Molekül als Methan und tritt daher viel leichter aus bestehenden Erdgasleitungen aus, insbesondere an Verbindungsstellen.

Lebenszyklusanalysen für den Einsatz von Wasserstoff

Auf seine Frage, wie viel Wasserstoff bei den derzeit gängigen Elektrolyseverfahren relativ zur Menge des erzeugten Wasserstoffs freigesetzt wird, erfuhr Jersch ohne Angabe einer Quelle:

„Die derzeit gängigen Elektrolyseverfahren weisen eine freigesetzte Menge an Wasserstoff von weniger als 1 Prozent im Verhältnis zur produzierten Menge an Wasserstoff auf.“

Bei der Bewertung zukünftiger Wasserstoff-Freisetzungen ist natürlich weit über die Leckagen bei der Wasserstoff-Erzeugung und in Verteilnetzen hinauszugehen. Was kommt bei einer Lebenszyklusanalyse hinzu?

Wird beispielsweise grüner Wasserstoff in einem vorgesehenen Projekt zur Ammoniak-Herstellung in einem namibischen Wüstengebiet erzeugt, dann sind folgende Wasserstoff-Freisetzungen bei der Produktion, der Speicherung, der Verteilung und der Nutzung zu betrachten:

  • Produktion von Wasserstoff,
  • Umwandlung in Ammoniak,
  • Transport nach Rotterdam oder nach Wilhelmshaven,
  • Rückverwandlung von Ammoniak in Wasserstoff,
  • Speicherung in einem Wasserstoff-Kavernenspeicher,
  • Wasserstoff-Fernverteilnetz nach Hamburg,
  • Wasserstoff-Verteilnetz HH-WIN und
  • Nutzung des Wasserstoffs.

Eine ebenfalls im Auftrag des BEIS durchgeführte Untersuchung  Frazer-Nash Consultancy, Fugitive Hydrogen Emissions in a Future Hydrogen Economy führt Leckageraten für ausgewählte Phasen des Lebenszyklus von Wasserstoff auf. Besonders hoch sind hier die erwartenden Freisetzungen bei der Anwendung von Wasserstoff im Verkehr (Brennstoffzellen und oberirdische Wasserstoffspeicher).

Warum steigt die Methan-Konzentration immer stärker an?

Die Klimaschädigung durch Wasserstoff-Leckagen liefert natürlich keine Erklärung für den rasanten Anstieg der Konzentration von Methan in der Atmosphäre, nach der schon lange gesucht wird.

Schon vor drei Jahren bestand der Verdacht, dass eine Abnahme der atmosphärischen Konzentration des Hydroxyl-Radikals OH am Anstieg der Methan-Konzentration beteiligt ist. Das Hydroxyl-Radikal lässt sich nur sehr schwer direkt untersuchen, weil es extrem kurzlebig ist. Die Forscher können nur indirekte Rückschlüsse auf seine Konzentration ziehen.

Hinweise auf Erklärungen gibt nun eine wissenschaftliche Arbeit aus Singapur, die am 23. Juni 2022 in nature communications veröffentlicht wurde (Cheng and Redfern, Impact of interannual and multidecadal trends on methane-climate feedbacks and sensitivity).

In den letzten vier Jahrzehnten gesammelte Daten zur Auswirkung von Veränderungen von Temperatur und Regen auf den Gehalt an Methan in der Atmosphäre zeigen, dass die Methankonzentration in der Atmosphäre viermal stärker auf die globale Erwärmung reagiert als bisher im IPCC-Bericht AR6 angenommen.

Dass steigende Temperaturen die Permafrostböden in Polarregionen auftauen, was mehr Methan entweichen lässt, ist schon länger bekannt. Stärkere Beachtung verdient nun aber die Absenkung des Oxidationsmittels Hydroxyl-Radikale. OH reagiert mit Kohlenmonoxid (CO), das beispielsweise durch die zunehmenden Waldbrände entsteht. Große Waldbrände reduzieren also die Selbstreinigungskräfte der Atmosphäre und verstärken so die Erderwärmung, die wiederum mehr Waldbrände verursacht.

Die Folge der von Cheng und Redfern untersuchten kombinierten Effekte ist, dass Methan länger in der Atmosphäre bleibt, wenn die Erdtemperatur als Folge des Klimawandels ansteigt. Die Klimakrise kann so noch gefährlicher und extremer werden als bisher gedacht.

  1. August 2022

26. Juni 2022
von Redaktion
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Klimaneutrales Fliegen?

Hier als pdf-Datei.

„Hamburg als moderne Metropole und großer Industriestandort in Deutschland muss alles tun, um die Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.“

Ein markanter Satz aus dem Munde des Hamburger Senators für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, Jens Kerstan. Am 23. Juni 2022 bezog er sich speziell auf „Green Fuels“ – grüne Treibstoffe, die „eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs und der Seeschifffahrt spielen“ sollen. Anlass war die Vorstellung eines Projekts „Green Fuels Hamburg“, in welchem die industrielle Produktion „nachhaltiger Flugkraftstoffe für eine klimaneutrale Luftfahrt“ geplant wird.

Kerstan: „Gerade Hamburg bietet sich vor diesem Hintergrund als besonders geeigneter Standort an – insofern wird das Vorhaben die Transformation der Hamburger Wirtschaft voranbringen und so auch zum Erreichen der Hamburger Klimaziele beitragen.“

Wirtschaftssenator Westhagemann ergänzte: „… eine hervorragende Chance für den Luftfahrtstandort Hamburg auch bei Sustainable Aviation Fuels Impulse zu setzen.“

Halten wir fest:

Kerstan geht es angeblich darum, mit der  Produktion nachhaltiger Flugkraftstoffe

  • Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und
  • Hamburger Klimaziele zu erreichen.

Das Konsortium „Green Fuels Hamburg“

Die Zusammensetzung des Konsortiums „Green Fuels Hamburg“, das am 23. Juni 2022 bei der Luft- und Raumfahrtmesse ILA in Berlin ein Konzept zur Produktion von CO2-neutralem Flugzeug-Treibstoff Kerosin vorstellte, ergibt sich aus dem folgenden Bild.

Der mehrheitlich dem finnischen Konzern Fortum gehörende Kraftwerkskonzern uniper schreibt: „Die vier Projektpartner decken dabei den gesamten Wertschöpfungsprozess zur Herstellung von CO2-neutralem Kerosin, sogenanntem Power-to-Liquid- oder kurz PtL-Kerosin, ab. Unterstützt werden sie von der Technischen Universität Hamburg (TUHH) als Forschungspartner sowie dem Hamburger Senat (Behörde für Wirtschaft und Innovation und Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft) und dem Flughafen Hamburg. Darüber hinaus hat Emirates Airline ihr Interesse bekundet, an der Nutzung des produzierten PtL-Kerosins beteiligt zu sein.“

Abdeckung des „gesamten Wertschöpfungsprozesses“ – das stimmt nicht ganz, wie das folgende Bild zeigt:

Im Bild ist links unten zu sehen, dass zur Produktion von E-Kerosin auch eine CO2-Quelle gehört. Gebraucht wird eine Quelle für konzentriertes CO2, nicht einfach der Klimaschadstoff CO2, wie er als Spurengas in der Luft in einer für ein stabiles Erdklima zu hohen Konzentration enthalten ist.

Der Produktionsprozess von E-Kerosin

Zur Darstellung des Produktionsprozesses im Bild:

  • Mit Strom aus Windenergieanlagen kann durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt werden.
  • Aus Abgasen – beispielsweise von Fernwärme-Erzeugungsanlagen in Hamburg – lässt sich CO2 abscheiden.
  • Mit CO2 und H2 kann E-Kerosin (oder PtL-Kerosin oder Öko-Kerosin oder Bio-Kerosin oder eSAF) produziert werden.

Woher kommt das CO2 für die Herstellung von E-Kerosin?

