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Hamburg kann die Verbrennung von Erdgas und Heizöl am besten so beenden:
- Industriebetriebe im Hafen ersetzen fossile Energieträger durch erneuerbaren Strom. Ist dies nicht möglich, setzen sie erneuerbaren Wasserstoff ein.
- Wärme in Gebäuden, die bisher mit Erdgas oder Heizöl erzeugt wird, wird teils durch Wärme aus Wärmepumpen und teils durch klimafreundliche Fernwärme ersetzt.
- Die Pläne der Gasnetz Hamburg GmbH, dem Hamburger Erdgasnetz Wasserstoff beizumischen, sollten unverzüglich beendet werden. Denn Heizen mit Wasserstoff ist sehr energieaufwendig, teuer, nicht sozialverträglich und klimapolitisch fragwürdig.
Hamburgs Ziele für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern
Hamburg will die Verbrennung von Kohle in den Heizkraftwerken Wedel und Tiefstack spätestens im Jahr 2030 beenden. Damit der Klimavertrag von Paris und die Klimaziele Deutschlands und Hamburgs eingehalten werden, muss auch der Ausstieg aus der Nutzung anderer fossiler Energieträger wie Erdgas und Erdöl vorangetrieben werden. Umweltsenator Kerstan hat bereits im Februar 2021 eine Ausstiegsstrategie aus Erdgas und ein sehr deutliches Sinken des Gasanteils bis 2030 gefordert.
Die Fortschreibung des Hamburger Klimaplans aus dem Jahr 2019 sieht noch vor, dass Hamburg bis 2030 eine 55-prozentige CO2-Reduktion gegenüber 1990 vornimmt und erst im Jahr 2050 klimaneutral ist. Dieser Klimaplan steht sogar noch einer Zunahme des Verbrauchs von Erdgas unkritisch gegenüber. Bei den „Stellschrauben für eine erfolgreiche Zielerreichung“ wurde „von einer starken Reduzierung von Ölheizungen ausgegangen, bei gleichzeitiger Zunahme von Fernwärme, Erdgasversorgung und Wärmepumpen“.
Laut dem noch geltenden Klimaplan orientiert sich der Hamburger Senat an den Zielen der Bundesregierung auf nationaler Ebene, um das 1,5°-Ziel zu erreichen. Nach der Verschärfung des Bundes-Klimaschutzgesetzes am 24. Juni 2021 sollen auch in Hamburg der Klimaplan und das Klimaschutzgesetz synchron überarbeitet werden mit dem Ziel, die Hamburger Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 Prozent und gegebenenfalls darüber hinaus zu reduzieren. Außerdem tendiert auch Hamburg zum Ziel einer Klimaneutralität schon im Jahr 2045. Ob das Bundes-Klimaschutzgesetz vom 24. Juni 2021 ausreichend ist, wird rechtlich angezweifelt. Die Handelskammer Hamburg will, dass Hamburg schon 2040 Klimaneutralität erreicht.
Vorgaben der Bundesregierung zur Entwicklung der Wärmeversorgung
Bundeskanzler Scholz erklärte in seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember 2021:
„In nicht einmal 25 Jahren soll Deutschland klimaneutral sein. … Wir werden uns in diesem Zeitraum unabhängig machen von Kohle, Öl und Gas. Und gleichzeitig mindestens doppelt so viel Strom als heute aus Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Energien erzeugen. Eine gigantische Aufgabe!“
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 24. November 2021 sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 die Hälfte der Wärme in Deutschland klimaneutral erzeugt werden soll. Die Wärmenetze sollen vergrößert werden. Geplant ist ein starker Ausbau der Erzeugung von grünem Strom und der Einsatz von grünem Wasserstoff. 80 Prozent des jährlichen Bruttostrombedarfs von 680 bis 750 Terawattstunden sollen im Jahr 2030 aus Erneuerbaren Energien stammen.
Bei der Bundespressekonferenz „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ erklärte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck, eine rasche Steigerung von Wärmepumpen und Fördermaßnahmen für Wärmenetze zu prioritären Maßnahmen der Bundesregierung für einen Zeithorizont bis 2030:
„Wir wollen ein Roll-out der Wärmepumpen, also stromgetrieben, die aber dann dafür sorgen, dass die Wärmeversorgung erneuerbar ist, auf 4 – 6 Millionen, das ist eine Vervier- bis Versechsfachung der bisherigen Zahlen und Planungen. … Wir werden die Wärmestrategie auflegen, die vor allem über die kommunale Wärmeplanung dann dazu führen soll, dass wir ab 2025 65 % erneuerbare Energie für alle neuen Heizanlagen haben werden.
Dazu gehören auch Fördermaßnahmen für die Fernwärmenetze. Also da, wo es Verbundsysteme gibt, kann man ja gebündelt Energie reinführen. Wir setzen vor allem darauf, dass ein Förderprogramm, das gerade in der Notifizierung der EU liegt, das BEW, das Bundesprogramm für effiziente Wärmenetze, einen großen Effekt hat, sodass wir auch beispielsweise industrielle Abwärme stärker in die Fernwärmenetze reinnehmen werden.“
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll zügig novelliert werden. Ab 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf Basis von mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden. Das bedeutet, dass ab 2025 Erdgas und Heizöl bei allen neu eingebauten Heizungen nicht mehr als Hauptenergiequellen zugelassen werden.
Wo sollte grüner Wasserstoff vorrangig eingesetzt werden?
Nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll bis 2030 die Kapazität für die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse 10 Gigawatt erreichen – doppelt so viel wie bisher vorgesehen. Grüner Wasserstoff soll vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen.
Die meisten Analysen nehmen an, dass in Deutschland hergestellter Wasserstoff nicht ausreichen wird, um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, sondern dass große Mengen an Wasserstoff und Derivaten eingeführt werden müssen. Nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung sollen beim Import von Wasserstoff die klimapolitischen Auswirkungen beachtet werden. Das dürfte bedeuten, dass für die Elektrolyse zusätzliche Anlagen gebaut werden sollen. Der Sachverständigenbeirat für Umweltfragen (SRU) hat „dunkelgrünen Wasserstoff“ gefordert, mit dem sichergestellt wird, dass „die Transformation der Energiesysteme in den Produktionsländern nicht verzögert wird und keine zusätzlichen sozialen Probleme oder Umweltauswirkungen entstehen“. Laut Acht Kriterien des Öko-Instituts für den Import von grünem Wasserstoff soll Wasser aus Gewässern in Gebieten mit hoher Verfügbarkeit von Wasser oder aus zusätzlichen Meerwasser-Entsalzungsanlagen bezogen werden. Die Wasserstoffproduktion darf dabei die inländische Dekarbonisierung nicht beeinträchtigen.
In Übereinstimmung mit fast allen unabhängigen Experten erklärte die EU-Kommission bei der Vorlage ihres „Legislativpakets zu Wasserstoff und dekarbonisiertem Gas“ am 14. Dezember 2021, die direkte Elektrifizierung sei dem Einsatz von Wasserstoff vorzuziehen:
„In den meisten Bereichen wird die Dekarbonisierung der Endenergienachfrage auf kosten- und energieeffizienteste Weise durch direkte Elektrifizierung zu erreichen sein. In Verbindung mit einem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien, einer Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung der Kreislaufwirtschaft wird die Elektrifizierung durchaus die größten Einsparungen an Treibhausgasemissionen im gesamten Energiesystem erbringen. Allerdings ist eine Elektrifizierung nicht in allen Sektoren möglich. Einige Sektoren werden weiterhin auf Gase angewiesen sein. Deshalb müssen erneuerbare und CO2-arme Gase bei der Verwirklichung der Klimaziele der EU eine wichtige Rolle spielen.“
Unter erneuerbaren Gasen (renewable gases) versteht die EU-Kommission „Gase, die aus Biomasse, u. a. Biomethan, sowie aus Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden“. Zu den CO2-armen Gasen (low-carbon gases) zählt sie solche, die „während ihres gesamten Lebenszyklus mindestens 70 % weniger Treibhausgasemissionen als fossiles Erdgas“ verursachen. Zu den verursachten Treibhausgasen ist wohl auch emittiertes Methan mit seinem sehr hohen Treibhausgas-Potenzial zu rechnen.
