Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Hamburger Kraftwerke: Kohleausstieg mit Biomasse?

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Das eindrucksvolle Klimaschutzprojekt „German Zero“, an dem zurzeit mit Hochdruck gearbeitet wird, nimmt die Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 wirklich ernst.

Während den gegenwärtigen Zielen und Selbstverpflichtungen Deutschlands ein globaler Temperaturanstieg um etwa 3 °C bis 2100 entspricht – vorausgesetzt es käme nicht zum Überschreiten weiterer Kipppunkte – setzte sich German Zero das Ziel, einen Plan für den Beitrag Deutschlands zur Begrenzung der Erderhitzung um maximal 1,5 °C auszuarbeiten.

Der „1,5-Grad-Klimaplan für Deutschland“ von German Zero sieht Klimaneutralität von Deutschland bis 2035 vor. Der Plan wird als notwendig und machbar bezeichnet.

Theoretisch kann Deutschland seinen Energiebedarf mit im eigenen Land erzeugten erneuer­baren Energien decken. Ergänzend kann aber auch, so wie heute, Energie importiert werden. „Partnerschaften mit potenziellen Lieferländern sind zu schließen und die notwendi­gen Infrastrukturen zu schaffen. … Wie viele Windräder und Photovoltaikanla­gen aufgestellt werden müssen, hängt davon ab, in welchem Maße Energie eingespart wird und in wel­cher Menge klimaneutrale Kraftstoffe importiert werden.“

German Zero zeigt als vereinfachtes Beispiel für eine Aufteilung der jährlich benötigten Energie durch Erzeugung in Deutschland und durch Importe aus anderen Ländern:

(Quelle: German Zero)

Gegenwärtig ist nicht bekannt, wie viele und welche „erneuerbar erzeugten Brennstoffe“ schon 2035 in großen Mengen importiert werden können. Denn es geht dabei um den Aufbau einer auf dem Weltmarkt operierenden Wasserstoff-Wirtschaft. Biomasse könnte schon in Kürze nach Hamburg importiert werden, wie das folgende Angebot zur Nutzung von Buschholz aus Namibia in der Hamburger Fernwärme-Erzeugung zeigt.

Eine Energie-Partnerschaft zwischen Hamburg und Namibia?

In einer etwa ein Jahr alten Projektbeschreibung wird eine Partnerschaft zwischen Hamburg und Namibia für den Import von Biomasse vorgeschlagen. Zu diesem Projekt mit dem Titel „Transkontinentale Biomassepartnerschaft Namibia – Hamburg. Entwicklung eines Biomasse Industrieparks (BIP) in Namibia“ gibt es ein Dossier vom 18. April 2019, das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) an der Hochschule Trier stammt.

Ein Youtube-Video „Biomass Industrial Parks – Namibia“ bietet einen Überblick über die Vorstellungen der GIZ.

Weitere allgemeine Informationen enthält ein Sonderdruck aus der Zeitschrift energie aus PflanzenBuschernte ersetzt Import von Kohle. Bioenergie in Namibia“.

Umfangreiche Informationen finden sich auch auf namibischen Internetseiten unter www.dasnamibia.org und www.n-big.org.

(Quelle: Zeitschrift energie aus pflanzen, Sonderdruck)

Warum will Namibia das Buschholz stärker nutzen?

Nach dem Dossier der GIZ leidet Namibia unter starker Verbuschung von Weideland. Das Überhandnehmen von Büschen auf Savannenflächen verursacht massive wirtschaftliche und ökologische Schäden, insbesondere einen Rückgang der Biodiversität, einen Verlust von Weideflächen und eine Verringerung der Grundwassereinspeisung so das Dossier.

Namibia nutzt Buschholz bereits für eigene Zwecke. Es wächst jedoch wesentlich mehr nach, als im Land gebraucht wird. Die mittlere Temperatur liegt bei etwa 20 ° C. Daher braucht in großen Teilen Namibias kaum geheizt werden.

Durch eine signifikante Erweiterung der Entbuschung könnte Namibia nach der Darstellung der GIZ

  • den Grundwasserspiegel bewahren, wenn der Wasserentzug durch die Verbuschung verringert wird,
  • agrarwirtschaftlich wichtige Weidefläche wiedergewinnen,
  • die Biodiversität erhöhen,
  • touristische Nutzungen weiterführen,
  • Arbeitsplätze schaffen und
  • Investitionen gewinnen.

Hamburg könnte in einer gut durchgeführten Partnerschaft mit Namibia die Nutzung erneuerbarer Energien beim Kohleausstieg vorantreiben und einen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten.

