Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Ungerechte Strom-Netzentgelte in Hamburg

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Die Höhe der Netzentgelte und ihr Anteil am Strompreis steigen in Hamburg seit Längerem kontinuierlich an. Mit diesem auch weiterhin anhaltendem Trend ist eine finanzielle Umverteilung von unten nach oben verbunden. Das steht in Widerspruch zum Hamburger Netze-Volksentscheid mit seinen Forderungen nach einer „sozial gerechten, klimaverträglichen und demokratisch kontrollierten Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“. Auch deshalb ist eine Diskussion darüber, wie ein Ausgleich für die Umverteilung bei den Netzentgelten gestaltet werden kann, notwendig.

1.     Kostenstruktur des Strombezugs

Die Rechnung der Stromversorgungs-Unternehmen für den gelieferten Strom enthält einen Arbeitspreis und einen Grundpreis. Mit dem Produkt aus Arbeitspreis und bezogener Strommenge sollen die variablen Energiekosten gedeckt werden, die von der Höhe des Stromverbrauchs abhängen. Beim Grundpreis handelt es sich um einen Festbetrag, mit dem die Kosten für die Strommessung, die Strombereitstellung und die Abrechnung abgegolten werden. Auch ein Teil der Netzentgelte (blau in Bild 1) gehört zum festen Grundpreis. Der Arbeitspreis enthält viele verschiedene Kostenbestandteile, für die Beschaffung und den Vertrieb des Stroms, für den variablen Teil der Netznutzung und für andere Bestandteile der komplizierten Tarifstruktur (Bild 1).

Bild 1: Zusammensetzung der Strompreise für Haushalte in Deutschland (Quelle: bdew). Blau Netzentgelte inkl. Messung und Messstellenbetrieb.

Für die Preis-Bestandteile Grundpreis und Arbeitspreis ist die folgende Unterscheidung wichtig:

  • Einerseits berechnet das Stromversorgungs-Unternehmen für den von ihm insgesamt gelieferten Strom einen verbrauchsunabhängigen Strom-Grundpreis und einen verbrauchsabhängigen Strom-Arbeitspreis.
  • Aber auch für die Netzentgelte, die lediglich die Nutzung des Stromnetzes betreffen und die in der Rechnung des Stromversorgungs-Unternehmens enthalten sind, gibt es einen Netzentgelt-Grundpreis und einen Netzentgelt-Arbeitspreis.

Im Rahmen dieses Beitrags wird es in erster Linie um die Höhe und die Aufteilung der festen und der variablen Bestandteile der Netzentgelte gehen, also um den Netzentgelt-Grundpreis und den Netzentgelt-Arbeitspreis.  

Die Netzentgelte oder Netznutzungsentgelte (blau in Bild 1) sollen den Ausbau und die Instandhaltung der Stromleitungen auf Verteilnetzebene und auf vorgelagerten Stromnetzen abdecken. Die Netzentgelte basieren auf den durch die Bundesnetzagentur festgelegten zulässigen Erlösobergrenzen. Auf dieser Basis legt das Unternehmen, welches das Stromnetz betreibt, die Höhe der Netzentgelte fest. Die Netzentgelte sind ein Bestandteil der Stromkosten, die vom Stromversorgungs-Unternehmen in Rechnung gestellt werden. Sie werden von diesem an den Netzbetreiber weitergegeben.

Wegen unterschiedlicher Strom-Beschaffungspreise hängt der Anteil der Netzentgelte am gesamten durchschnittlichen Strompreis stark davon ab, von welchem Stromversorger der Strom jeweils bezogen wird. Nach Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft bdew in Bild 1 betrug der Anteil der Netzentgelte einschließlich Messung und Messstellenbetrieb an den gesamten Stromkosten 22,8 % im Jahr 2014 und 27,3 % im Jahr 2024.