Auch das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK) der Bundesregierung erklärte in seiner „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“: „Grüner Wasserstoff sollte dabei vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Klimaneutralität umzustellen.“
Eine direkte Elektrifizierung ist kaum möglich in Bereichen der Grundstoffchemie, in der Schifffahrt, in der internationalen Luftfahrt und gegenwärtig auch in der Stahlerzeugung. Auch für die Stromerzeugung während kalter Dunkelflauten, in denen keine Sonne scheint und kein Wind weht, wird saisonal gespeicherter grüner Wasserstoff eine große Rolle spielen. Zur Abdeckung der Spitzenlast in Wärmenetzen kann erneuerbar hergestellter Wasserstoff eingesetzt werden, sobald genug davon verfügbar ist.
Die „Wasserstoff-Leiter“ von Michael Liebreich in Bild 1 zeigt im Detail, welche Einsatzbereiche von „sauberem Wasserstoff“ alternativlos („A“) und welche unwirtschaftlich („G“) sind.
Verbrauch von Erdgas und Heizöl in Hamburg
Bild 2 zeigt den Erdgas-Verbrauch in Hamburg im Jahr 2019 mit einem Gesamtwert für die Wärmeerzeugung von 17,3 Terawattstunden (TWh). Beim Ersatz von Erdgas und Heizöl durch Wasserstoff ist an industrielle Anwendungen wie die Grundstoffchemie und die Erzeugung von Stahl zu denken. Vermutlich wird erst nach 2035 so viel grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen, dass auch das dann noch in Heizkraftwerken der Fernwärme und in Spitzenlast-Heizwerken eingesetzte Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzt werden kann (Bild 2, oberer Teil). Zu beachten ist dabei, dass beim Ersatz des Kohle-Heizkraftwerks Wedel und möglicherweise auch beim Ersatz des Kohle-Heizkraftwerks Tiefstack zusätzliches Erdgas eingesetzt werden wird.
Nach dem unteren Teil von Bild 2 sind für die Wärmeversorgung mit Erdgas in den Sektoren PHH (Privathaushalte) und GHD (Gewerbe, Handel und Dienstleistungen) 7,4 TWh pro Jahr klimaneutral zu ersetzen. Dazu kommen 2,4 TWh pro Jahr an Heizöl. In den Heizkraftwerken und Heizwerken eingesetztes Erdgas und Heizöl sind bereits im oberen Teil von Bild 2 enthalten.
Für die zukünftige Versorgung mit Heizwärme und Warmwasser in den Sektoren PHH und GHD in Hamburg werden beim Ersatz von Erdgas und Heizöl zwei sehr unterschiedliche Pfade vorgeschlagen:
- Wärmepumpen-Heizung: Erdgas und Heizöl werden so rasch wie möglich durch den Einsatz von erneuerbarem Strom in Wärmepumpen und durch den Ausbau von Wärmenetzen ersetzt.
- Wasserstoff-Heizung: Es wird faktisch so lange an fossilem Erdgas festgehalten, bis kostengünstiger grüner Wasserstoff in großen Mengen zur Verfügung steht. Eine vorangehende Beimischung von Wasserstoff mit sehr geringen energetischen Anteilen ist lediglich eine Beschönigung dieses Pfads, wie im Folgenden gezeigt wird.
Die Wasserstoff-Pläne von Gasnetz Hamburg
Das Unternehmen Gasnetz Hamburg GmbH (GNH), das seit dem 1. Januar 2018 wieder vollständig der Stadt Hamburg gehört, will im Hamburger Hafen mit einem neuen Wasserstoffnetz („Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz“ – HH-WIN) die Unternehmen, die für ihre Dekarbonisierung Wasserstoff benötigen, mit reinem Wasserstoff versorgen. Die GNH gibt an, sie habe ihre Planung hochflexibel gestaltet, weil genaue Zeitpläne beim vorgelagerten Netz wie bei den entstehenden Wasserstoffprojekten noch nicht vorliegen.
Außerdem will die GNH einen großen Teil der zurzeit mit Erdgas und Heizöl beheizten Gebäude auf eine vollständige Beheizung mit Wasserstoff umstellen und zwar frühestens in etwa zwei Jahrzehnten. In der Zwischenzeit sollen dem Erdgas im Hamburger Gasverteilungsnetz zur „Überbrückung“ 20 bis 30 Prozent Wasserstoff beigemischt werden.
Die Gasnetz Hamburg GmbH behauptet, damit würde ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Das ist aus mehreren Gründen falsch.
- Erstens entspricht ein dem Erdgas beigemischtes Volumen von 20 Prozent Wasserstoff energetisch und nach CO2-Emissionen nur einem Ersatz von 7 Prozent des Erdgases.
- Zweitens schreibt die GNH in einer Rückmeldung auf eine Marktkonsultation der Bundesnetzagentur selbst ganz ungeschminkt, dass bis Mitte der 2030er Jahre von einem breiteren Spektrum von Wasserstoff (anthrazit, grau, blau, türkis) als nur von klimaneutralem „grünen“ Wasserstoff auszugehen sei. Anthrazitfarbener Wasserstoff wird in einer Elektrolyse mit normalem Netzstrom erzeugt. Grauer Wasserstoff wird aus fossilem Erdgas per Dampfreformierung Von blauem Wasserstoff wird gesprochen, wenn bei grauem Wasserstoff das anfallende CO2 abgeschieden und im Untergrund verpresst wird (CCS). Wegen Methanverlusten und zu geringer Effizienz ist auch blauer Wasserstoff nicht emissionsärmer als Erdgas. Zur Gewinnung von türkisem Wasserstoff wird Methan aus Erdgas bei hohen Temperaturen in Kohlenstoff und Wasserstoff aufgespalten. Die Frage ist, was mit dem Kohlenstoff in fester Form danach geschieht.
- Drittens nehmen in Zukunft die Treibhausgas-Emissionen der Erdgas-Verbrennung bei einem zunehmendem Anteil an Fracking-Erdgas deutlich zu – unter anderem wegen Freisetzung von stark klimaschädigendem Methan.
- Viertens werden energetische Gebäudesanierungen zur Reduzierung von Emissionen verschleppt, wenn den Gebäude-Eigentümerinnen und -Eigentümern suggeriert wird, über eine wachsende Beimischung von Wasserstoff zum Erdgas käme der notwendige Klimaschutz ohne ihr Zutun quasi ganz von allein.
Der vierte Punkt hat große Bedeutung, auch wenn diese sich schwer quantitativ angeben lässt. Der Hamburger Klimabeirat hat am 8. Dezember 2021 in seinen „Klimapolitische Empfehlungen an den Hamburger Senat 2021“ unter dem Stichwort „Suffizienz“ auf die dringend notwendige Erhöhung der energetischen Sanierungstätigkeit hingewiesen: „Hamburg muss gewährleisten, dass die Sanierungsquote tatsächlich kurzfristig auf mindestens 2 % pro Jahr angehoben wird.“ Er schlägt vor, dass Hamburg mit einer entsprechenden Konzeption und Kampagne Maßstäbe setzt und eine (bundesweite) Suffizienzstrategie umfassend unterstützt.
Die Gasnetz Hamburg GmbH folgt mit ihren Plänen den Kampagnen der deutschen und europaweiten Erdgaslobby, für die insbesondere der Verein „Zukunft Gas“ und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) stehen. Die GNH gibt damit den Interessen des eigenen Unternehmens klaren Vorrang gegenüber den Klimaschutz-Zielen der Stadt. Durch die Treibhausgasemissionen einer auf Jahrzehnte fortgesetzten Verbrennung von Erdgas und Heizöl würde die Klimakrise weiter angefeuert.
Erstaunlich ist, dass auch die halbstaatliche Deutsche Energie-Agentur (dena) Ähnliches wie die Erdgaslobby vertritt: „Im Wärmemarkt kann Wasserstoff als Erdgasbeimischung auch kurzfristig in bestehenden Infrastrukturen und Anlagen CO2-Einsparungen ermöglichen.“
Die Bundesnetzagentur hat dagegen Ergebnisse ihrer Marktkonsultation zur Regulierung von Wasserstoffnetzen so zusammengefasst:
„Ein Großteil der Stellungnahmen sieht Beimischung als eine, u.a. durch viele notwendige Anpassungen, kostenintensive Verschwendung des hochwertigen und in der Industrie zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele dringend benötigten reinen Wasserstoffs an. Allenfalls als Übergangslösung bis genügend H2-Netze verfügbar seien, sei Beimischung denkbar.