Die Bilder zeigen links die Savanne vor etwa 100 Jahren und rechts den verbuschten Zustand im Jahr 2011 (Quelle: Buschernte ersetzt Import von Kohle. Bioenergie in Namibia)

Wieviel Biomasse braucht Hamburg für den Ausstieg aus der Kohle?

Das Fernwärmeunternehmen Wärme Hamburg GmbH zeigt sich zurzeit interessiert am Einsatz von Biomasse aus Namibia im Rahmen des Ersatzes des mit Steinkohle befeuerten Heizkraftwerks Tiefstack. Würde bei einer Ersatzlösung zugunsten von Buschholz aus Namibia ganz auf Erdgas verzichtet, so würde es um den Import von 0,3 bis 0,4 Mio. Tonnen holzartige Biomasse im Jahr gehen. Das wären nur etwa drei Prozent des gegenwärtigen jährlichen Zuwachses an Buschholz in Namibia, wie aus dem Dossier zu erfahren ist. Bei der Abschätzung der in Tiefstack benötigten Menge an zusätzlicher Biomasse wurde mit Beiträgen der industriellen Abwärme von Aurubis und mit wesentlich erhöhten Fernwärme-Beiträgen der seit 2005 betriebenen Altholzanlage in der Borsigstraße nach deren Umbau gerechnet.

Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher kündigte kurz vor der letzten Bürgerschaftswahl eine Machbarkeitsstudie zum Ausstieg des Kraftwerks Moorburg aus der Kohle an. Ein Block soll dabei auf Erdgas umgestellt werden. Mit 2 Mio. Tonnen Holzhackschnitzeln pro Jahr aus Namibia könnte auch hier Biomasse anstelle von fossilem Erdgas eingesetzt werden. Etwa ein Fünftel des jährlichen Biomasse-Zuwachses in Namibia würden dafür benötigt.

Ökonomische Aspekte

Ein kurzer Abschnitt des Dossiers enthält „erste Untersuchungen“ zum Preis, zu dem die holzartige Biomasse in Hamburg angeliefert werden könnte:

„Erste Untersuchungen zeigen, dass die Biomasse zum Preis von ca. 120 USD pro Tonne in Hamburg angeliefert werden könnte.“

Bei einem Wechselkurs von 0,90 Euro pro US-Dollar würde eine in Hamburg angelieferte Tonne Biomasse ca. 108 Euro kosten. Umgerechnet in einen Preis pro Energieinhalt ergibt sich daraus bei einem ebenfalls im Dossier angegebenen Heizwert von 4,2 MWh pro Tonne lufttrockenen Holzes ein Preis von 25 Euro pro MWh Energieinhalt.

Bei der Alternative fossiles Erdgas muss nicht nur der Energiepreis sondern auch der Preis von CO2-Zertifikaten im europäischen Emissionshandel berücksichtigt werden und das für die Zeit um 2030. Folgt man hier den Rahmendaten, wie sie prognos oder das Öko-Institut zurzeit verwenden, so ergeben sich (24 + 6) = 30 Euro pro MWh Energieinhalt. Vom Preis her dürfte daher Buschholz aus Namibia beim Ersatz des Heizkraftwerks Tiefstack grundsätzlich konkurrenzfähig mit der Alternative Erdgas sein.

Ökologische Bewertung

Die ökologische Bewertung ist sehr komplex, vor allem wenn alle im Dossier aufgeführten Aspekte bedacht werden, dazu noch einige weitere.

Der internationale Handel mit Holzpellets steht mit Recht in der Kritik. Gegen eine CO2-neutrale Bewertung von Biomasse in der EU-Richtlinie (RED II), die ab 2021 gelten soll, läuft sogar eine Klage.

Wird ein Baum gefällt und wird er sofort durch einen Steckling ersetzt, so dauert es viele Jahre, bis wieder die gleiche jährliche CO2-Speicherung wie vorher erreicht wird. Beim Einsatz von Kurzumtriebsplantagen vollzieht sich die CO2-Speicherung schneller. Im eher trockenen Klima von Namibia ist mit erheblich längeren Zeitdauern zu rechnen. Wenn wie von German Zero Klimaneutralität in Deutschland schon 2035 erreicht werden soll, so könnten diese Unterschiede je nach Betrachtungsweise eine Rolle spielen. 