2.     Strom-Netzentgelte in Hamburg

In Hamburg wird das Stromverteilnetz vom städtischen Unternehmen Stromnetz Hamburg GmbH betrieben. Während in Hamburg der Grundpreis der Netzentgelte seit 2019 mit einer konstanten Höhe von 60 Euro pro Jahr gleich blieb, wuchs der Arbeitspreis seit 2018 auf mehr als das Doppelte an (Bild 2). In der Bürgerschaftsdrucksache 22/14503 vom 27.2.2024 wird als aktueller Wert sogar 13,18 Cent pro Kilowattstunde genannt. Vermutlich enthält dieser Wert auch eine Mehrwertsteuer von 19 %.

Ein Vergleich der Arbeitspreise für die Strom-Netzentgelte in Hamburg in Bild 2 mit den gesamten Netzentgelten in Deutschland (blau in Bild 1) lässt erkennen, dass die Arbeitspreise in Hamburg von 2018 bis 2024 deutlich stärker gestiegen sind als die gesamten Netzentgelte in Deutschland, und zwar um 116 % in Hamburg und um 58 % in der ganzen BRD. Ein anderer fixer Bestandteil des Strompreises, der Messpreis für Eintarifzähler mit jährlicher Ablesung, der in Bild 1 in den Netzentgelten enthalten ist, stieg im Unterschied zum Arbeitspreis der Netzentgelte seit 2018 nur langsam an.

Bild 2: Arbeitspreise der Strom-Netzentgelte bei der Stromnetz Hamburg GmbH (Daten: SNH)

Eine detailliertere Analyse der Höhe der Netzentgelte in Hamburg ist schwierig. Die Stromnetz-Unternehmen sind zwar verpflichtet, die Höhe der Strom-Netzentgelte zugänglich zu machen. Die Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) gibt diese gegenwärtig allerdings auf „Preisblättern“ erst ab 2018 an. Zudem ist es kaum möglich, die Entwicklung der Kosten, Entgelte und Verteilungseffekte bei den Stromnetzen ähnlich präzise abzuschätzen wie dies etwa bei der EEG-Umlage für den Ausbau der Erneuerbaren Energien der Fall war.

Für das Jahr 2024 teilte Stromnetz Hamburg am 18.12.2023 mit: „Für die durchschnittlichen Hamburger Haushaltskund*innen mit einem jährlichen Stromverbrauch von 3.500 kWh steigt das Entgelt im Vergleich zum Jahr 2023 für den Netzzugang um ca. 23 Prozent; das entspricht einer Mehrbelastung von ca. 100 Euro brutto im Jahr.“ SNH rechtfertigte diesen Zuwachs mit den Ende 2023 gestrichenen Zuschüssen des Bundes aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond in Höhe von 5,5 Milliarden Euro.

Mit den Daten aus Bild 2 und dem Grundpreis der Netzentgelte in Hamburg von 60 € pro Jahr ergibt sich im Jahr 2024 für einen typischen Zweipersonenhaushalt

  • mit einem sehr niedrigen jährlichen Stromverbrauch von 1000 kWh ein Mischpreis für das Netzentgelt von 17,34 ct pro kWh aus (6,0 + 11,34) ct/kWh,
  • mit einem sehr hohen Stromverbrauch von 4000 kWh ein Mischpreis von 12,84 ct pro kWh aus (1,5 + 11,34) ct/kWh.

Wenn auch der  Hamburg erhobene Messpreis für einen Eintarifzähler von 13,08 € pro Jahr berücksichtigt wird, ergeben sich die Werte 18,65 ct pro kWh und 13,17 ct pro kWh.

Stromeinsparung wird also bestraft, ein hoher Stromverbrauch wird belohnt.

Kommen wie im zweiten Fall in Zukunft durch das Laden von Elektrofahrzeugen und durch Strom für das Heizen mit Wärmepumpen noch höhere Stromverbräuche hinzu, so wird der Unterschied noch größer. Der Netzentgelt-Arbeitspreis für Speicherheizungen und für steuerbare Verbrauchseinrichtungen ist zudem nur halb so groß wie der Normal-Arbeitspreis für die Netzentgelte.