Die Gegenmeinung – vor allem aus den Reihen der Gasnetzbetreiber – sieht in der Beimischung auf allen Netzebenen – hauptsächlich aber im Verteilernetz – eine schnelle Möglichkeit zur Dekarbonisierung aller Sektoren, an erster Stelle den Wärmesektor. Eine Beimischung von mehr als 10 bis maximal 20 Prozent wird allerdings in aller Regel nicht gesehen.“
Mit ineffizienten Wasserstoff-Heizungen in eine unsoziale Kostenspirale
Stoffliche Verwendungsarten, die weit oben auf der Wasserstoff-Leiter in Bild 1 stehen, brauchen möglichst reinen Wasserstoff. Durch eine Beimischung ins Erdgasnetz wird diese Verwendung behindert.
Die Gewinnung von Wohnraumwärme steht auf der zweituntersten Stufe der Wasserstoff-Leiter in Bild 1. Für die Bereitstellung von Niedrigtemperaturwärme wie Raumwärme und Warmwasser besitzt der direkte und effiziente Einsatz von elektrischem Strom ganz erhebliche Effizienzvorteile gegenüber Wasserstoff. Etwa die Hälfte der im Ausgangsstrom enthaltenen Energie geht bei der Herstellung von Wasserstoff mittels Strom verloren. Das gilt besonders für Wasserstoff, der per Schiff importiert wird. Mit Hilfe von Wärmepumpen kann andererseits durch Mobilisierung von Umweltwärme aus der Energie des eingesetzten Stroms mindestens dreimal so viel an Wärmeenergie gewonnen werden. Zusammen ergibt sich so beim Effizienzvergleich ein Faktor von 5 bis 6 für die eklatante Überlegenheit von direkt eingesetztem Strom im Vergleich zur Wasserstoff-Verbrennung (Bild 3). Für eine Beheizung mit klimaneutralem Wasserstoff muss also 5 bis 6 mal so viel klimaneutraler Strom erzeugt werden wie für eine Beheizung mit Umweltwärme durch den direkten Einsatz von Strom in Wärmepumpen.
Die EU-Kommission vertritt den Grundsatz „Energy Efficiency First“. Dieser spricht bei der Gebäudewärme klar für strombetriebene Wärmepumpen.
Bei den von der Gasnetz Hamburg GmbH verfolgten Plänen, das Heizen mit Erdgas langfristig komplett auf wertvollen Wasserstoff umzustellen, sollen die Kundinnen und Kunden nicht nur die allmähliche Ertüchtigung des Erdgasnetzes für Wasserstoff über ihre Netzentgelte finanzieren, sondern auch die Aufwendungen für den Aufbau von reinen Wasserstoffnetzen im Hamburger Hafen. Am Ende sollen sie auch noch ein im Vergleich zur Umgebungswärme aus elektrischen Wärmepumpen erheblich teureres Energiegut abnehmen. Eine Kosten-Wälzung auf alle Netznutzer, wie sie die Gaslobby fordert, wäre jedoch unsozial. Industrielle Großabnehmer sollten für die Nutzung der für sie gebauten Infrastruktur selbst aufkommen.
Da unter diesen Bedingungen ein wachsender Anteil von Erdgas-Kundinnen und -Kunden zur Fernwärme oder zu Wärme aus elektrischen Wärmepumpen wechseln würde, würde sich eine Spirale steigender Kosten entwickeln, bei der die verbleibenden Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur die Wasserstoff-Umbaukosten, sondern immer höhere Festkostenanteile tragen müssten, vor allem Mieterinnen und Mieter und sozial benachteiligte Menschen.
Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Ariadne-Projekt kam zur folgenden Einschätzung:
„Wenn auf eine breite Verfügbarkeit von günstigem klimaneutralem Wasserstoff und E-Fuels gesetzt wird und sich diese Erwartungen nicht erfüllen, droht ein Lock-in. Sind Wasserstoff und E-Fuels dann nicht in erforderlichen Mengen verfügbar, können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden und Konsument:innen drohen hohe CO2-Kosten, da sie weiter mit Erdgas heizen oder fossile Treibstoffe tanken müssen. Sind Wasserstoff und E-Fuels zwar verfügbar, aber deutlich teurer als erwartet, drohen Konsument:innen von „H2-“ und „E-Fuel-ready“-Technologien hohe Kosten bis hin zur Entwertung der Anwendung, wenn nachträglich dann doch auf eine elektrische Anwendung gewechselt werden sollte.“
Im Gegensatz dazu setzt die GNH in ihrer Rückmeldung darauf, dass „bereits vorhandene Investitionen einer versorgungssicheren Energie-/Gasinfrastruktur weiter genutzt werden können, um für Kundensektoren zu relativ geringen zusätzlichen Kosten die Nutzung/Verteilung klimaschonender Energieträger zu ermöglichen.“
Heizen mit Umweltwärme, gewonnen mit erneuerbarem Strom
Umfassende Studien für eine Transformation zur Klimaneutralität bis 2045 sehen im Sektor Gebäude zwischen 2025 bis 2045 eine rasche Zunahme von elektrischen Wärmepumpen vor.
In der Studie Klimapfade 2.0 der Boston Consult Group (BCG) für den Bund der Deutschen Industrie (BDI) sollen in der BRD – ausgehend von gegenwärtig rund einer Million Wärmepumpen – 6 Millionen Wärmepumpen bis 2030 und 15 Millionen Wärmepumpen bis 2045 erreicht werden. Das entspricht im Jahr 2045 einer Wärmepumpenheizung in 68 Prozent aller Gebäude (Bild 4).
An die Fernwärme sind meist Mehrfamilienhäuser und Nichtwohngebäude angeschlossen. Daher ist ihr Anteil am Endenergieverbrauch größer als nach dem Anteil an den Gebäuden in Bild 4. Im Jahr 2045 sollen im „Zielpfad“ der Studie 53 % des Energieverbrauchs für Raumwärme und Warmwasser von Wärmepumpen kommen, 30 % von Fernwärme, 11 % von Biomasse, Grünen Gasen und E-Fuels und 6 % von Sonstigen.
Klimapfade 2.0: „Fast jedes Gebäude in Deutschland wird innerhalb der kommenden 24 Jahre eine neue Wärmelösung brauchen. Für die Mehrheit der Gebäude ist dafür eine Mischung aus Wärmepumpen in weniger dicht besiedelten sowie grüner Fernwärme und Quartierslösungen in urbanen Gebieten am kosteneffizientesten.“
Auch in Bestandsgebäuden sollte, wo immer möglich, „bei jedem Heizungstausch eine Umstellung auf Wärmepumpen (koordiniert mit umfassender Sanierung zur Schaffung der erforderlichen Voraussetzungen), Fernwärme oder fossilfreie Quartierslösungen erfolgen. Neuinstallationen von fossil betriebenen Öl- und Gaskesseln als Hauptwärmelösungen sind mit dem Klimaziel 2030 nicht vereinbar.“
Einen ähnlich raschen Umbau der Heizwärmeversorgung sieht die von Prognos, Öko-Institut und Wuppertal Institut für AGORA erstellte Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ vor. Nach 2025 sollen nach dieser Studie nur noch in wenigen Ausnahmefällen neue Heizungen auf Basis von Heizöl oder Erdgas in Betrieb genommen werden. Bis 2045 wird ein schneller Ausbau von Wärmenetzen, der Austausch aller fossilen Heizungen und eine Erhöhung der Sanierungsrate auf 1,75 % angenommen. Die Anzahl von Wärmepumpen im Jahr 2045 ist mit 14 Millionen nahezu die gleiche wie bei der BDI-Studie.
Die BDI-Studie ist bei den energetischen Gebäude-Sanierungsraten sehr anspruchsvoll. Von jährlich 1,1 % für alle Gebäude wächst die Rate auf 2,1 % im Jahr 2045. Die AGORA-Studie nimmt für das Jahr 2030 eine gegenüber 2015 um etwa 50 % erhöhte Sanierungsrate von 1,6 % und für 2045 eine Rate von 1,75 % an.
Entwicklung der Wärmeversorgung in Hamburg bis zum Jahr 2045
Für einen quantitativen Vergleich der Konzepte Wärmepumpen-Heizung bzw. Wasserstoff-Heizung in Hamburg wird hier auf eine Hamburg-spezifische Studie zurückgegriffen. Sie wurde vom Beratungsunternehmen Ecofys für die Ende 2019 verabschiedete erste Fortschreibung des Hamburger Klimaplans ausgearbeitet.