Die Wirtschaftsbehörde schreibt in der Pressemeldung vom 23.6.2022: „Im Industriegebiet Billbrook/Rothenburgsort beabsichtigt das Konsortium, eine Elektrolyse-Großanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff aus Strom von Offshore-Windanlagen zu errichten. Daran gekoppelt wird eine Produktionsanlage für PtL-Kraftstoffe: In einem synthetischen Verfahren (u. a. Fischer-Tropsch-Synthese) wird hierbei aus dem grünen Wasserstoff und aufbereitetem biogenen Kohlendioxid nachhaltiger Flugkraftstoff gewonnen. Das Ergebnis ist CO2-neutrales PtL-Kerosin, das bereits heute zum Einsatz als Flugkraftstoff zertifiziert ist.“

Das Konsortium will demnach seine industriellen Anlagen in Hamburg Billbrook bauen lassen rund um den Verkehrsübungsplatz. Dort also, wo die Stadtreinigung Hamburg in der Borsigstraße Abfall verbrennt – nebenan steht die Abfall-Verwertungs-Gesellschaft (AVG) – und wo das Heizkraftwerk Tiefstack von der Verbrennung von Steinkohle auf die Verbrennung von Holz (und/oder Erdgas) umgerüstet werden soll.

Aus dem biogenen Kohlendioxid und grünem Wasserstoff will „Green Fuels Hamburg“ Kraftstoffe für die Luftfahrt produzieren, in der ersten Ausbaustufe ab 2026 mindestens 10.000 Tonnen „nachhaltiges CO2-neutrales Kerosin“.

Die Müllverbrennungsanlage Borsigstraße (MVB) verbrennt in ihren Linien 1 und 2 weit mehr fossile Abfallstoffe wie Plastik als Biomasse-Abfälle. Das Herausfiltern von richtig „biogenem“ Kohlendioxid wird also eine Herausforderung werden. Oder sollte etwa nur CO2 aus der Altholzverbrennung in der MVB („3. Linie“) genutzt werden?

Wenn erst einmal das Heizkraftwerk Tiefstack auf Holzverbrennung umgestellt ist, vielleicht schon 2028, dann könnte in der nächsten Ausbaustufe noch viel mehr E-Kerosin mit Hilfe von echtem „biogenem“ Kohlendioxid erzeugt werden. Der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke schwärmte bei der kürzlichen Pressekonferenz zur Vorstellung des „Energieparks Tiefstack“ auch schon von „negativen Emissionen“.

Die würden sich ergeben, wenn das CO2 aus der geplanten „klimaneutralen“ Holzverbrennung in Tiefstack abgeschieden und an das Konsortium „Green Fuels Hamburg“ verkauft werden würde, wo es, gepaart mit Wasserstoff, in E-Kerosin umgewandelt werden würde.

Dass bei der Verbrennung in Flugzeugen dieses CO2 dann sehr bald wieder ausgestoßen werden würde, das steht auf einem anderen Blatt.

Die Produktion von E-Kerosin und der Kohleausstieg in Tiefstack

Für die Umsetzung der Vorhaben von UNIPER, Siemens Energy, Airbus und SASOL EcoFT sind also wertvolle, Hamburg gehörende Flächen um den Verkehrsübungsplatz in Billbrook herum an das Konsortium langzeit-verpachtet worden. Hätte Hamburg diese Flächen für die „Transformation Tiefstack“ zur Verfügung gestellt, dann könnte der Kohleausstieg im Heizkraftwerk Tiefstack schneller und effizienter vollzogen werden. Denn es gibt nur sehr wenig Platz auf der Halbinsel Tiefstack, auf der das HKW Tiefstack und das Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Tiefstack stehen. Daher kann der Ersatz der Steinkohle nur recht langsam und umständlich „während des laufenden Betriebs“ durchgeführt werden. Und bei Teilanlagen der „Transformation“ wie einem großen Wärmespeicher und einer zugehörigen Tauchsiederanlage (PtH, Power-to-Heat), vielleicht auch der geplanten „kleinen“ Flusswasser-Wärmepumpe, scheint noch gar nicht klar zu sein, wo die stehen sollen.

Was wird die Beimischung von winzigen Anteilen von E-Kerosin bewirken?

Zurück zur Beimischung von „Öko-Kerosin“ zum Flieger-Treibstoff:

Allein in Deutschland werden jährlich rund zehn Millionen Tonnen Kerosin verflogen. Die Bundesregierung hat eine gesetzliche Beimischungs-Quote von zwei Prozent PtL-Kerosin bis 2030 vorgeschrieben. Das entspricht also 200.000 Tonnen. Noch viel Luft nach oben für das Konsortium „Green Fuels Hamburg“ mit seinen 10.000 Tonnen ab 2026.

Die EU plant mit ihrem „Fit-for-55“-Klimapaket eine verpflichtende Quote von zwei Prozent schon ab 2025 und nicht erst ab 2030. Daher wird jetzt sogar der Einsatz von Speisefett erwogen.

Wie soll es nach 2025 weitergehen? Bis 2050 sollen nach Planungen der EU-Kommission erst 63 Prozent PtL-Kerosin beigemischt werden. Das Paket ist noch nicht beschlossen. Manche Abgeordnete wollen sogar 100 Prozent bis 2050.

Nun wird aber gar nicht so selten von Fachleuten eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass auch bei ausschließlich „grünen“ Flugkraftstoffen von einem „klimaneutralen Luftverkehr“ bei weitem nicht die Rede sein kann. Von den gegenwärtigen Klimaschäden des Fliegens würden wegen der Bildung von Kondensstreifen aus Wasserdampf dann nämlich immer noch zwei Drittel bleiben. Eine unangenehme Wahrheit, die anscheinend immer schnell unter den Teppich gekehrt wird.

Gegenwärtig wird der Hamburger Flughafen wie andernorts überrannt. Auch wenn sich dieser Ansturm erst einmal beruhigt haben wird und die Bahn bessere Angebote für den Reiseverkehr machen sollte, lassen sich folgende Effekte voraussehen:

Die für lange Zeit winzige Beimischung von „grünem“ Kerosin ist klimapolitisch ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch werden sich auch auf Grund der vor allem vom BUND Hamburg angeprangerten, einem Lobby-Verband übertragenen Zertifizierung des Hamburger Flughafens als „CO2-neutral“ weiterhin viele Menschen für das Fliegen anstelle von anderen klimaschonenderen Reisemöglichkeiten entscheiden.

„Der Flugverkehr genießt in Hamburg das große klimapolitische Privileg der Unantastbarkeit“, schreibt der BUND. „In der Rangliste der klimaschädlichsten deutschen Flughäfen ist der Hamburger Flughafen auf Platz 5 gelistet.“

Von der Verlärmung und von gesundheitsschädlichen Emissionen durch den Flugverkehr ist dabei noch gar keine Rede.

Es klingt daher wie Hohn, wenn Umweltsenator Kerstan erklärt, bei der  Produktion „nachhaltiger Flugkraftstoffe für eine klimaneutrale Luftfahrt“ gehe es darum,

  • Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und
  • Hamburger Klimaziele zu erreichen.

In Frankreich sind wenigstens schon Inlandsflüge verboten, wenn eine alternative Zugverbindung mit einer Dauer von höchstens zweieinhalb Stunden existiert. Warum greift man dort nicht so schnell zum E-Kerosin?

Grüner Wasserstoff wird viel dringender zur Dekarbonisierung von Industriebetrieben im Hamburger Hafen gebraucht. Die Dekarbonisierung der Luftfahrt lässt sich viel schneller durch eine Reduzierung des Fliegens erreichen als durch symbolische Beimischungen von E-Kerosin.

18. Juni 2022
von Redaktion
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HKW Tiefstack  – CO2-Schleuder für mindestens 13 weitere Jahre

Hier als pdf-Datei

Möglichst im Jahr 2028, spätestens 2030, soll der Ausstieg aus der Kohle im Hamburger Heizkraftwerk (HKW) Tiefstack erfolgen. So Senator Kerstan (BUKEA) und der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke (HEnW) Christian Heine bei einer Pressekonferenz am 17. Juni 2022.

Nach dem Ersatz des HKW Wedel mit Hilfe des „Energieparks Hafen“ und nach der Fertigstellung des „Energieparks Tiefstack“ (Bild aus einer Präsentation der HEnW am 17.6.2022) würden die CO2-Emissionen der zentralen Hamburger Stadtwärmeversorgung gegenüber heute um 70 bis 80 Prozent sinken. Die Hamburger Energiewerke würden mit dem Energiepark Hafen und dem Energiepark Tiefstack den größten Einzelbeitrag zum Erreichen von Hamburgs Klimaziele leisten, so Kerstan und Heine.