In Namibia geht es aber nicht nur um die Entnahme und das Nachwachsen von Holz. Die durch das Gras der Savanne erfolgende CO2-Speicherung könnte durch die Entnahme oder Reduzierung von tiefer wurzelndem Buschholz geschützt und bis zu einem gewissen Grad verbessert werden.

Bei der vorgeschlagenen Biomassepartnerschaft Hamburg-Namibia ginge es im Sektor Energieversorgung darum, ob beim Ersatz des Kohle-Heizkraftwerks Tiefstack für einen längeren Zeitraum die Verbrennung von Buschholz derjenigen von fossilem Erdgas vorzuziehen wäre. Als weitere Alternativen kämen gegenwärtig Altholz und Stroh in Frage. Die Verfügbarkeit dieser Brennstoffe in Deutschland sollte untersucht werden.

Für die Biomasse aus Namibia werden im Dossier die klimarelevanten Vorketten – abgesehen vom Transport – noch nicht vollständig angegeben. Bei der Alternative Erdgas ist zu berücksichtigen, dass in Zukunft immer mehr Erdgas aus unkonventionellen Quellen in den USA und in Kanada, aber auch in Russland und anderswo, in den Handel kommen wird und dass dessen Vorketten wahrscheinlich deutlich ungünstiger sein werden als diejenigen von Buschholz aus Namibia.

Die Argumentation, Erdgas könne in Bälde durch grünen Wasserstoff ersetzt werden, ist mit großer Vorsicht zu genießen. Die Planungen von German Zero werden wohl den Import von grünem Wasserstoff vorsehen. Deutschland kann aber nur sehr begrenzt auf die Entwicklung des internationalen Wasserstoffmarkts Einfluss nehmen. Sobald klimaneutraler Wasserstoff in Deutschland in nennenswertem Umfang verfügbar sein wird, wird er sinnvollerweise zunächst in der Industrie und im Schwerlastverkehr Verwendung finden müssen.

Da es ganz offenbar um eine Reihe von schwierig zu beantwortenden Fragen und Abwägungen geht, wäre eine baldige gründliche wissenschaftliche Begutachtung zur ökologischen Bewertung eines Imports von Buschholz aus Namibia nach Hamburg sehr sinnvoll.

Sozioökonomische Aspekte

Namibia setzt zwar schon heute einen gewissen Teil des Buschholzes ein, geplant ist aber eine erhebliche Steigerung der Nutzung. Für die sozioökonomische und ökologische Entwicklung Namibias ist dabei von großer Bedeutung, welche Unternehmen sich hieran beteiligen werden und welche Ziele diese verfolgen werden. Im Dossier findet sich hierzu:

 „Namibia hat Regularien geschaffen, um die Nachhaltigkeit von Erntemaßnahmen zu gewährleisten.

Mit Unterstützung von GIZ und IfaS wird eine Strategie entwickelt, um an verschiedenen Standorten im Land Bio-Energie und Rohstoffzentren (Biomass Industry Parks = BIPs) zu etablieren.“

Für die Schaffung von solchen Industrieparks wird Namibia Investoren gewinnen müssen, die nicht nur deklaratorisch Rücksicht auf Nachhaltigkeits- und Entwicklungs-Leitlinien nehmen werden.

Gerade bei der Nutzung von Biomasse gibt es aus der jüngeren Vergangenheit sehr problematische Beispiele: Vattenfall in Liberia und die schweizerische Addax&Oryx Group/AOG im angrenzenden Sierra Leone. Eine Wiederholung solcher Fehlschläge gilt es unbedingt zu vermeiden. Das Fehlverhalten von Vattenfall ist bis heute nicht vollständig aufgearbeitet. Hamburg müsste sich also bewusst darauf konzentrieren, aus solchen Fehlern zu lernen.

Schöne Worte sind hier wohlfeil. Die gab es auch von Vattenfall im gescheiterten Liberia-Projekt reichlich : Erneuerbar, klimaneutral und nachhaltig.

Dass auch das Dossier der GIZ einen umfangreichen Abschnitt „Sozio-ökonomische Aspekte (Menschenrechte und Arbeitsbedingungen)“ enthält, bedeutet daher noch lange nicht, dass die aufgezählten Grundsätze und Richtlinien in der Realität wirklich Beachtung finden würden.

Daher müsste eine Energie-Partnerschaft zwischen Hamburg und Namibia als Partnerschaft zwischen dem Staat Namibia und der Freien und Hansestadt Hamburg entwickelt werden, nicht nur als Partnerschaft der Wärme Hamburg GmbH mit irgendwelchen undurchsichtigen Investoren.

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