3.     Abführungen der städtischen Energieversorgungs-Unternehmen an die Stadt

Hamburg kaufte die Stromnetz Hamburg GmbH (SNH) zum 1.1. 2014 von Vattenfall für 495 Mio. € zurück. Zwischen 2016 und 2022 wurden bereits 396 Mio. € als Gewinne an die Stadt gezahlt (blaue Balken in Bild 3, Daten-Quelle: Drs. 22/12714). In Kürze dürfte daher schon nach zehn Jahren der gesamte Kaufpreis einschließlich Verzinsung an Hamburg zurückgezahlt sein.

Nach Drs. 22/14503 (27.2.24) betrugen für das Jahr 2023 die Gesamteinnahmen von SNH aus Netzentgelten etwa 574 Mio. €. Hierin sind Kosten für den vorgelagerten Netzbetreiber, die 50 Hertz Transmission GmbH, in Höhe von 133 Mio. € enthalten.

Stromnetz Hamburg hat nach dem Rückkauf viel Geld in die Modernisierung des Hamburger Stromnetzes investiert mit zunehmender Tendenz. Diese Aufwendungen lassen sich durch steigende Netzentgelte auf die Netznutzerinnen und Netznutzer umlegen. Ein Teil davon diente der hohen Gewinnabführung an die Stadt. Die Erlösobergrenzen, die durch die Bundesnetzagentur jeweils für eine fünfjährige Regulierungsperiode festgelegt werden, ließen dies zu.

Die Gasnetz Hamburg GmbH (GNH) wurde zum 1.1.2018 von E.ON zurückgekauft. Für einen Anteil von 74,9 % wurden dabei 275 Mio. € gezahlt. Aus heutiger Sicht mit der aus Gründen des Klimaschutzes notwendigen Perspektive der Stilllegung des größten Teils des Hamburger Gasnetzes war dieser für die GNH vereinbarte Kaufpreis viel zu hoch.

Die seither von Gasnetz Hamburg an die Stadt abgeführten Gewinne stiegen nicht wie im Fall von Stromnetz Hamburg an, sondern sanken 2022 sogar fast auf null (Bild 3). Ende 2023 wurde entschieden, dass GNH und SNH „zu einer spartenübergreifenden Netzgesellschaft fusioniert werden“. Nach dieser Fusion werden die zu erwartenden Verluste beim Gasnetz durch Gewinne beim Stromnetz kompensiert werden müssen.

Bild 3: Gewinnabführungen von städtischen Energieversorgern (Daten nach Drs. 22/12714)

4.     Zukünftige Entwicklung der Netzentgelte in Hamburg

Durch aktuelle Veränderungen der Zusammensetzung des Strompreises wird die Beurteilung der Entwicklung der Netzentgelte in Zukunft noch schwieriger: Die EEG-Umlage ist nicht mehr wie früher ein Bestandteil des Strompreises, sondern wird vom Bund aus Steuermitteln gezahlt. Andererseits wurden die Netzentgelte der Fernleitungsbetreiber zum 1.1.2024 im Durchschnitt von 3,1 ct/kWh auf 6,4 ct/kWh erhöht, da der Bundeszuschuss zum Netzentgelt wegfällt (ausführlicher in Erläuterungen der Bundesnetzagentur zur § 19 StromNEV-Umlage). Eigentlich sollten die Netzentgelte durch einen Zuschuss aus dem Wirtschaftsstabilitätsfonds finanziell gestützt werden. Da dieser wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts entfällt, verdoppelten die Übertragungsnetzbetreiber die Netzentgelte, was auch auf die Netzentgelte in Hamburg durchschlagen wird.