Wann aber wird der „Energiepark Tiefstack“ fertiggestellt sein?

Die Berichterstattung der Medien erweckte den Eindruck, der „Energiepark Tiefstack“ werde zusammen mit dem Kohle-Ausstieg im Jahr 2028 fertig werden, spätestens aber 2030.  So schreibt zum Beispiel die taz: „Bis alles umgesetzt ist, was Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Freitagvormittag verkündete, wird es zwar noch mindestens sechs, vielleicht sogar acht Jahre dauern.“ Ein großer Irrtum, zu dem die Pressekonferenz sicher bewusst beigetragen hat!

Aus Protokollen des „Begleitprozesses Tiefstack“ wie dem vom 23.11.2021 geht klar hervor, dass der „Energiepark Tiefstack“ nach einem Konzept mit drei Phasen erst um das Jahr 2035 fertig werden soll – frühestens.

In der ersten Phase, die 2028 bis 2030 abgeschlossen sein soll, soll das HKW Tiefstack während des laufenden Betriebs umgerüstet werden. Anstelle von Kohle soll von da ab Holz und Erdgas verfeuert werden in einem ähnlichen energetischen Umfang wie jetzt Kohle.

Erst deutlich nach 2030 sollen Flusswasser-Wärmepumpen in der Bille und in der Norderelbe einen größeren Teil der Wärme aus Tiefstack liefern. Ihre Installation soll nämlich erst in den Phasen 2 und 3 vorgenommen werden. Die kleinere Wärmepumpe Bille mit etwa 60 MW könnte zu Anfang der 30-er Jahre verfügbar sein. Eine Inbetriebnahme der großen Wärmepumpe mit etwa 170 MW wird wohl erst für 2035 oder später vorgesehen.

Der „Energiepark Tiefstack“ soll also erst in 13 Jahren – ab dem Jahr 2035 oder später – den Hamburger Osten mit „überwiegend klimaneutraler Wärme“ versorgen. Im Zeitraum zwischen 2022 und 2035 werden die CO2-Emissionen des HKW Tiefstack leider nur wenig abnehmen. Denn bei der Verfeuerung von Holz anstelle von Steinkohle wird sogar mehr CO2 freigesetzt werden. Erdgas wird über LNG-Terminals importiert werden und dieses Gas schleppt einen Riesen-Treibhausgas-Rucksack vom Fracking-Methan bis zur ganzen Gefrier-Transportkette mit sich. Und schließlich: Der Umfang der Fernwärmeversorgung soll erheblich ansteigen.

Nach dem Entwurf der „Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)“ ist von der Bundesregierung vorgesehen, nicht nur die Investitionskosten von Wärmepumpen in Wärmenetzen zu subventionieren, sondern auch einen großen Anteil der Betriebskosten, der Kosten für den Strom zum Antrieb der Wärmepumpen. Diese ungewöhnlich hohe Förderung macht die Nutzung von Wärmepumpen im Konzept des „Energieparks Tiefstack“ wirtschaftlich attraktiv.

Ob aber eine ähnlich hohe Förderung für große Flusswasser-Wärmepumpen auch noch im Jahr 2035 zur Verfügung stehen wird, ist zweifelhaft.  Was dann? Dann erlaubt das umgerüstete HKW Tiefstack eine einfache Fortsetzung der Verbrennung von Holz und/oder Erdgas in großem Umfang!

Tatsachen, die die BUKEA und die HEnW gar nicht gerne hören

1. Biomasse wird als Brennstoff von den HEnW und der BUKEA als Treibhausgas-neutral bewertet (siehe folgendes Bild nach Seite 7 der Präsentation der HEnW).

Die Klimakrise lässt sich aber durch Bilanzierungstricks nicht beeindrucken. Wer kann denn dem Erdklimasystem erfolgreich erklären, dass die CO2-Emissionen aus dem Schornstein des HKW Tiefstack langsam im Laufe von vielen Jahrzehnten durch nachwachsende Bäume wieder kompensiert werden sollen?

Biomasse sei ein Treibhaus-neutraler Brennstoff  –  Bild: HEnW

Das Gleiche gilt übrigens für die gewaltigen CO2-Emissionen der Müllverbrennung in Hamburg. Auch die Wärme aus der Müllverbrennung wird von der Umweltbehörde BUKEA und von den HEnW als klimaneutral bewertet, sogar für den nicht-biogenen Teil des Abfalls! BUKEA und HEnW stützen sich dabei fatalerweise auf Vorschläge des Lobbyverbands AGFW.

2. Von den gesamten CO2-Emissionen der Verbrennung von Steinkohle oder Holz im HKW Tiefstack wird nur etwa ein Drittel der Fernwärme zugerechnet. Etwa zwei Drittel betreffen die simultane Stromerzeugung und die Energieverluste. Würde die Kraftwärme-Kopplungs-Anlage ganz stillgelegt, dann würden auch diese CO2-Emissionen wegfallen. Hamburg schert sich wenig darum, weil statistisch die CO2-Emissionen der Stromerzeugung in Hamburg allen Verbrauchern in der BRD zugerechnet werden und nicht allein den Verursachern in Hamburg.

Christian Maaß, Leiter der Abteilung für „Energiepolitik – Wärme und Effizienz“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) am 29. 4. 2022: „Auch in den Wärmenetzen soll die Wärmepumpe eine zentrale Rolle einnehmen und die heute häufig genutzte Kraftwärmekopplung ablösen.“

3. Im „Energiepark Hafen“ soll das auf Holz und Erdgas umgerüstete HKW Tiefstack laut HEnW nur in einem sehr begrenzten Umfang eingesetzt werden: „Zur Absicherung der Wärmeversorgung in Spitzenlastzeiten wird das bestehende Heizkraftwerk Tiefstack auf den wahlweisen Einsatz von Erdgas oder nachhaltiger Biomasse aus Rest- und Schadholz umgestellt.“ 

Senator Kerstan sprach in Hamburg 1 AKTUELL sogar von einem Einsatz nur an „sehr, sehr kalten Wintertagen.“ Er vergaß zu erwähnen, dass das bestenfalls für den fertigen Energiepark Tiefstack ab 2035 gilt. Bis dahin sollen Holz und Erdgas nach der Beendigung des Kohleausstiegs in großen Mengen im umgerüsteten Heizkraftwerk eingesetzt werden.

In SAT 1 Regional sprach Kerstan von der ausschließlichen Verbrennung von „Bruch- und Restholz, das für gar keine anderen wirtschaftlichen Prozesse mehr zur Verfügung steht“. Da muss ihm heftig widersprochen werden. Bruch und Restholz können sehr wohl in der Bau-, Papier- und Chemiewirtschaft wirtschaftlich verwertet werden. Der Bedarf wächst stark. Erst am Ende einer Kaskadennutzung, auf die das Umweltbundsamt großen Wert legt, kommt eine Verbrennung von nicht weiter verwendbaren Abfallstoffen in Frage. Die aber übernehmen die Hamburger Müllverbrennungsanlagen ohnehin besser als ein umgerüstetes HKW Tiefstack.

Auch für die Zeit nach 2035 ist Kerstans Beteuerungen nicht zu trauen. Die Emissionsgrafik aus der Präsentation der HEnW soll offenbar besagen, dass durch den Energiepark Tiefstack die jährlichen CO2-Emissionen von 640.000 t auf 200.000 t bei Biomasse-Verbrennung bzw. auf 300.000 t bei Erdgas-Verbrennung gesenkt würden.

Würde das auf Holz und Erdgas umgerüstete Heizkraftwerk nur an besonders kalten Tagen eingesetzt werden, dann ergäbe sich kein so großer Unterschied in der CO2-Bilanz wie in diesem Bild.

Erwartete CO2-Emissionen der Fernwärme um das Jahr 2035  –  Bild: HEnW

Die taz berichtete nach der Pressekonferenz: Ohne das Verbrennen von Biomasse sei die Versorgungssicherheit aber nicht zu gewährleisten. „Ohne Biomasse geht`s nicht“, sagte Kerstan – oder alternativ Erdgas. Rund 25 Prozent dürfte der Anteil dieser klimaschädlichen Erzeugung dann betragen. Nur Buschholz aus Namibia sei – zumindest vorerst – vom Tisch.

Warum muss die Realisierung des vollständigen „Energieparks Tiefstack“
so lange dauern?