In dieser Studie geht es um die Reduzierung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor Hamburgs bis zum Jahr 2050. Unterschieden wird zwischen einem Szenario BAU („Business as usual“) und einem ambitionierteren Szenario ZE („Zusätzliche Effizienz“).
Bild 5 zeigt eine Projektion des Endenergieverbrauchs für Raumwärme und Warmwasser im Szenario BAU. In Bild 6 wird Entsprechendes für das Szenario ZE wiedergegeben.
In beiden Bildern wird für die Wärmeversorgung nicht nur Erdgas und Heizöl, sondern auch Fernwärme berücksichtigt. Wärmepumpen spielen in beiden Ecofys-Szenarien noch eine untergeordnete Rolle. Inzwischen raten die meisten Experten wie in der BDI-Studie und der AGORA-Studie zu einem sehr beschleunigten Einsatz von Wärmepumpen.
Für das Szenario BAU wurde eine Entwicklung angenommen, die auf den im Jahr 2019 geltenden gesetzlichen Vorgaben des Bundes und der Stadt Hamburg beruhte. Offensichtlich wird in diesem Szenario bis 2050 bei weitem keine Klimaneutralität erreicht. Der Jahres-Verbrauch von Erdgas und Heizöl sinkt hier von 2020 bis 2050 von 12,0 TWh nur auf 6,5 TWh. 2050 wird immer noch ein Anteil des Endenergieverbrauchs für die Gebäudewärme von 43 % mit diesen fossilen Energieträgern abgedeckt.
Im ambitionierteren Szenario ZE geht dagegen der Jahres-Verbrauch von Erdgas und Heizöl von 11,4 TWh im Jahr 2020 auf 2,9 TWh im Jahr 2050 zurück bei einem verbleibenden Anteil von Erdgas und Heizöl an der Gebäudewärme von 23 %.
Zu den Unterschieden zwischen diesen beiden Szenarien trägt bei, dass beim Szenario BAU eine jährliche Gebäude-Sanierungsrate von 1,1 % für alle Wohngebäude und von 0,8 % für alle Nichtwohngebäude angesetzt wurde, beim Szenario ZE dagegen eine allgemeine Sanierungsrate von 2,0 % pro Jahr und von 3,0 % pro Jahr für öffentliche Gebäude. Von Bedeutung sind aber auch der stärkere Ausbau der Fernwärme, bessere Neubau- und Sanierungsqualitäten sowie der Ersatz fossiler Brennstoffe wie Erdgas und Heizöl durch erneuerbare Energien im Szenario ZE. Damit wird bei diesem Szenario zwischen 2020 und 2050 eine Endenergieeinsparung von 26 % erreicht gegenüber 15 % beim Szenario BAU.
Das Szenario BAU ist inzwischen noch deutlicher überholt als bereits im Jahr 2019. Das ambitioniertere Szenario ZE kann eher als Diskussionsgrundlage dienen. Allerdings wurde das Szenario ZE mit dem Ziel einer CO2-Reduktion von 80 % im Jahr 2050 gegenüber 1990 für den Bereich „Raumwärme und Warmwasser“ entwickelt, während gegenwärtig als Ziel Klimaneutralität bereits bis 2045 vorgegeben ist.
Die Planung der Gasnetz Hamburg GmbH für die nächsten 20 Jahre ähnelt dem Ecofys-Szenario BAU. Deklaratorisch will die Gasnetz Hamburg GmbH die Stadt Hamburg dabei unterstützen, das Ziel Klimaneutralität schon bis 2045 zu erreichen. Erdgas und Heizöl sollen daher kurz vor 2045 vollständig durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzt werden. Zu Grunde liegt dabei eine überaus optimistische Einschätzung der Menge an preisgünstigem grünen Wasserstoff, die in zwanzig Jahren verfügbar sein soll. Dass in der Zwischenzeit noch sehr viel fossiles Erdgas und Heizöl verbrannt werden würde, wird von der GNH in Kauf genommen.
Tabelle 1 zeigt erwartete Endenergieverbräuche im Jahr 2050 für Raumwärme und Warmwasser in Hamburg im Vergleich zum Jahr 2019 (Spalte 1). Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas) führte zur Ermittlung von „Wasserstoff Erzeugung und Bedarf“ eine Marktabfrage für den „Szenariorahmen 2022 bis 2032“ durch. In ihrer Projektmeldung gab die Gasnetz Hamburg GmbH eine Energiemenge von 9,6 TWh Wasserstoff im Jahr 2050 für ihr von Erdgas auf Wasserstoff umzustellendes Verteilnetz an, nach Endenergie erheblich mehr als für Erdgas und Heizöl in den Ecofys-Szenarien. In dieser Bedarfsmeldung soll allerdings auch ein Anteil Wasserstoff für die Mobilität enthalten sein, den die GNH ebenfalls verteilen will.
Der Wasserstoff-Bedarf des Industrienetzes HH-WIN von 1,51 TWh im Jahr 2050 gemäß der GNH-Projektmeldung ist im angemeldeten Verteilnetzbedarf von 9,6 TWh nicht enthalten. Die GNH scheint bei ihrer Bedarfsmeldung also anzunehmen, dass die in ihrem Verteilnetz transportierte Energiemenge in Form von Wasserstoff im Jahr 2050 nicht geringer ist als im Jahr 2020, obwohl nach den Ecofys-Szenarien der Endenergiebedarf für das Heizen sinken und der Anteil der Fernwärme in Hamburg steigen soll.
Das Elektrifizierungs-Szenario für die Wärmeversorgung in Hamburg
Die Projektionen der Ecofys-Studie beruhen auf Verbrauchsdaten von 2015. Inzwischen liegen entsprechende Daten für 2019 vor (siehe Bild 2). 47 Prozent der Wärme für Heizung und Warmwasser wurden im Jahr 2019 in Hamburg in den Sektoren Haushalte und GHD mit Erdgas erzeugt (7,4 TWh), 15 Prozent mit Heizöl (2,4 TWh). In den Bildern 5 und 6 sind alle Beiträge zum Endenergieverbrauch für Gebäudewärme dargestellt, vor allem auch der Anteil der Fernwärme, der in Hamburg beträchtlich größer ist als im Durchschnitt der BRD (vgl. Text bei Bild 2).
Ein gegenüber dem Ecofys-Szenario ZE aktualisiertes Szenario wird hier als Elektrifizierungs-Szenario bezeichnet (Bild 7). Tabelle 2 enthält dessen Verbrauchswerte in Fünf-Jahresabständen. Im Gegensatz zu den Ecofys-Szenarien wurde vor allem der gewachsenen Rolle von elektrischen Wärmepumpen Rechnung getragen. Beim Ausbau der Wärmeversorgung mit Wärmenetzen und bei der Steigerung der energetischen Sanierung ist das Elektrifizierungs-Szenario nicht ganz so ambitioniert wie das Ecofys-Szenario ZE. Im Elektrifizierungs-Szenario sinkt der gesamte Endenergieverbrauch für Raumwärme und Warmwasser von 2020 bis 2045 nur um 23 Prozent, während im Ecofys-Szenario ZE 26 Prozent und im Ecofys-Szenario BAU 14 Prozent angenommen wurden.
Der durch Wärmepumpen bereitgestellte Energieverbrauch steigt im Elektrifizierungs-Szenario bis 2045 auf 5,4 TWh pro Jahr im Vergleich zu 1,1 TWh pro Jahr im Szenario BAU und 0,8 TWh pro Jahr im Szenario ZE.
Die Wärmeversorgung mit Wärmenetzen wächst bis zum Ende des dargestellten Zeitintervalls im Elektrifizierungs-Szenario auf einen Anteil von 52 Prozent, im Szenario ZE auf 60 Prozent und im Szenarien BAU auf 43 Prozent. Das Elektrifizierungs-Szenario entspricht damit den Ausbauplänen des Hamburger Klimaplans und der Wärme Hamburg GmbH, die für 2030 schon 35 Prozent statt 25 Prozent Marktanteil für die leitungsgebundene Wärmeversorgung in Hamburg vorsehen.
Erdgas und Heizöl, zu denen im Szenario ZE im Jahr 2050 noch 2,9 TWh gehören, umfassen nach Tabelle 2 im Elektrifizierungs-Szenario im Jahr 2045 nur noch 0,55 TWh. Dafür könnte auch Biomethan eingesetzt werden. Auch der Anteil an Wärme aus Biomasse ist im Elektrifizierungs-Szenario erheblich kleiner als in den Ecofys-Szenarien.