Im Zuge der „Wärmewende“ und noch stärker der „Verkehrswende“ wird ein Ausbau des Strom-Verteilnetzes in Hamburg vor allem für die dünner besiedelten Außenbezirke notwendig werden, wenn vor allem dort Elektroautos statt Benzin- und Dieselfahrzeuge und Wärmepumpen anstelle von Gas- oder Ölheizungen zeitgerecht mit Strom versorgt werden sollen. Auch die Nutzung von Photovoltaik auf Dächern wird wie bereits jetzt vor allem hier verstärkt vorankommen und Anpassungen des Stromnetzes erfordern (Drs. 22/11209, Antwort zu Frage 3). Stromnetz Hamburg schreibt: „Eine gute Netzinfrastruktur ist wichtig für die umfassende Elektrifizierung der Mobilitäts- und Wärmewende sowie der Dekarbonisierung der Industrie.“ Die geplanten Investitionen nehmen daher weiterhin erheblich zu (Bild 4).

Die Gewinne der SNH werden allerdings tendenziell durch die Stilllegung von Gasleitungen belastet werden.

Diese Entwicklungen werden sehr wahrscheinlich zu weiter steigenden Netzentgelten führen. In den Außenbezirken, in denen großenteils nicht mit Wärmenetzen geheizt werden wird, wohnen im Allgemeinen einkommensstärkere Menschen. Eine Stromversorgung mit einheitlichen Netzentgelten für alle Haushalte in ganz Hamburg wird daher bei gleichbleibenden Grundpreisen zu einer langanhaltenden finanziellen Umverteilung von unten nach oben führen, da die wachsenden Investitionen in die Stromverteilungsnetze und damit die Netzentgelte in erster Linie für die wohlhabenderen Haushalte in den Außenbezirken vorangetrieben werden. Staatliche Subventionierungen von Wärmepumpen, PV-Anlagen, Ladeinfrastruktur und eventuell auch Elektroautos verstärken diese Tendenz.

Bild 4: Investitionen von städtischen Energieversorgern (Daten nach Drs. 22/12714) (In Drs. 22/11314 wurden für SNH hiervon abweichende Werte angegeben.)

5.     Ungerechte Aufteilung der Netznutzungskosten auf Grund- und Arbeitspreise

Agora Energiewende stellte schon 2018 in einer Kurzanalyse zu den Netzentgelten, „Problematische Umverteilung zulasten von Geringverbrauchern“, einen starken Trend zu ungerecht hohen Grundpreisen für die Netznutzung fest, der dazu führt, dass Haushalte mit einem geringen Stromverbrauch – etwa aus Sparsamkeit, Armut oder soziostrukturell bedingt – spezifisch höhere Kosten für die Netze zahlen als Haushalte mit einem hohen Stromverbrauch (Abbildung 1 in der „Kurzanalyse“). Agora Energiewende empfahl, die Zuweisung der Netzkosten soweit wie möglich verursachergerecht zu gestalten.

Ein Vergleich der aktuellen Netzentgelt-Preise in Hamburg mit denen in Berlin und in München zeigt folgendes:

  • Grundpreis (€/a) für die Netznutzung in Hamburg: 60; in Berlin: 39,70; in München: 42,18
  • Arbeitspreis (ct/kWh) für die Netznutzung in Hamburg: 11,34; in Berlin: 9,21; in München: 8,62.

Die Netznutzung ist also für die Haushaltsverbraucher in Hamburg sowohl deutlich teurer als auch wegen des hohen Grundpreises ungerechter als in Berlin und München, wie in Abschnitt 2 erläutert.

Der Hamburger Senat bemerkt dazu: „Die Netzentgelte für das Strom- und Gasnetz sind in Hamburg wie in den norddeutschen Bundesländern generell aufgrund von Investitionen in den Netzausbau und -betrieb vor allem im Rahmen der Energiewende etwas höher als im Bundesdurchschnitt.“

Dass der Grundpreis in Hamburg seit 2019 konstant gehalten wurde, mag damit zusammenhängen, dass Stromnetz Hamburg selbst Bedenken gegen eine Erhöhung hatte.