Es gibt nicht nur die gesetzliche Verpflichtung zum Ausstieg Hamburgs aus der Kohleverbrennung bis 2030, sondern es gibt auch das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021, das eine Verschiebung von Emissionsreduzierungen auf nachfolgende Generationen verbietet.

Das BVerfG hatte sich in diesem Urteil auf Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) zu dem für Deutschland verbleibenden CO2-Emissions-Budgets gestützt. Der SRU hat gerade eine Aktualisierung dieser Berechnungen vorgenommen. Daraus geht hervor, dass Deutschland schon 2031 klimaneutral sein muss.

Hamburg sollte seinen Beitrag dazu leisten, indem es dem Klimaschutz Priorität vor der Wirtschaftlichkeit der „Transformation Tiefstack“ einräumt.

19. April 2022
von Redaktion
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Keine Beimischung von Wasserstoff in das Hamburger Erdgasnetz!

Die „Öffentliche Erklärung“ gegen eine Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz
hier als pdf-Datei.

Hamburger Umweltverbände lehnen in einer „Öffentlichen Erklärung“ die vom städtischen Unternehmen Gasnetz Hamburg geplante Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz ab:

Öffentliche Erklärung gegen eine Beimischung von Wasserstoff ins Hamburger Erdgasnetz

In nicht einmal 25 Jahren soll Deutschland nach Beschlüssen des Bundestages klimaneutral sein.1 Für einen raschen Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle, Erdgas und Erdöl sind daher weit größere Anstrengungen zu unternehmen als bisher.

Die Beheizung der Gebäude in Hamburg beruhte im Jahr 2019 zu 31 % auf kohlelastiger Fernwärme und zu 61 % auf fossilem Gas und Heizöl.2 Nicht nur die Wärme aus Kohle, sondern auch die aus Erdgas und Heizöl ist daher so rasch wie möglich durch klimaneutrale Wärme zu ersetzen.3 4

Unter unabhängigen Fachleuten besteht große Einigkeit darüber, dass Heizwärme und Warmwasser in Zukunft von mit erneuerbarem Strom angetriebenen Wärmepumpen und klimafreundlichen Wärmenetzen geliefert werden sollten.5 Eine mit elektrischem Strom angetriebene Wärmepumpe kann etwa 6-mal mehr Heizwärme bereitstellen, als ein Heizkessel, für den Wasserstoff aus der gleichen Menge Strom erzeugt wurde.6

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31. März 2022
von Redaktion
Kommentare deaktiviert für LNG-Terminals an der deutschen Nordseeküste werden nicht gebraucht

LNG-Terminals an der deutschen Nordseeküste werden nicht gebraucht

Hier als pdf-Datei.

Nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 kündigte Bundeskanzler Scholz am 27. Februar 2022 in einer Regierungserklärung an, in Brunsbüttel und in Wilhelmshaven sollten mit Unterstützung der Bundesregierung schnell Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG) gebaut werden. Seither meldet sich fast jede Woche ein neues LNG-Terminal-Projekt, das ebenfalls auf staatliche finanzielle Unterstützung hofft.

Am 25. März 2022 veröffentlichte das Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK) einen „Fortschrittsbericht Energiesicherheit“. Die Einschätzung der Medien reichte von „Weniger Abhängigkeit von Russland“ bis zu „Habeck: Deutschland kann bis Sommer 2024 unabhängig von russischen Energie-Importen sein“.

Aus einer genaueren Analyse des „Fortschrittberichts“ geht hervor, dass der Bau von Land-Terminals für den Import von LNG in Brunsbüttel, Rostock, Stade und Wilhelmshaven gar nicht nötig ist, um die „Energieabhängigkeit von Russland in hohem Tempo zu verringern und die Energieversorgung auf eine breitere Basis zu stellen.“

Nach dem „Fortschrittbericht“ stünde das LNG-Terminal Brunsbüttel, das sich mit einer Kapazität von 8 Mrd. m³ Gas pro Jahr in Planungsprozessen befindet, erst ab 2026 für die Versorgung bereit. Bei den geplanten LNG-Terminals an Land in Stade, Wilhelmshaven und Rostock wird es kaum schneller gehen.

Bild 1: Reduzierung der Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas. Erläuterungen im Text.
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22. März 2022
von Redaktion
Kommentare deaktiviert für Wie Gasnetz Hamburg für mehr Erdgas-Heizungen wirbt

Wie Gasnetz Hamburg für mehr Erdgas-Heizungen wirbt

Als pdf-Datei hier.

Die Gasnetz Hamburg GmbH
hält immer noch an einer Wasserstoff-Beimischung zum Erdgas fest

„Raus aus der Abhängigkeit von russischem Gas!“ – schon vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine fand diese Forderung breite Unterstützung. Die übermäßige Abhängigkeit Deutschlands und der EU von russischem Erdgas ist durch die Invasion in die Ukraine schlagartig klar geworden.

Gut geeignete Alternativen zu Gasheizungen in neuen und in Bestandgebäuden stehen zur Verfügung und sind sogar wirtschaftlicher als neue Gasheizungen. Die deutsche Bundesregierung arbeitet auf einen baldigen Rollout von Wärmepumpen-Heizungen als Ersatz für Heizöl- oder Erdgas-Heizungen hin. Die Gewinnung von erneuerbarem Strom soll stark ausgebaut werden. Elektrische Wärmepumpen könnten damit schon in etwa zehn Jahren vollständig klimaneutrale Wärme liefern. Auch durch den Anschluss an klimafreundliche Fern- und Nahwärmenetze soll der Ausstieg aus Heizöl und Erdgas beschleunigt werden.

Nach dem Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung soll ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf Basis von mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden. Mit ihrem „Entlastungspaket“ hat die Bundesregierung diese Vorschrift sogar auf den 1. Januar 2024 vorgezogen. Der Einbau neuer Erdgas- und Heizöl-Heizungen kommt dann nicht mehr in Frage – auch nicht in Bestandsgebäuden.

Die mit diesen Maßnahmen verbundene Senkung des Erdgasverbrauchs sollte Vorrang haben vor der Beschaffung von fossilem Gas aus anderen Quellen, also auch vor dem Bau neuer Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG)  –  Fracking-Gas zumeist.

Karikatur: Mester/ sfv
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11. März 2022
von Redaktion
Kommentare deaktiviert für Was kostet das Heizen mit einer Wärmepumpe wirklich? Irreführung durch den Energieversorger HAMBURG ENERGIE

Was kostet das Heizen mit einer Wärmepumpe wirklich? Irreführung durch den Energieversorger HAMBURG ENERGIE

Hier als pdf-Datei

Die Bundesregierung hofft auf einen baldigen Rollout von Wärmepumpen-Heizungen. Der Ausstieg aus der Nutzung von fossilem Erdgas hat in der Energie- und Klimapolitik hohe Priorität. Viele Menschen, die über die Art ihrer Heizungen verfügen können, sollen sich nicht für neue Erdgas- oder Erdöl-Heizungen, sondern für Wärmepumpen-Heizungen oder einen Anschluss an ein Wärmenetz entscheiden. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, dass sie objektiv über Vor und Nachteile dieser Heizungsalternativen unterrichtet werden.

1. Tarife des Energieversorgers HAMBURG ENERGIE für „Wärmestrom“

Auf Internetseiten des städtischen Energieversorgers HAMBURG ENERGIE zu Strom-Tarifen für Wärmepumpen-Heizungen finden sich unter „Spezialtarife“ irreführende Darstellungen:
Berechnet werden die Stromkosten nach den „Spezialtarifen“
     •   für Direktstrom (Nachtspeicher-Heizungen) oder
     •   für Wärmepumpenstrom.


Bild 1: Internetseite „WÄRMESTROM“ mit voreingestellten Werten (abgesehen von der Postleitzahl). Bemerkenswert ist, dass rechts im Bild BUND und NABU als „Empfehlende“ in Bezug genommen werden.

Bild 1 zeigt ein Beispiel für die Internetseite von HAMBURG ENERGIE mit der Überschrift „WÄRMESTROM“.

Diese Internetseite enthält Voreinstellungen zur Wohnfläche (oder Heizfläche?) und zum Stromverbrauch:

                       Wohnfläche: 125 m²     Verbrauch: 15.000 kWh   

Der Wert für die „Wohnfläche“ lässt sich mit Hilfe der Button + oder – auf kleinere Werte als die anfangs eingestellten 125 m² einstellen. Der „Verbrauch“ passt sich proportional an. Man kann ihn aber direkt angeben.