Falls der von Wärmenetzen versorgte Anteil bis zum Jahr 2045 nicht im vorgesehenen Umfang steigt und der gesamte Endenergieverbrauch nicht wie im Elektrifizierungs-Szenario abnimmt, lässt sich in erster Linie ein Ausgleich durch Erhöhungen bei der Wärme aus Wärmepumpen vorsehen.
Erneuerbare Energie in Hamburgs Wärmeversorgung
Bild 8 verdeutlicht den Unterschied zwischen dem Elektrifizierungs-Szenario (Bild 7) und einem an die Planung der Gasnetz Hamburg GmbH angepassten Szenario, das als Wasserstoff-Szenario bezeichnet werden soll. Im Wasserstoff-Szenario werden ähnlich wie im Ecofys-Szenario BAU Wärmenetze langsamer ausgebaut und wesentlich weniger Wärmepumpen als im Elektrifizierungs-Szenario eingesetzt, während dem Erdgasnetz für zwei Jahrzehnte eine energetisch geringfügige Menge Wasserstoff beigemischt wird.
Die GNH will mindestens bis 2040 bei einer Beimischung von 20 bis 30 Prozent Wasserstoff bleiben, obwohl der entsprechende energetische Anteil unerheblich ist. Zur Frage einer höheren Beimischung als 20 Volumen-Prozent schreibt nämlich sogar die besonders Gas-orientierte Deutsche Energie-Agentur dena in ihrer Leitstudie für Klimaneutralität bis 2045: „Es wird davon ausgegangen, dass für Beimischungen von mehr als 20 Vol.-% eine vollständige Umstellung des Verteilnetzabschnittes auf Wasserstoff kostengünstiger ist als eine kontinuierlich zunehmende Beimischung.“
Aus den Verbrauchsdaten des Elektrifizierungs- und des Wasserstoff-Szenarios lässt sich in Verbindung mit dem zunehmenden Anteil an erneuerbarem Strom am Strommix der BRD auf die jeweiligen Anteile an erneuerbarer, klimafreundlicher Wärme für die Summe der Sektoren Haushalte (PHH) und Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) in Hamburg schließen. Bild 9 zeigt das Sinken der spezifischen CO2-Emissionen für mit Wärmepumpen gewonnene Gebäudewärme.
Gegenwärtig ist der Anteil erneuerbarer und annähernd klimaneutraler Wärme für Haushalte und GHD nach Bild 8 sehr gering. Er wächst zwischen 2025 und 2030 in beiden Szenarien vor allem durch den Ersatz für die Kohleverbrennung in den Heizkraftwerken Wedel und Tiefstack. In beiden Szenarien wird damit gerechnet, dass um das Jahr 2035 Erdgas in der Fernwärmeerzeugung mehr und mehr durch grünen Wasserstoff ersetzt werden wird, auch beim Gas- und Dampfkraftwerk Tiefstack. Bild 8 beschränkt sich auf Gebäudewärme. Daher spielt es keine Rolle für die Kurven, dass in beiden Szenarien in der im Hafen angesiedelten Industrie Erdgas und Erdöl durch Wasserstoff ersetzt werden sollen.
Beim Elektrifizierungs-Szenario werden zur Erreichung der Klimaschutzziele Erdgas und Heizöl zügig durch Strom in Wärmepumpen ersetzt. Da spätestens ab dem Jahr 2035 für den Antrieb der Wärmepumpen mit vollständig erneuerbarem Strom zu rechnen ist, steigt der Anteil der erneuerbaren Wärme in diesem Szenario kontinuierlich an.
Nach der Planung der Gasnetz Hamburg GmbH wird ab etwa 2025 in zunehmenden Teilen des Gasnetzes Wasserstoff dem Erdgas beigemischt – dabei bis etwa 2035 auch nicht klimaneutraler Wasserstoff. Erst gegen Ende des betrachteten Zeitraums ist im Wasserstoff-Szenario eine völlige Umstellung auf grünen Wasserstoff vorgesehen. Hier nimmt daher der Anteil erneuerbarer Wärme nach 2030 erheblich weniger zu als im Elektrifizierungs-Szenario.
Dem Ziel des Koalitionsvertrags der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 die Hälfte der Wärme in der Deutschland klimaneutral zu erzeugen, werden beide Szenarien für Hamburg nicht gerecht. Während beim Elektrifizierungs-Szenario 50 % im Jahr 2036 erreicht werden, liegt dieser Zeitpunkt beim Wasserstoff-Szenario erst im Jahr 2043, also kurz vor dem Zieljahr für die Klimaneutralität.
Voraussetzungen für die Klimaneutralität im Jahr 2045 sind im Elektrifizierungs-Szenario, dass sowohl die Wärme in den Wärmenetzen als auch der Strom, der im sehr stark ausgebauten Wärmepumpen-Bereich eingesetzt wird, klimaneutral erzeugt werden. Beides erscheint aus heutiger Sicht realisierbar. Eine baldige direkte Elektrifizierung verspricht daher rasche Emissionsminderungen im Sinne der internationalen und nationalen Klimaziele.
Im „Klimaschutz-Sofortprogramm“ von AGORA wird festgestellt, dass die vorgesehene Senkung des Strompreises und die Erhöhung des CO2-Preises eine zu geringe Anreizwirkung entfalten würden und daher eine Verstärkung dringend erforderlich sei, kombiniert mit einem sozialen Ausgleich sowie Umstiegshilfen von Öl und Gas in Richtung Wärmepumpen und Elektromobilität. In einer Finanzbedarfs-Studie, ebenfalls von AGORA, wurde für die Förderung von jährlich 400.000 Wärmepumpen in der BRD ein durchschnittlicher Zuschuss von 5.000 Euro angenommen. Ab 2025 sollten die Fördersätze wegen Kostenreduktionen sukzessive absinken können.
Ob im Sinne des Wasserstoff-Szenarios bis zum Jahr 2045 grüner und bezahlbarer Wasserstoff für Heizungszwecke in ausreichendem Umfang verfügbar sein wird, ist sehr fraglich. Es dürfte sich hierbei im Wesentlichen um importierten Wasserstoff handeln. Voraussagen über den Weltmarkt von Wasserstoff zu diesem Zeitpunkt gehen sehr weit auseinander.
Zu Einwänden von Gasnetz Hamburg gegen die Elektrifizierung
Die Gasnetz Hamburg GmbH (GNH) erklärt in ihrer Rückmeldung auf eine Marktkonsultation der Bundesnetzagentur, Strom könne Gas in einer Großstadt nicht komplett ersetzen. Insbesondere sei eine Versorgung des Wärmesektors in einer Großstadt wie Hamburg über einen „All-Electric-Ansatz“ nicht realisierbar. Aufgrund der begrenzten Flächen und der eingeschränkten Baumöglichkeiten im Stadtgebiet werde es auch langfristig im Gebäudebestand notwendig sein, einen großen Teil der Haushaltskunden mit Gas zu versorgen.
Das hier beschriebene Elektrifizierungs-Szenario entspricht nicht einem konsequenten All-Electric-Ansatz. Nach der für das Europäische Parlament ausgearbeiteten Studie „Decarbonisation of Energy“ wird mit „All-electric world“ ein Extrem-Szenario bezeichnet, bei dem Wasserstoff nur eine Nischenrolle spielt. Im vorliegenden Elektrifizierungs-Szenario wird dagegen grüner Wasserstoff auch zur Erzeugung von Wärme in Wärmenetzen eingesetzt, wo dies in einem integrierten Wärmekonzept günstiger ist als Alternativen wie der Einsatz von grünem Strom. Zur Überbrückung von kalten Dunkelflauten und bei Lastspitzen wird gespeicherter Wasserstoff in nur kurzzeitig genutzten Gaskraftwerken (Backup-Kraftwerken) verstromt.
Die GNH argumentiert, bei einem Verbrauch von 20 TWh Erdgas pro Jahr in Hamburg könne eine komplette Elektrifizierung mit Hilfe des Hamburger Stromnetzes, das nur 12 TWh pro Jahr transportiere, nicht stattfinden. Die von der GNH genannten Werte sind missverständlich. Eine Bereinigung der von der GNH genannten Energieflüsse zeigt: Für die Erzeugung von Gebäudewärme wurden im Jahr 2019 nur 11,0 TWh in Form von Erdgas und Heizöl eingesetzt (Bild 2). Der Einsatz in Wärme-Heiz(kraft)werken ist darin enthalten. Haushalte (PHH) und GHD bezogen 7,4 TWh Erdgas und 2,4 TWh Heizöl. PHH und GHD verbrauchten elektrischen Strom im Umfang von 6,8 TWh.