Weitere Benachteiligungen von Geringverbrauchern bei den Strompreisen spielen bei der Beurteilung der ungerechten Netzentgelte ebenfalls ein Rolle:

  • die Bevorzugung von Großverbrauchern bei den Strompreisen (Abschnitt 6),
  • regional unterschiedliche Netzentgelte (Abschnitt 7),
  • die Förderung von Solaranlagen (Abschnitt 8) und
  • der Emissionshandel (Abschnitt 9).

6.     Bevorzugung von Großverbrauchern

Die Höhe der Entgelte, die die Übertragungsnetzbetreiber für die Durchleitung des elektrischen Stroms erheben dürfen, richtet sich nach der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV).

Energieintensive Unternehmen können unter bestimmten Voraussetzungen individuelle reduzierte Netzentgelte beantragen. Die Mindereinnahmen der Netzbetreiber zahlen alle Letztverbraucher über die § 19 StromNEV-Umlage. Diese Umlage kommt zu den Netzentgelten hinzu (Bild 1). Sie hat einen Anteil am Strompreis von etwa 1,2 Prozent.

Bild 5: Steuern und Abgaben beim Strompreis für die Industrie in ct / kWh bei einem Jahresverbrauch von 160.000 bis 20.000.000 kWh (Quelle: bdew)

Nach Bild 5 wurden die Kosten und Abgaben für Großverbraucher in Deutschland in den Jahren 2022 bis 2024 sehr stark gesenkt, insbesondere durch die Zahlung der EEG-Umlage aus Steuermitteln und den Wegfall der Stromsteuer ab 2024.

Private oder gewerbetreibende Stromkunden bis 1.000.000 kWh je Abnahmestelle zahlen dagegen die § 19 StromNEV-Umlage in voller Höhe (0,643 ct/kWh im Jahr 2024).

Stromgroßkunden mit einem Jahresverbrauch von mehr als 1.000.000 kWh an einer Abnahmestelle entrichten für ihren Stromanteil über 1.000.000 kWh nur 0,05 ct/kWh als maximale § 19 StromNEV-Umlage.

Stromkunden, die zum produzierenden Gewerbe, zu den Schienenverkehr-Betreibern oder der Eisenbahninfrastruktur gehören und deren Stromkosten im Vorjahr höher als vier Prozent des Umsatzes lagen, zahlen für ihren Stromanteil über 1.000.000 kWh maximal 0,025 ct/kWh.

Die Kosten für diese Bevorzugung von stromintensiven Unternehmen tragen nicht nur die Haushalts-Verbraucher, sondern auch mittelständische Unternehmen mit Stromverbräuchen unter 1.000.000 kWh.

Bild 6: EEG-Anteil am Einkommen und Verteilung von Solaranlagen (Quelle: IW-Kurzbericht 67/2018)

7.     Ungerechte Verteilung der regionalen Netzentgelte

Neben der ungerechten Verteilung bei den lokalen Netzentgelten gibt es weitere Umverteilungsvorgänge, bei denen zum Teil bereits Verbesserungen vorgesehen sind.