Nach Drücken des Buttons „PREIS BERECHNEN“ folgen in Bild 2 zu den Werten in Bild 1 berechnete Stromkosten,  links für einen „Nachtspeichertarif“ und rechts für einen „Wärmepumpentarif“.

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4. Februar 2022
von Redaktion
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Erdgas-Ausstieg in Hamburg

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Hamburg kann die Verbrennung von Erdgas und Heizöl am besten so beenden:

  • Industriebetriebe im Hafen ersetzen fossile Energieträger durch erneuerbaren Strom. Ist dies nicht möglich, setzen sie erneuerbaren Wasserstoff ein.
  • Wärme in Gebäuden, die bisher mit Erdgas oder Heizöl erzeugt wird, wird teils durch Wärme aus Wärmepumpen und teils durch klimafreundliche Fernwärme ersetzt.
  • Die Pläne der Gasnetz Hamburg GmbH, dem Hamburger Erdgasnetz Wasserstoff beizumischen, sollten unverzüglich beendet werden. Denn Heizen mit Wasserstoff ist sehr energieaufwendig, teuer, nicht sozialverträglich und klimapolitisch fragwürdig.

Hamburgs Ziele für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern

Hamburg will die Verbrennung von Kohle in den Heizkraftwerken Wedel und Tiefstack spätestens im Jahr 2030 beenden. Damit der Klimavertrag von Paris und die Klimaziele Deutschlands und Hamburgs eingehalten werden, muss auch der Ausstieg aus der Nutzung anderer fossiler Energieträger wie Erdgas und Erdöl vorangetrieben werden. Umweltsenator Kerstan hat bereits im Februar 2021 eine Ausstiegsstrategie aus Erdgas und ein sehr deutliches Sinken des Gasanteils bis 2030 gefordert.

Die Fortschreibung des Hamburger Klimaplans aus dem Jahr 2019 sieht noch vor, dass Hamburg bis 2030 eine 55-prozentige CO2-Reduktion gegenüber 1990 vornimmt und erst im Jahr 2050 klimaneutral ist. Dieser Klimaplan steht sogar noch einer Zunahme des Verbrauchs von Erdgas unkritisch gegenüber. Bei den „Stellschrauben für eine erfolgreiche Zielerreichung“ wurde „von einer starken Reduzierung von Ölheizungen ausgegangen, bei gleichzeitiger Zunahme von Fernwärme, Erdgasversorgung und Wärmepumpen“.

Laut dem noch geltenden Klimaplan orientiert sich der Hamburger Senat an den Zielen der Bundesregierung auf nationaler Ebene, um das 1,5°-Ziel zu erreichen. Nach der Verschärfung des Bundes-Klimaschutzgesetzes am 24. Juni 2021 sollen auch in Hamburg der Klimaplan und das Klimaschutzgesetz synchron überarbeitet werden mit dem Ziel, die Hamburger Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 Prozent und gegebenenfalls darüber hinaus zu reduzieren. Außerdem tendiert auch Hamburg zum Ziel einer Klimaneutralität schon im Jahr 2045. Ob das Bundes-Klimaschutzgesetz vom 24. Juni 2021 ausreichend ist, wird rechtlich angezweifelt. Die Handelskammer Hamburg will, dass Hamburg schon 2040 Klimaneutralität erreicht.

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27. April 2020
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Holzkohle aus Buschholz in Namibia?

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Ein sehr großer Teil der aus Namibia exportierten Holzkohle wird in Europa beim Freizeitvergnügen Grillen verbrannt. Auch wenn es sich um Holzkohle handelt, die nicht aus Tropenholz hergestellt wurde und daher auch von großen Umweltverbänden als „grün“ bezeichnet wird, ist ihre Verwendung extrem klimaschädlich. Das liegt zum einen an der sehr ineffizienten Herstellung und zum anderen an riesigen Mengen von Treibhausgasen wie Methan und Kohlenstoffmonoxid, die bei der Produktion freigesetzt werden.

Der Hamburger Energietisch hat am 10. April 2020 ein Dossier öffentlich zugänglich gemacht, das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) an der Hochschule Trier erstellt wurde. Unter dem Titel „Transkontinentale Biomassepartnerschaft Namibia – Hamburg“ wird darin die Errichtung von Biomasse-Industrieparks in Namibia vorgeschlagen. Ein YouTube-Video „Biomass Industrial Parks – Namibia“ bietet einen Überblick über die Vorstellungen der GIZ.

Große Mengen von Buschholz aus Namibia sollen in Form von Holzhackschnitzeln oder Holzpellets nach Hamburg verschifft werden, um hier in der Fernwärmeerzeugung eingesetzt zu werden. Die Hamburger Umweltbehörde, die Wärme Hamburg GmbH und die GIZ verhandeln schon seit etwa einem Jahr unter Ausschluss der Öffentlichkeit über dieses Projekt. Auf die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte eines solchen Entwicklungs- und Kooperationsprojekts ging bereits eine erste kurze Analyse des HET ein, die die Veröffentlichung des Dossiers begleitete. Welche Vorteile sich Namibia und die GIZ von einer Reduzierung der Verbuschung des nördlichen Landesteils erhoffen, wurde in dieser Analyse kurz beschrieben.

Bild 1: Holzkohle-Produktion in Namibia (Bildquelle: gondwana-Collection.com)

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20. Januar 2020
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Der extensive Einsatz des Klimakillers Sulfurylfluorid in Hamburg wirft viele Fragen auf

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Ein Flugblatt der AG UEV der LINKEN

Erst durch eine Schriftliche Kleine Anfrage des LINKEN-Abgeordneten Stephan Jersch scheint die Hamburger Umweltbehörde (BUE) auf den sehr stark gestiegenen Einsatz des extrem klimaschädlichen Insektizids Sulfurylfluorid (SO2F2, kurz SF) aufmerksam geworden zu sein, mit dem im Hamburger Hafen, aber wohl ebenso in anderen Häfen, vor allem Holzexporte begast werden. Bei den Berechnungen der BUE zum gegenwärtig viel diskutierten neuen Hamburger Klimaplan blieb SF völlig unberücksichtigt.

Die Klimaschädlichkeit der Freisetzungen von Sulfurylfluorid wurde in den bisherigen Presse-Berichten sogar noch untertrieben. Für das Treibhausgaspotenzial (GWP) von SF ist im Zusammenhang mit den Klimazielen von Paris nicht ein Zeithorizont von 100 Jahren (GWP = 4732), sondern ein Zeithorizont von 20 Jahren anzusetzen (GWP = 6965). Bei 203,65 Tonnen SF gemäß der Bürgerschaftsdrucksache 21/19518 vom 10.1.2020 geht es im Jahr 2019 daher um 1,418 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das ist mehr als der Ausstoß des Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerks Tiefstack von 1,21 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2017.

Seit 2018 stieg die im Hamburger Hafen eingesetzte Menge von SF sehr stark an.
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20. März 2023
von Redaktion
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Hamburg:  Etikettenschwindel per Klimaschutzgesetz

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Der Hamburger Senat und die Bundesregierung zur Abfall-Verbrennung

Die Hamburger Umweltbehörde erklärte Mitte Februar 2023 voller Stolz, mit der Gesetzesnovelle zum Hamburger Klimaschutzgesetz bekräftige die Freie und Hansestadt Hamburg ihre Vorreiterrolle im Klimaschutz durch höhere Klimaschutzziele und durch ambitionierte Vorgaben für Wärmenetze.

In der Tat wurden die Anforderungen an den Anteil erneuerbarer Wärme in den Wärmenetzen der Hansestadt von mindestens 30 Prozent auf 50 Prozent zum Ende des Jahres 2029 angehoben.

Doch dabei handelt es sich um einen Etikettenschwindel. Das zeigt sich, wenn man nicht nur den Absatz in der Gesetzes-Novelle ansieht,  in dem die Anhebung steht, sondern auch den folgenden Gesetzes-Absatz, mit dem die Bewertung der Wärme aus Abfall-Verbrennungsanlagen verändert werden soll. Wird das Klimaschutzgesetz mit diesen Veränderungen beschlossen, so wird die gesamte Wärme aus den Hamburger Abfall-Verbrennungsanlagen als „erneuerbar“ und wahrscheinlich auch als „CO2-neutral“ bewertet, ganz gleich wie viel fossiler Plastikmüll verbrannt wird.