Durch die Verringerung des Wärmebedarfs, den Ausbau der Wärmenetze und durch den nahezu vollständigen Ausstieg aus Erdgas und Heizöl bleiben nach Tabelle 2 im Jahr 2045 im Elektrifizierungs-Szenario noch 5,4 TWh Wärme, die mit Wärmepumpen erzeugt werden sollen. Wenn bei diesen Wärmepumpen 3 kWh Wärme mit 1 kWh Strom bereitgestellt werden, so geht es um einen zusätzlichen Strombedarf von 1,8 TWh, also um eine Erhöhung von 27 Prozent. Hieraus sollten sich keine Probleme durch eine Überlastung des Stromnetzes ergeben.
Bei besonders tiefen Außentemperaturen kann mit Luft/Wasser-Wärmepumpen aus 1 kWh Strom nur etwa 1,5 kWh Wärme gewonnen werden. Damit vergrößert sich in diesen seltenen Zeitabschnitten die zusätzlich notwendige Stromleistung kurzzeitig auf etwa das Doppelte der normalen, also auf gut 50 Prozent.
Mit Abschnitt 3.3.4 der Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ kann dem noch gegenüberzustellt werden, dass der Stromverbrauch von Wärmepumpen im Vergleich zu 2019 zwar erheblich ansteigen wird, beim gesamten Stromverbrauch auf Grund von Effizienzgewinnen bei anderen Stromverbrauchern in Haushalten und GHD bis 2045 aber auch Reduzierungen gegenüberstehen (Bild 10).
Durch den Ausstieg aus Erdgas und Heizöl und den Hochlauf von Wärmepumpen wird das Stromnetz in Hamburg bis 2045 nach und nach in mäßigem Umfang stärker belastet werden als heute. Nach dem vollen Ausbau von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen wird nach Bild 10 der Ladestrom das Stromnetz deutlich mehr beanspruchen als der Einsatz von Wärmepumpen. Ein integriertes Wärmekonzept, das außer dem Strom für Wärmepumpen auch den Ladestrom für Fahrzeuge mit Elektro-Antrieb berücksichtigt, wird auch noch Flexibilitäts-Entwicklungen bei der Eigenerzeugung von Strom, bei Stromspeichern, lastvariablen Tarifen und Bedarfsmanagement berücksichtigen müssen.
In einer Studie der Fraunhofer IEE werden die Auswirkungen eines Elektrifizierungs-Szenarios auf die Stromversorgung in diesem Sinne ausführlich diskutiert. Als Ladeleistungen für die Beladung eines einzelnen Autos werden für Hausladestationen gegenwärtig 11 kW oder 22 kW angesetzt. Die Anschlussleistungen für Wärmepumpen liegen im Einfamilienhausbereich bei etwa 3 bis 5 kW. Ähnliche Verhältnisse bei den Stromverbräuchen finden sich im Szenariorahmen 2022 – 2037 der Bundesnetzagentur. Unterschiede zwischen mit Wärmepumpen beheizten unsanierten, teilmodernisierten und vollsanierten Einfamilienhäusern zeigt Abb. 34 einer Studie des ifeu. Dazu kommt, dass der Hochlauf der Elektroautos schneller vor sich gehen soll als der Hochlauf der Wärmepumpen vor sich gehen dürfte. Das alles zeigt, dass die GNH sich stärker über den Strombedarf von Elektro-Fahrzeugen als den von Wärmepumpen Gedanken machen müsste.
Aus der Diskussion über die Lage von urbanen und von dezentralen Zonen in der Ecofys-Studie lässt sich ableiten, dass es keine überzeugenden Gründe gibt, weshalb ein großer Teil der Haushaltskunden auf Dauer mit Gas für Raumwärme und Warmwasser versorgt werden müsste, wie die Gasnetz Hamburg GmbH behauptet. Unterhalb von Wärmedichten von 30 kWh pro m² Gebäude-Grundfläche (gelb und grün in Bild 11), wo sich Wärmenetze weniger eignen, können Wärmepumpen eingesetzt werden. Oberhalb ist eine Wärmeversorgung mit Fernwärme oder Nahwärme in Quartieren angebracht.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die relativ kleine Anzahl so genannter „schwieriger Gebäude“ mit Dämmrestriktionen wie Denkmalschutz oder unzureichenden Anschluss-Möglichkeiten an Wärmequellen. Für ihre Wärmeversorgung kommen feste Biomasse, Biogas, Wasserstoff, synthetische Brennstoffe und Direktstromheizungen in Frage.
Die GNH weist in ihrer Rückmeldung gegenüber der Bundesnetzagentur darauf hin, dass die von ihr vorgeschlagene Umrüstung des Gasnetzes auf zunächst beigemischten und später vollständigen Wasserstoff volkswirtschaftlich sinnvoll sei, „da auf diese Weise bereits vorhandene Investitionen einer versorgungssicheren Energie-/Gasinfrastruktur weiter genutzt werden können“.
Für den relativ kleinen Teil der umgewidmeten Gasleitungen im Hamburger Hafen, mit denen industrielle Wasserstoff-Nutzer versorgt werden sollen, ist das richtig. Beim Großteil des heute betriebenen Erdgas-Verteilnetz wären bei einer Umsetzung der Wasserstoff-Pläne der GNH die volkswirtschaftlichen Schäden erheblich größer als der Wert der Gasverteilungs-Infrastruktur. Zum einen geht es um die Kosten einer hochgradig ineffizienten Versorgung von Heizungen mit Wasserstoff, die einen zusätzlichen Ausbau der Erzeugung von erneuerbarem Strom zur Voraussetzung hätte, zum anderen geht es entsprechend Bild 8 um die nicht eingehaltenen Klimaziele. Auch bei der Stilllegung von Kohlekraftwerken, die sich gegenwärtig und in der nächsten Dekade vollzieht, mussten und müssen zur Abwendung von Klimaschäden noch nicht vollständig abgeschriebene Infrastrukturen stillgelegt werden.
Es ist daher davon auszugehen, dass es der Gasnetz Hamburg GmbH gar nicht so sehr um die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit geht, sondern vor allem um den eigenen betriebswirtschaftlichen Nutzen und dass eine Unterstützung für das Erreichen der Klimaziele nur vorgeschoben wird.
Zukünftige Aufgaben der Gasnetz Hamburg GmbH
Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Erdgas und Erdöl bedeutet für die Gasnetz Hamburg GmbH (GNH), dass sie klimaneutralen Wasserstoff dort verteilt, wo dieser zum Ziel der Klimaneutralität passt. Die GNH hat bereits mit der Planung des Wasserstoffnetzes HH-WIN im Hamburger Hafen begonnen, mit dem in erster Linie Industriebetriebe mit Wasserstoff versorgt werden sollen, die nicht durch den direkten Einsatz von erneuerbarem Strom Klimaneutralität erreichen können. Eine große Anzahl von interessierten Wasserstoff-Projekten existiert bereits. Auch in den Heiz(kraft)werken, die Wärme für die Hamburger Wärmenetze bereitstellen, könnte die GNH in zehn bis zwanzig Jahren Erdgas durch Wasserstoff ersetzen (vergleiche Bild 2). Es wird im Einzelnen zu klären sein, welche kleineren Blockheizkraftwerke ebenfalls mit Wasserstoff betrieben werden und welche besser durch Wärmepumpen ersetzt werden sollten.
Das geplante reine Wasserstoffnetz HH-WIN soll bis 2035 auf eine Länge von 100 km ausgebaut werden. Das heutige Gasverteilnetz mit 7.900 km Länge, das mit 160.000 Anschlüssen 230.000 Unternehmen und Haushalte mit Gas beliefert, ist ungleich ausgedehnter.