Umfangreich diskutiert wird, dass die Strom-Netzentgelte in Gebieten mit besonders viel erneuerbarem Strom erheblich über dem bundesweiten Durchschnitt liegen, weil hier die Netze stärker ausgebaut werden mussten: für Windenergie vorwiegend im Norden und für großflächige Freiflächen-Photovoltaik in überwiegend ländlichen Regionen. Seit längerem wird darüber debattiert, wie hier Abhilfe geschaffen werden könnte. Die Bundesnetzagentur hat im Dezember 2023 mit Eckpunkten einen Vorschlag für eine gerechtere Verteilung von Netzkosten für den Ausbau von erneuerbarem Strom veröffentlicht. Eine Entlastung soll greifen, wenn im Netzgebiet die installierte Leistung an Erneuerbaren Energien mindestens doppelt so hoch ist wie die zeitgleiche Jahreshöchstlast. Der bdew begrüßte die Eckpunkte der Bundesnetzagentur und merkte an, dass laut die § 19-StromNEV-Umlage, die von allen Netzkunden bundesweit bezahlt wird, um rund 0,6 Cent je Kilowattstunde Strom steigen würde. Für Hamburg würden sich keine Entlastungen ergeben, vielmehr käme hier die genannte Erhöhung der § 19-StromNEV-Umlage zum Strompreis hinzu.

8.     Ungerechte Förderung bei der Gewinnung von erneuerbarem Strom

Private Haushalte erhalten Auszahlungen aus der EEG-Umlage, wenn sie in erneuerbare Energien-Anlagen investierten. Bei privaten Haushalten sind das meist Photovoltaik-Anlagen. Der Anteil der Solaranlagenbetreiber steigt mit wachsendem Einkommen (Bild 6). Durch die bis vor kurzem im Strompreis enthaltene von allen gezahlte EEG-Umlage ergab sich also eine deutliche Umverteilung von unten nach oben. Mit der Zahlung der EEG-Umlage aus Steuermitteln hat sich die Umverteilung nicht wesentlich verändert.

9.     Finanzielle Belastung durch den Emissionshandel

Wegen der Schäden, die fossile Brennstoffe beim Klima verursachen, wurde Ende 2019 mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz auch im Wärme- und Verkehrsbereich ab 2021 ein CO2-Preis eingeführt, der schrittweise ansteigt: von 30 € pro Tonne CO2 im Jahr 2023 auf 45 € ab 2024 und auf 55 € ab 2025. Klimaschädliche Technologien werden dadurch teurer und klimafreundliche Alternativen attraktiver.

Im Gegenzug sollte für einen fairen sozialen Ausgleich gesorgt werden. Die CO2-Preise betreffen die Bevölkerung unterschiedlich stark. Menschen mit geringem Einkommen müssen von ihrem monatlichen Budget einen viel größeren Anteil für Energiekosten ausgeben als Wohlhabende. Sie sind von steigenden CO2-Preisen damit deutlich stärker betroffen.

Das Klimageld sollte den Preisanstieg bei der CO2-Bepreisung abfedern und die Lenkungswirkung des CO2-Preises ausgleichen, indem es insbesondere einkommensschwächere Menschen finanziell unterstützt. Es sollte zur sozialen Gerechtigkeit beitragen. Wegen einer Blockade durch die FDP und wegen Zweifeln in der SPD an der sozialen Ausrichtung wird es in der gegenwärtigen Legislaturperiode wohl nicht kommen.

Das Klimageld enthält keine lokale Komponente, die speziell in Hamburg wirken könnte. Für Entscheidungen darüber ist die Bundesregierung zuständig.

Immerhin wurde mit dem Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz der Kostenanstieg für Mieterinnen und Mieter gedämpft. Seit dem 1. 1. 2023 müssen die nationalen Kohlendioxidkosten des Brennstoffemissionshandels zwischen Vermietern und Mietern aufgeteilt werden.

10.     Mögliche Maßnahmen gegen ungerechte Netzentgelte in Hamburg

Ein 2022 für Germanwatch ausgearbeitetes Hintergrundpapier stellt fest: „Letztlich profitieren Großverbraucher von einem hohen oder ausschließlichen Grundpreis, während Geringverbraucher stärker belastet werden […] Damit stellen sich Fragen der Verteilungsgerechtigkeit.“

Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass in Hamburg über Maßnahmen gegen ungerechte Netzentgelte diskutiert werden sollte. Beachtet werden sollten dabei die folgenden Ziele und Randbedingungen:

  • Die Netzentgelte sollten so weit wie möglich verursachergerecht sein. Eine Verteilung von unten nach oben sollte ausgeschlossen werden.
  • Nach § 20 EnWG (1) soll die Netzzugangsregelung massengeschäftstauglich sein.
  • „Wärmewende“ und „Verkehrswende“ sollten nicht gebremst, sondern wenn möglich unterstützt werden.
  • Die Hamburger Politik und die betroffenen Unternehmen sollten entsprechende Handlungsmöglichkeiten haben.