Dieser Vorgang ist besonders bemerkenswert, weil die Bundesregierung vor vier Monaten beschlossen hat, auch die Verbrennung von Abfall in den nationalen Emissionshandel aufzunehmen ähnlich wie vorher schon Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin und Diesel. Ab 2024 müssen auch für die CO2-Emissionen der Abfall-Verbrennungsanlagen CO2-Zertifikate gekauft werden, sogar für diejenigen von Sonderabfall-Verbrennungsanlagen. Auch auf EU-Ebene wurde bereits beschlossen, den EU-Emissionshandel auf die Abfall-Verbrennung auszudehnen. Der Hamburger Senat schickt sich also an, die Wärme aus der gesamten Abfallverbrennung als erneuerbar “anzuerkennen“, obwohl die Bundesregierung und die Europäische Union einen Preis für die CO2-Emissionen der Abfall-Verbrennung beschlossen haben.

Wie ist dieses Missverhältnis zu erklären? Einfach nur damit, dass die zuständige Umweltbehörde nicht in der Lage ist, über die Stadtgrenzen hinauszublicken? Vielleicht spielt dabei auch eine besondere Nähe zur Lobby-Organisation der Fernwärme-Erzeuger, dem Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V.  (AGFW) eine Rolle, die nicht zu übersehen ist.

Seit kurzem unterliegt auch die Abfall-Verbrennung dem Emissionshandel

Der nationale Emissionshandel wird ab 2024 auf die Verbrennung von Abfall ausgedehnt. Die Müllverbrennungs-Unternehmen müssen dann für die Verbrennung von Abfall CO2-Zertifikate kaufen. Das haben am 11. November 2022 Bundestag und Bundesrat bei einer Novellierung des Gesetzes über den Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen beschlossen (Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG).  Vorher war der nationale Zertifikatehandel auf CO2-Emissionen aus dem Einsatz von Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel beschränkt.

Der Bundesrat wollte Sonderabfall-Verbrennungsanlagen nicht in das BEHG aufnehmen. Die Bundesregierung bestand jedoch darauf, dass sämtliche Abfall-Verbrennungsanlagen in die CO2-Bepreisung einbezogen werden. Auch Emissionen aus Sonderabfall-Verbrennungsanlagen sind Bestandteil des nationalen Emissionsbudgets, welches gemäß der europäischen Klimaschutzverordnung zur Erfüllung der nationalen Klimaschutzverpflichtungen verringert werden muss.

Auch auf EU-Ebene wird der reformierte Emissionshandel voraussichtlich fast alle Wirtschaftssektoren abdecken. Am 18. Dezember 2022 wurde bereits beschlossen, das bestehende System auf Emissionen aus der Abfall-Verbrennung und aus dem Seeverkehr auszuweiten.

Bild 1: Abfallzusammensetzung und fossile Kohlenstoffanteile am Beispiel einer Modellmischung Input MVA (Quelle: Pohl-Studie vom März 2022) (Ma.-% = Masse-Prozent)

Die Neufassung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) stützte sich auf die vom Umweltministerium (BMUV) beauftragte und für das Wirtschaftsministerium (BMWK) erstellte Studie „Auswirkungen des nationalen Brennstoffemissionshandels auf die Abfallwirtschaft“ (Pohl-Studie vom März 2022). Nach dieser liegt der für Müll-Verbrennungsanlagen (MVA) typische Anteil biologisch abbaubarer organischer Abfälle bei nur 33 Massen-Prozent (Bild 1, grün auf der linken Seite). Für die CO2-Emissionen der Verbrennung der meisten restlichen Anteile müssen ab dem 1. Januar 2024 Zertifikate im nationalen Emissionshandel gekauft werden.

In eklatantem Widerspruch zu dieser Gesetzgebung auf Bundesebene und zu ähnlichen Beschlüssen auf EU-Ebene stehen geplante Änderungen des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes. Ein Referentenentwurf vom 17. Februar 2023 sieht vor, dass die bei der Abfall-Verbrennung gewonnene Wärme, die im Gesetz als „Abwärme“ bezeichnet wird, vollständig als erneuerbar „anerkannt“ werden soll. Da nach der Pohl-Studie nur etwa ein Drittel des verbrannten Abfalls organischen Ursprungs (biogen) ist, ist eine solche Bewertung völlig unverständlich und nicht akzeptabel.

Die Abfall-Verbrennung ist ähnlich klimaschädlich wie die Verbrennung von Steinkohle. Die CO2-Emissionsfaktoren, die für die gegenwärtige Abfall-Verbrennung anzusetzen sind (nach EBeV 2030, Anlage 2, Teil 5 – Emissionsberichterstattungsverordnung 2030), haben ähnliche Werte wie die der Verbrennung von Steinkohle ohne Berücksichtigung von Vorketten (0,335 kg CO2 pro kWh nach dem Informationsblatt CO2-Faktoren der BAFA, Tabelle 2). Dabei sind mit Steinkohle noch höhere Verbrennungs-Temperaturen und damit ein bessere Wirkungsgrade erzielbar als mit Abfall.

„Unvermeidbare“ Abwärme aus der Müll-Verbrennung komplett erneuerbar?

Für Abfälle, die eine Kaskadennutzung vollständig durchlaufen haben und die nicht mehr wiederverwertbar sind, ist meist eine Verbrennung sinnvoll, wenn damit noch eine energetische Verwertung möglich ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass die dabei anfallenden CO2-Emissionen unter den Teppich gekehrt werden dürfen oder dass die gewonnene Energie als vollständig erneuerbar oder gar als klimaneutral eingestuft werden darf.

Bild 2:  Die Recyclingquote im Abfall stagniert in den letzten Jahren (Quelle: UBA). Bestimmungen der energetischen Abfallverwertung wie in Hamburg tragen dazu bei.

Bei der Fernwärme aus dem Industriebetrieb Aurubis, die in wenigen Jahren im Hamburger Stadtnetz genutzt werden soll, kann erwartet werden, dass bei der Kupferproduktion nur unvermeidbare Abwärme anfällt. Bei der gegenwärtigen Abfall-Verbrennung der Stadtreinigung Hamburg in Anlagen in der Borsigstraße und am Rugenberger Damm wird dagegen Restmüll verbrannt, der noch einen erheblichen Anteil wiederverwertbarer Stoffe enthält. Bild 2 zeigt, dass der Anteil am Siedlungsabfallaufkommen, der wiederverwertet wird, in der BRD seit einigen Jahren nicht mehr zunimmt.

In der geplanten Neufassung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes wird in Absatz 1 von § 10 festgelegt, dass Wärmenetzeigentümer spätestens bis zum 1. Juni 2024 Dekarbonisierungsfahrpläne vorlegen müssen. Unter der Voraussetzung, dass die Abfallbeseitigungsanlagen „der Entsorgungssicherheit“ dienen, soll nach Absatz 2 von § 10  „unvermeidbare Abwärme aus gewerblichen oder industriellen Prozessen oder Abwärme aus thermischen Abfallbehandlungs- beziehungsweise -beseitigungsanlagen“ als erneuerbare Energie anerkannt werden. „Unvermeidbare Abwärme“ wird in § 3 Nummer 21 definiert als „Abwärme aus Prozessen, die eine innerbetriebliche Abwärmevermeidungs- und Effizienzkaskade beinhalten“.

Gegenwärtig gilt für die „unvermeidbare Abwärme“ aus gewerblichen und industriellen Prozessen noch der folgende Absatz 2 von § 10.

Der erste Satz passt zur industriellen Abwärme von Aurubis. Denn die CO2-Emissionen der Energieträger, die für die chemischen Prozesse eingesetzt werden, fließen vollständig in CO2-Bilanzen ein. Die Abwärme aus Abfall-Verbrennungsanlagen kann jedoch allenfalls in der Höhe des biologisch abbaubaren Anteils als erneuerbare Wärme anerkannt werden. (Zu beachten sind Begrenzungen in § 7 Absatz 4 Nr. 2 des BEGH bei der Zuweisung eines Emissionsfaktors Null.)