Die Wasserstoff-Lieferungen in den Hamburger Hafen werden jedoch wesentlich größer sein, als es dem Verhältnis 100 : 7900 entspricht. Die Angaben zum Umfang gehen allerdings noch weit auseinander: Die GNH gab zum Wasserstoffnetz HH-WIN an, in der ersten Ausbaustufe bis 2030 könnte schon eine Erdgas-Energiemenge von derzeit jährlich rund 6,4 TWh abgelöst werden. In ihrer Projektmeldung gab die GNH aber nur einen Wasserstoff-Bedarf des Industrienetzes HH-WIN von 1,51 TWh im Jahr 2050 an. In der ZEIT wurden für 2030 nach GNH-Quellen rund 2,0 TWh Wasserstoff als Erdgas-Ersatz angegeben. Das sind entsprechend Bild 2 nur 62 Prozent des von der Industrie 2019 abgenommenen Erdgases und 11 Prozent des gesamten in Hamburg verbrauchten Erdgases.
Eine Wärmeversorgung der meisten Hamburger Einzelgebäude mit Wasserstoff wäre nach der Einschätzung fast aller unabhängigen Experten hochgradig ineffizient, dazu für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher nach einer Vollkostenermittlung und im Vergleich zu mit erneuerbarem Strom betriebenen Luft/Wasser-Wärmepumpen sehr teuer und sozial unausgewogen. Bei einer Beimischung von 20 Prozent erneuerbarem Wasserstoff, die die Treibhausgasemissionen nur um 7 Prozent senken könnte, wäre schon mit einer Preiserhöhung des Mischgases um 33 Prozent zu rechnen. Wenn grüner Wasserstoff mit Hilfe von Fördermaßnahmen erheblich billiger gemacht werden würde als der grüne Strom, aus dem er hergestellt wird, so wäre das den Abnehmern kaum zu vermitteln.
In betriebswirtschaftlicher Hinsicht finden sich für die Wasserstoff-Beimischungs-Strategie der Gasnetz Hamburg GmbH beträchtliche Kosten, die den alternativen Kosten der Elektrifizierungs-Strategie gegenübergestellt werden müssen.
Nach der im Auftrag des Umweltbundesamtes ausgearbeiteten „Roadmap Gas für die Energiewende“ wäre beim Wasserstoff-Szenario für die Umwidmung des Erdgas-Verteilnetzes auf ein Wasserstoff-Verteilnetz für die von der GNH angemeldete Wasserstoffmenge mit Kosten von rund 100 bis 180 Mio. Euro zu rechnen. Im Vergleich zu den 50 Mio. Euro, die die GNH jährlich in ihr Gasnetz investiert, ergäbe sich hieraus eine bedeutende Erhöhung der Gasnetzgebühren. Dazu kämen die Kosten für die Umrüstungsmaßnahmen an den Verbrauchsstellen. Weiter wäre mit Versorgungsunterbrechungen von mehreren Wochen und dem zeitgleichen Umstellen vieler Verbrauchsstellen zu rechnen. Die Studie Wasserstoff-Strategie 2.0 des Öko-Instituts warnt vor einer Anhäufung von Fehlinvestitionen bei Fortsetzung dieser Wasserstoff-Strategie.
Eine Abwanderung von Kundinnen und Kunden könnte in die schon beschriebene Kostenspirale führen, die das Risiko einer disruptiven Unternehmensentwicklung einschließt. Zur Abwanderung würde beitragen, dass die Verbraucher zunehmend den gestuften Umrüstungsmaßnahmen auf „H2-ready“ und am Ende auf reinen Wasserstoff ausweichen und letztlich die höheren Vollkosten der Wasserstoff-Versorgung scheuen würden.
Das Elektrifizierungs-Szenario (Bild 7) zeigt, dass für die GNH der Erdgasabsatz in den Sektoren Haushalte und GHD in den nächsten zehn Jahren nur um rund 30 Prozent abnimmt. In Kooperation mit Stromnetz Hamburg und den Hamburger Energiewerken könnte das Roll-out von Wärmepumpen und die simultane Erweiterung der Stromnetz-Infrastruktur von einer Informations-Kampagne der GNH zu bevorstehenden Gasnetz-Teilstilllegungen vorbereitet und begleitet werden.
Eine Reduzierung der Wirtschaftlichkeit wäre in diesem Zeitraum für die GNH voraussichtlich nicht zu erwarten. Durch einen raschen Abschied von der Strategie der Gaslobby könnten erhebliche Kosten für fortgesetzte Investitionen in das Gasnetz vermieden werden, da Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten für Netzteile, die stillgelegt werden sollen, eingespart werden könnten und alle Umstellungskosten auf Wasserstoff-Readiness entfallen würden.
Handlungsbedarf für Bürgerschaft und Senat
Hamburg ist in der günstigen Position, dass die Unternehmen zur Versorgung mit Strom, Erdgas und Fernwärme nach dem Rückkauf kommunal gesteuert und zukunftsfähig umgestaltet werden können. Daher kann die Veränderung der Beiträge zur Wärmeversorgung unter Beachtung der Klimaziele Hamburgs nach einem integrierten Wärmekonzept erfolgen. Die Gasnetz Hamburg GmbH muss sich dabei an den Zielen Hamburgs orientieren und nicht an den Zielen der Erdgas-Lobby, die ihr Geschäft so lange aufrechterhalten will, wie es nur geht.
In großen Städten mit Stadtwerken, in denen die Planung von Strom-, Gas- und Fernwärmenetz unter einem Dach betrieben werden wie in Hannover, ist es naheliegend, dass integrierte Konzepte handlungsleitend sind. In Hamburg sind die entsprechenden Netzunternehmen eigenständiger. Daher müssen Bürgerschaft und Senat stärker steuernd eingreifen.
Nach Drs. 21/16075 vom 5.2.2019 ist gemäß Abschnitt 4.2 alle zwei Jahre die Vornahme von Vertragsanpassungen in dem zwischen dem Hamburger Senat und der GNH abgeschlossenen Wegenutzungsvertrag und der Kooperationsvereinbarung zu prüfen. Die nächste Überprüfung findet zu Beginn des Jahres 2023 statt. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Senat auf Grund der Änderungen der klima- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als zukünftige Aufgabe für eine umweltgerechte leitungsgebundene Versorgung mit Gas (Abschnitt 1.1) anordnen, dass die Pläne zur Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz von der GNH beendet werden und eine kontrollierte Rückführung der Erdgaslieferungen für Heizzwecke eingeleitet wird.
Als Rechtsgrundlage kommt § 2 (1) des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes (HmbKliSchG) in Frage, dessen Ziel es ist, „das Klima zu schützen und einen Beitrag zur Sicherung der Erreichung der Ziele des Übereinkommens von Paris vom 12. Dezember 2015 zu leisten.“ Die jetzigen Wasserstoff-Pläne der GNH stehen in klarem Widerspruch zu diesem Ziel. Die im HmbKliSchG geforderte wirtschaftliche Vertretbarkeit ist gegeben, da eventuelle finanzielle Verluste der GNH durch entsprechende Gewinne bei den Hamburger Energiewerken und der Stromnetz Hamburg GmbH kompensiert werden können. Als übergeordneter rechtlicher Hintergrund wäre das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2021 hinzuzuziehen, das strengere Klimaschutzmaßnahmen forderte, um die Freiheitsrechte für die Zeit nach 2030 zu wahren. Der Übergang zur Klimaneutralität muss daher rechtzeitig eingeleitet werden.
Auch wenn die Voraussetzungen für das angekündigte Roll-out von Wärmepumpen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sehr rasch geschaffen werden, wird für die weitgehende Umsetzung ein längerer Zeitraum benötigt werden. Nach einer Ankündigung, dass in einem bestimmten Stadtteil die Gasversorgung in absehbarer Zeit eingestellt werden wird, muss eine genügend lange Zeitspanne für die Anpassung der Verbraucher zur Verfügung stehen (Größenordnung 15 Jahre wie in Bild 12 – vgl. Drs. 22/6919, Frage 7). Zwar ist die Hälfte der deutschen Heizungen mindestens 15 Jahre alt und damit reif für einen baldigen Austausch, für die andere Hälfte sollte aber ausreichend Zeit für eine akzeptable Amortisation eingeplant werden.
Zudem muss für die Installation zahlreicher Wärmepumpen genügend qualifiziertes technisches Personal zur Verfügung stehen. Hamburgs Bürgerschaft hat bereits mit einem am 15. Dezember 2021 eingebrachten Antrag (Bürgerschafts-Drucksache 22/6762) die Weichen dafür gestellt, dass genügend Fachkräfte ausgebildet werden, die das nötige Know-how zu Wärmepumpen besitzen.