Strom-Netzentgelte könnten in Hamburg in ihrer Höhe und Zusammensetzung so geändert werden, dass bei der Stromrechnung eine Umverteilung von unten nach oben verringert oder ganz beseitigt wird. Netznutzer, die für die Haushaltskunden Netzentgelte an das Stromnetz-Unternehmen zahlen, sind die Stromversorgungs-Unternehmen. Sie könnten eine Aufteilung in Grundpreis und Arbeitspreis vornehmen, die weniger ungerecht ist als gegenwärtig und die Einsparung von Strom stärker anreizt als bisher. Nicht nur eine Senkung des Grundpreises wäre so möglich, sondern sogar ein Netzentgelt, das vollständig proportional zur verbrauchten Strommenge ist.

Zu berücksichtigen wäre allerdings, dass eine solche Veränderung der finanziellen Beiträge für die Stromnetze für Verbraucher, die sich beispielsweise mit PV-Anlagen in erheblichem Umfang selbst mit Strom versorgen, nicht als gerecht bezeichnet werden kann. Denn für eine ausreichende Stromversorgung benötigen auch sie in den allermeisten Fällen ein gut ausgebautes Stromnetz in Zeiträumen, wo der PV-Strom längere Zeit gering ist. Das Umweltbundesamt hat daher vorgeschlagen, über eine Differenzierung zwischen Kunden mit und ohne Eigenerzeugung nachzudenken (Abschnitt 3.4 einer UBA-Publikation zur Weiterentwicklung des Netzentgelt- und Netznutzungssystems).

Die Bundesnetzagentur favorisierte in einem “Bericht Netzentgeldsystematik Elektrizität“ eine Orientierung der Höhe des Grundpreises am individuellen Beitrag zur Jahreshöchstlast: „Die Fixkomponente in Form eines angemessenen Grundpreises sollte sich an dem individuellen Beitrag zur Jahreshöchstlast des Netzes (Gleichzeitigkeit) orientieren, da dieser der wesentliche Netzkostentreiber ist.“ Die Frage ist, wie leicht das umsetzbar wäre.

In der aktuellen Diskussion über das im Koalitionsvertrag der „Ampel“ vereinbarte Klimageld zum Ausgleich unterschiedlicher Betroffenheit bei der Einführung und Erhöhung von CO2-Preisen wird eine einkommensabhängige Gestaltung gefordert. Der SPD-Fraktionsvize Miersch hält eine Pro-Kopf-Auszahlung des Klimageldes für falsch. Er schlug eine sozial abgestufte Zahlung nur an Haushalte mit kleinen oder mittleren Einkommen vor. Auf ähnliche Art könnten auch die Netzentgelte in Hamburg einkommensabhängig statt für alle gleich gestaltet werden.

Im Hinblick auf Verursachergerechtigkeit könnte in Hamburg zudem die gesamte Höhe der Strom-Netzentgelte erheblich reduziert werden. Vor allem der Grundpreis könnte herabgesetzt werden, ohne dass der Arbeitspreis entsprechend erhöht würde. Denn die Höhe der von der Stromnetz Hamburg GmbH an die Stadt abgeführten Gewinne erscheint überzogen, wenn der Kaufpreis für das Stromnetz von den Stromverbraucherinnen und -verbrauchern bereits ganz aufgebracht wurde.

 

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