Im Referentenentwurf für die Veränderung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes (HmbKliSchG-E) werden jetzt thermische Abfallbehandlungs- bzw. -beseitigungsanlagen explizit als Quellen von Abwärme aufgeführt, die vollständig als erneuerbare Energie „anerkannt“ werden soll. Der bisherige zweite Satz mit den 50 % wurde nämlich gestrichen.

Etikettenschwindel statt echter Klimaschutz

Die Betreiber von Abfall-Behandlungsanlagen sollen bis zum 1. Juni 2024 Dekarbonisierungsfahrpläne vorlegen. Darin sollen sie darlegen, wie bis zum Jahr 2045 eine vollständige Dekarbonisierung der Wärmeversorgung erreicht werden kann und wie sichergestellt wird, dass bis zum 31. Dezember 2029 mindestens 50 % der aus dem jeweiligen Netz genutzten Wärme aus erneuerbaren Energien stammt. In der noch geltenden Fassung des HmbKliSchG lag diese Grenze nicht bei 50 %, sondern bei 30 %.

In der Begründung zum Referentenentwurf wird behauptet, der Übergang von 30 % auf 50 % spiegele die erhöhten Klimaziele und die dafür erforderlichen umfangreichen Maßnahmen zur beschleunigten Dekarbonisierung wider. Es ist jedoch nicht schwer zu erkennen, dass wegen der Änderungen in Absatz 2 von § 10 hier gar keine wirkliche Erhöhung der Klimaziele getroffen wurde.

Bild 3:  Brennstoffmix des Fernwärme-Unternehmens Wärme Hamburg GmbH im Jahr 2019 (Datenquelle: Ortner et al.: Dekarbonisierung von Energieinfrastrukturen, 2023, UBA, Abb. 84).

Die beabsichtigte gesetzliche „Anerkennung“ der gesamten aus der Abfallverbrennung gewonnenen Energie als erneuerbar hat in der Hamburger Fernwärme große Bedeutung, da die für das Stadtnetz genutzte „Abwärme“ zum größten Teil von den Abfallverbrennungsanlagen der Hamburger Stadtreinigung (SRH) geliefert wird. Nach Bild 3 stammte im Jahr 2019 fast ein Viertel des Brennstoffmixes der Wärme Hamburg GmbH, die das städtische Fernwärmenetz betreibt, aus der Verbrennung von Abfall mit einem kleinen Anteil von Klärschlamm. In einigen Jahren kommt noch Müllwärme aus dem neuen Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) hinzu. Der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke (HEnW) Heine bezifferte beim 3. „Zukunftsdialog“ der HEnW die dem städtischen Fernwärmenetz zur Verfügung stehende Abwärme-Leistung auf 350 Megawatt (MW). Den größten Teil davon stellen die Abfall-Verbrennungsanlagen in der Borsigstraße und am Rugenberger Damm.

Den HEnW dürfte es unter diesen Umständen nicht schwer fallen, Mitte des Jahres 2024 einen Dekarbonisierungsfahrplan mit 50 % erneuerbarer Wärme für Ende 2029 vorzulegen. Denn zu diesen 350 MW Abwärme sollen rund 300 MW aus der geplanten Verbrennung von Holz im umgerüsteten Heizkraftwerk Tiefstack hinzukommen. Weitere rund 100 MW dürfte der Energiepark Hafen zur Verfügung stellen (Schwerpunkt: Wärmepumpen in der Kläranlage Dradenau). Hinzu kommt eventuell auch Fernwärme aus einer Tauchsiederanlage (PtH) in Wedel.

Die Summe dieser Leistungen reicht zwar nicht an die Hälfte der für 2030 geplanten thermischen Leistung im Stadtnetz von 1.930 MW heran. Da die Abwärme aber vorzugsweise in der Grundlast eingesetzt wird, also länger als alle anderen Fernwärme-Beiträge, dürften die HEnW in ihrem Dekarbonisierungsfahrplan ziemlich mühelos den Anteil an erneuerbarer Fernwärme von bisher 30 % auf 50 % erhöhen können. Die „Anerkennung“ der gesamten Abfallwärme als „erneuerbar“ ist der Schlüssel dazu.

Zu erwähnen ist hier auch, dass in Absatz 1 des § 10 bisher als Ziel der Dekarbonisierung eine nahezu klimaneutralen Wärmeversorgung bis zum Jahr 2050 angegeben wurde, während in der geplanten Neufassung nur von einer vollständige Dekarbonisierung der Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045 gesprochen wird. Die Ausführungen in der Begründung des HmbKliSchG-E hierzu sind undurchsichtig. Eine Definition der „Dekarbonisierung“ fehlt im HmbKliSchG-E.

Würde eine ehrliche Bilanz für erneuerbare Fernwärme aufgestellt oder würde sogar gefragt, wie klimaneutral die Fernwärme bis Ende 2029 wäre, so wäre die im kommenden Klimaschutzgesetz vorgegebene Quote von 50 % anstelle von bisher 30 % nicht zu schaffen.

Bedeutet das, dass die Umweltbehörde BUKEA, die für die Novellierung des Hamburger Klimaschutzgesetzes zuständig ist, die Hamburger Energiewerke mit der Erhöhung von 30 % auf 50 % zu Schwindel und Täuschung beim Klimaschutzes anregt? Manches spricht für eine enge Zusammenarbeit beider zulasten des Klimaschutzes.

Der Referentenentwurf des HmbKliSchG sieht nämlich auch vor, dass die Dekarbonisierungsfahrpläne nur der BUKEA zur Prüfung vorgelegt werden sollen, nicht einmal der Bürgerschaft, geschweige denn der Öffentlichkeit. Die Forderung nach einer „demokratisch kontrollierten Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“, die der Hamburger Netze-Volksentscheid zwingend vorschreibt, soll also wieder einmal unbeachtet bleiben.

Bei all dem drängt sich die Frage auf, warum die Klimaschutz-Ziele in Hamburg so hoch geschraubt werden, dass trickreiche Täuschungsmanöver zur Anwendung kommen müssen, um den Anschein zu erwecken, sie seien auf ehrliche Art erreichbar. Besteht nicht die Gefahr, dass nach einer Anprangerung durch die Zivilgesellschaft Akteure wie die grün geführte Hamburger Umweltbehörde ihre Glaubwürdigkeit verlieren? Könnte das nicht in mehrfacher Hinsicht sehr schädlich für den Kampf gegen die Klimakrise sein? Vielleicht wird echter Klimaschutz einfach möglichen Aussichten auf erhoffte Wahlerfolge untergeordnet.

„Anerkennung“ als erneuerbare und auch als klimaneutrale Wärme?

Wie eingangs erläutert wurde, müssen die Müllverbrennungs-Unternehmen in Kürze berichten, wie groß ihre CO2-Emissionen sind. Denn nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) müssen sie für diese ab 2024 CO2-Emissions-Zertifikate kaufen.

Nach einer in Hamburg beabsichtigten „Anerkennung“ der gesamten Wärme aus der Abfall-Verbrennung als „erneuerbar“ bleibt die Frage, ob diese CO2-Emissionen wenigstens in Hamburgs CO2-Verursacherbilanz als Belastung für das globale Klima berücksichtigt werden.

Eine Passage in der Begründung des HmbKliSchG-E erweckt Zweifel: Bezogen auf den neuen Absatz 2 von § 10 heißt es hier: „Die Bezugnahme auf § 30 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 und Satz 3 KrWG dient der Sicherstellung, dass eine Planung und Errichtung von thermischen Abfallbehandlungen mit dem einzigen Ziel, nach dem Klimaschutzgesetz als klimaneutral gewertete Fernwärme zu erzeugen, ausgeschlossen wird.“

Da sich aus diesem Satz noch keine eindeutigen Schlüsse ziehen lassen, soll etwas ausgeholt werden. Dazu betrachten wir einen Absatz im Geschäftsbericht 2020 der Wärme Hamburg GmbH, die vor kurzem in die HEnW integriert wurde. Unter der Überschrift „CO2-Emissionen aus der Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen“ heißt es hier:

„Die Wärme Hamburg bilanziert gemäß dem in der Fernwärme etablierten Standard FW 309-6, der vom AGFW I Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. festgelegt wurde. Dieser Standard bildet die physikalischen Gegebenheiten in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung besser ab als die von den Statistikämtern verwendete Finnische Methode.“

Hamburg lässt seine CO2-Emissionen von den staatlichen Statistikämtern nach der so genannten Verursacherbilanz ermitteln. Auch für Hamburgs Klimaplan wird in der Begründung zum HmbKliSchG-E ausdrücklich festgestellt: „Der Klimaplan orientiert sich an der Hamburger Verursacherbilanz des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein als Grundlage.“ Die Wärme Hamburg GmbH (WH) aber stellt in ihrem Geschäftsbericht fest, sie wolle sich wegen „physikalischer Gegebenheiten“ nicht danach richten, sondern stattdessen nach einem Arbeitsblatt FW 309-6 des Fernwärme-Lobby-Verbands AGFW.