In diesem Antrag wird die Bedeutung von Wärmepumpen für die Wärmeversorgung Hamburg adäquat beschrieben: „Elektrische Wärmepumpen, die mit Solar- und Windstrom betrieben werden, schützen das Klima und stellen eine kostengünstige Heizmethode dar. Mittlerweile stellen Wärmepumpen zudem auch in Bestandsgebäuden und gegebenenfalls sogar in denkmal-geschützten Altbauten eine gute Alternative zu fossilen Erdgaskesseln dar.“ … „Mehrere Studien (AGORA 95, BDI-95, dena EL-95) gehen davon aus, dass für einen klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland bis zu 17 Millionen Wärmepumpen notwendig sein werden.“
Aus Bild 12 geht hervor, dass keine Zeit mehr verloren werden darf, bis Stadtteile wie Einfamilienhaus-Gebiete, die sich offensichtlich für ein Roll-out von Wärmepumpen eignen, zu Elektrifizierungs-Gebieten erklärt werden. In vielen Hamburger Quartieren, die sich nicht für eine Wärmenetz-Versorgung eignen, sollte keinesfalls bis zum Ende der Projektlaufzeit des bis 2026 laufenden Forschungsprojekts iNEP gewartet werden, bis eine Planungsmethodik, ein Planungsmodell und ein entsprechendes KI-gestütztes Planungstool entwickelt worden sind, mit denen die Energieströme in den drei Netzen Strom, Gas und Wärme genau aufeinander abgestimmt werden können. Durch bloßes Warten auf die angekündigte „Roadmap“ würde unnötigerweise wertvolle Zeit verschenkt und es würde aus Zeitgründen zunehmend schwieriger und kostenträchtiger, die Klimaziele im Gebäudesektor Hamburgs zu erreichen. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung würden zu wenig Unterstützung finden. Ein von den in Berlin regierenden Grünen erarbeitetes „Sofortprogramm“ für mehr Klimaschutz sollte nicht von den regierenden Grünen in Hamburg ausgebremst werden. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der GNH ist der grüne Umweltsenator.
Für die Kundinnen und Kunden von Gasnetz Hamburg ist es von großer Bedeutung, dass sie frühzeitig beteiligt werden und in möglichst naher Zukunft erfahren, ob und ab wann in ihrem Stadtteil die Versorgung mit Erdgas eingestellt und das Erdgas-Teilnetz stillgelegt werden wird. Je länger diese Informationspflicht hinausgeschoben wird, umso mehr drohen Fehlinvestitionen beim Gasnetz, beim Gas-Vertrieb und bei den Abnahmestellen.
Beim Ausbau der Fernwärme kann sich Hamburg nach dem Ausstieg aus der Kohleverbrennung in der Fernwärmeerzeugung an Hannover orientieren, das beabsichtigt eine Nutzungspflicht für Fernwärme einzuführen, die Anfang 2023 in Kraft treten soll. Das Hamburgische Klimaschutzgesetz unterstützt bereits Anschluss- und Benutzungsgebote nach § 8.
Ergebnisse
Die Planung der Gasnetz Hamburg GmbH, im Hamburger Hafen das Verteilnetz HH-WIN für reinen Wasserstoff aufzubauen, entspricht der von der Bundesregierung vorgegebenen Strategie, wenn in Verfahren und Produktionsprozessen, bei denen ein direkter Einsatz von erneuerbarem Strom nicht möglich ist, Kohle und Erdöl durch klimafreundlichen Wasserstoff abgelöst werden. Etwa ein Drittel des gegenwärtig in Hamburg eingesetzten Erdgases soll so mit einer klimaneutralen Perspektive ersetzt werden können.
Erdgas- und Ölheizungen sollten bis 2045 zügig durch Wärmepumpenheizungen oder klimafreundliche Fernwärme ersetzt werden. Der Ersatz von Erdgas in den Fernwärme-Erzeugungsanlagen durch Wärmepumpen und grünen Wasserstoff sollte frühzeitig durchgeführt werden. Die volkswirtschaftlichen Vorteile einer begleitenden Gebäudesanierung sollten dabei beachtet werden. Denn geringe Gebäudeeffizienz erfordert besonders hohe Anstiege der Erzeugung erneuerbaren Stroms.
Die Vorbereitung der Gasnetz Hamburg GmbH auf eine Umstellung des Hamburger Erdgas-Verteilnetzes aus Wasserstoffheizungen führt auf einen Irrweg. Diese Pläne stehen in klarem Widerspruch zu den Zielen der Bundesregierung. Sie beachten nicht deren Vorgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die vorgesehene Beimischung von geringfügigen energetischen Anteilen von Wasserstoff zum Erdgas ist nicht vereinbar mit der Forderung der Bundesregierung, ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betreiben zu lassen. Ebenso wenig mit dem Ziel, 50 Prozent der Wärme bis 2030 klimaneutral zu erzeugen.
Die Beimischungspläne sehen beträchtliche finanzielle Aufwendungen für den Netzumbau und für Anpassungsmaßnahmen bei den Erdgasverbrauchsstellen vor, die sich sehr wahrscheinlich längerfristig als verlorene Investitionen erweisen werden. Sie bergen ein großes Risiko für ein disruptives Ende des Unternehmens Gasnetz Hamburg GmbH. Eine Spirale von wachsenden Netzgebühren, die von immer weniger Erdgas-Abnahmestellen zu tragen ist, ist ausgesprochen unsozial.
Eine Kooperation der Gasnetz Hamburg GmbH in einer gemeinsamen Wärmestrategie mit Stromnetz Hamburg und mit den Hamburger Energiewerken, die nach dem oben erläuterten Elektrifizierungs-Szenario den konsequenten Ersatz von Erdgas und Heizöl durch Wärmepumpen und Fernwärme vorsieht, ist auch für die Weiterentwicklung des Unternehmens Gasnetz Hamburg ein besserer Weg als das Bündnis mit der Erdgaslobby. Dabei muss der Umsetzung der Klimaziele Hamburgs Vorrang vor kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen des Unternehmens eingeräumt werden.
Planungen und Investitionen zur Vorbereitung des Hamburger Gasnetzes auf eine Wasserstoff-Beimischung sollten daher unverzüglich beendet werden. Durch jahrelanges Warten auf die Fertigstellung des Planungswerkzeugs iNEP würde wertvolle Zeit für den Klimaschutz verloren gehen. Hamburg braucht möglichst bald den Einstieg in ein kontinuierlich fortentwickeltes Konzept, aus dem hervorgeht, wann welche Teile des Gasnetzes stillgelegt werden. Denn den betroffenen Erdgas-Nutzerinnen und -Nutzern muss ausreichend Zeit eingeräumt werden, für ihre Heizungen einen klimaneutralen Weg einzuschlagen. Dem Ariadne-Projekt folgend geht es dabei um ein „Durchstarten trotz Unsicherheit“ mit Entscheidungen für No-Regret-Maßnahmen.
In den dezentralen Zonen Hamburgs muss die Gasnetz Hamburg GmbH mit Stromnetz Hamburg kooperieren, damit sowohl Ladestrom für elektrisch angetriebene Fahrzeuge als auch Wärmepumpenstrom in ausreichendem Umfang geliefert werden können.
In den urbanen Zonen werden in der Regel die Hamburger Energiewerke der Gasnetz Hamburg GmbH vorgeben können, wo und wann die Erdgasversorgung auf eine Versorgung mit Fernwärme umgestellt werden sollte – verbunden mit ausreichenden Fristen für die zukünftigen Fernwärme-Kundinnen und -Kunden. In Fernwärme-Vorranggebieten sollte neue dezentrale Wärmeversorgung wie Wärmepumpen von Hamburg nicht gefördert werden.
Die Bürgerschaft und der Senat Hamburgs müssen die Kooperationsvereinbarung mit der Gasnetz Hamburg GmbH anpassen, die Umstellung von Erdgas, Heizöl und Direktheizstrom auf Wärmepumpen und Wärmenetze tatkräftig durch Information, Beteiligung und Förderung unterstützen und dafür sorgen, dass ausreichend qualifizierte Fachkräfte für den Umbau bereitstehen. Je erfolgreicher Hamburg bei der Zielsetzung einer höheren Quote an energetischen Gebäude-Sanierungen ist, umso kostengünstiger wird die klimaneutrale Wärmeversorgung werden.
- Februar 2022
Prof. Dr. Dietrich Rabenstein