Dr. Beckereit, Geschäftsführer der WH bis Ende 2021, hat bei der Fernwärme aus KWK-Anlagen vorzugsweise nach der Finnischen Methode bilanziert. Und das nicht zufällig, hatte doch die Umweltbehörde bereits Vattenfall die Anwendung dieser Bilanzierungsmethode wohlbegründet empfohlen.

Der jetzige Sprecher der Geschäftsführung der HEnW, Christian Heine, ist seit kurzem in den Vorstand des sehr einflussreichen „Energieeffizienzverbands für Wärme, Kälte und KWK e.V.“ (AGFW) gewählt worden.

Die enge Verbindung mit dem AGFW wird noch dadurch unterstrichen, dass dessen bisheriger Präsident Dr. Andreas Cerbe ab März 2023 zum neuen Geschäftsführer des städtischen  Unternehmens Stromnetz Hamburg (SNH) berufen wurde. Aufsichtsratsvorsitzender der HEnW wie der SNH ist Senator Kerstan.

Diese personellen Verflechtungen sollten Anlass genug sein, den Inhalt dieses AGFW-Arbeitsblattes FW 309-6 „Energetische Bewertung von Fernwärme – Bestimmung spezifischer CO2-Emissionsfaktoren“ genauer zu betrachten.

Gleich am Anfang von Abschnitt 5 dieses Arbeitsblatts steht eine Vorschrift, die für die projektierte Umrüstung des Heizkraftwerkes Tiefstack wichtig ist:

„Wird Biomasse in KWK-Anlagen oder in Heizwerken eingesetzt, dann ist dieser Brennstoffeinsatz CO2-klimaneutral. Der Emissionsfaktor für diese Brennstoffe ist mit 0 anzusetzen.“

Im danach folgenden Absatz geht es um die Restmüllverbrennung:

“Sonderfälle stellen die industrielle Abwärmenutzung und die Restmüllverbrennung dar. Hier ist der Brennstoffeinsatz mit Ausnahme des Brennstoffeinsatzes für die Stützfeuerung jeweils dem vorgelagerten Produktions- bzw. Entsorgungsprozess zuzuordnen.“

Im Fall der industriellen Abwärme von Aurubis wird, wie oben bereits erläutert, der Brennstoffeinsatz berechtigterweise der vorgelagerten Kupferproduktion zugeordnet.

Ähnlich soll im Fall der Restmüllverbrennung der Einsatz des Brennstoffs Müll dem Entsorgungsprozess zugeordnet werden?

Welchen „vorgelagerten Entsorgungsprozess“ sollen die CO2-Emissionen der Verbrennung von Abfall zugeordnet werden? Die Antwort ist so schwierig, dass sich selbst der Vorstandvorsitzende der Wärme Hamburg GmbH, Senator Kerstan, sehr schwer tat beim Versuch einer Erklärung. Das einfachste wäre für ihn wohl gewesen, darauf zu verweisen, dass sich die von ihm geleitete Umweltbehörde der „Argumentation“ des AGFW angeschlossen hat.

Hilfreich ist vielleicht ein umfangreiches Gutachten des renommierten Beratungsbüros BET, die bekannte Machbarkeitsstudie „Kohleausstieg und nachhaltige Fernwärmeversorgung Berlin 2030“. Hier findet sich auf Seite 94 eine Box „Ermittlung von verbrennungsbedingten Emissionen aus Siedlungsabfall“. In dieser wird die Argumentation des AGFW wiederholt und dann wird erklärt: „Die Zuordnung der Emissionen zum Entsorgungsprozess wird dadurch begründet, dass der primäre Zweck des Verbrennungsprozesses nicht in der Erzeugung von Strom und Wärme liegt, sondern in der Beseitigung der Abfälle.“

Dann folgt eine interessante Feststellung: „Am EU-Emissionshandel nehmen Anlagen, die Siedlungsabfälle verbrennen, nicht teil. Die CO2-Emissionen für die Verbrennung von Siedlungsabfällen sind demzufolge ausgenommen, von der Pflicht für jede emittierte Tonne CO2 ein Emissionszertifikat abzugeben.“

Genau das hat die Bundesregierung im November 2022 geändert. Die Müllverbrennung unterliegt jetzt dem nationalen Emissionshandel. In den EU-Emissionshandel wird sie bald integriert sein. Damit sollte eigentlich auch die Argumentation des AGFW erledigt sein, die natürlich den Zweck verfolgte, die Fernwärme aus der Abfallverbrennung als (fast) klimaneutral zu erklären.

Es sollte aber nicht übersehen werden, dass die „Argumentation“ des AGFW zur Verlagerung der CO2-Emissionen der Abfall-Verbrennung ins Nirgendwo tief in geltende rechtliche Vorschriften vorgedrungen ist. Im Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird in Anlage 9 (Energieausweis) für die „Wärme aus Verbrennung von Siedlungsabfällen (unter pauschaler Berücksichtigung von Hilfsenergie und Stützfeuerung)“ ein Emissionsfaktor von 20 g CO2-Äquivalent pro kWh vorgeschrieben (Steinkohle: 400). In Anlage 3 den Siedlungsabfällen (und sicherheitshalber auch gleich der „Abwärme“) ein Primärenergiefaktor des nicht erneuerbaren Anteils von 0,0.

Dass die BUKEA und die HEnW bei ihren CO2-Berechnungen schon bisher die CO2-Emissionen der Abfall-Verbrennung auf null setzten – der Fernwärme-Lobby-Organisation AGFW folgend, wurde seit langem heftig kritisiert (Bild 4). Nun beabsichtigt die Umweltbehörde, dieses Vorgehen dadurch zu zementieren, dass die unleugbaren CO2-Emissionen per Gesetz unter den Teppich gekehrt werden sollen.

Bild 4: Abbildung zu einem Antrag des HET im Hamburger Energienetzbeirat, in dem es um die wundersame Umwandlung von fossilem Müll in CO2-freie Fernwärme geht.

Keine Anreize für mehr Müllverbrennung durch das Klimaschutzgesetz!

Die im Referentenentwurf vorgeschlagene Neufassung von § 10 Absatz 2 hätte zur Folge, dass Fernwärmeunternehmen umso mehr erneuerbare und klimafreundliche Wärme anbieten könnten, je mehr Wärme sie aus Abfall erzeugen würden. Die Dekarbonisierung der Fernwärme würde umso schneller vorankommen, je mehr Abfall zwecks Verbrennung nach Hamburg gekarrt würde. Die erwünschte Abfallvermeidung und die Erhöhung der Recyclingquote würden also im Namen des Klimaschutzes verhindert.

Aus der Sicht des Klimaschutzes und der Ressourceneinsparung ist das entschieden abzulehnen. Denn damit würde es noch weniger Anreize für das Recycling geeigneter Stoffe im Abfall geben als schon bisher. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), nach welchem ab dem 1. Januar 2024 für die Abfallverbrennung Kosten im nationalen Emissionshandel erhoben werden, ergibt im Vergleich dazu eine wesentlich geringere lenkende Wirkung. Denn nach Einschätzung des Gesetzgebers werden die Wärmeunternehmen die Zahlungen des Emissionshandels auf die Müllgebühren abwälzen und die Erhöhung der Müllgebühren würde nur im unteren einstelligen Prozentbereich liegen.

Zu beachten ist auch, dass bei sommerlichen Überangeboten an Fernwärme die Gefahr besteht, dass wirklich erneuerbare und weitgehend klimaneutrale Wärme aus Solarthermie oder Geothermie durch Wärme aus der Abfall-Verbrennung verdrängt wird.