Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Das Dilemma der Gasnetz Hamburg GmbH

| Keine Kommentare

Hier als pdf-Datei

Nur noch 24 Jahre bis zum Ende des Erdgas-Ausstiegs

Das Unternehmen Gasnetz Hamburg GmbH (GNH), das seit dem 1. Januar 2018 wieder vollständig der Stadt Hamburg gehört, will einen großen Teil der in Hamburg mit Erdgas beheizten Gebäude sukzessive auf eine Beheizung mit Wasserstoff umstellen. Dazu soll dem Erdgas im Hamburger Gasverteilungsnetz in den nächsten 25 Jahren immer mehr Wasserstoff beigemischt werden.

Die Gasnetz Hamburg GmbH besitzt und betreibt ein 7.900 km langes Gasverteilnetz mit 160.000 Anschlüssen. 230.000 Unternehmen und Haushalte werden mit Gas beliefert. Zurzeit wächst das Gasverteilunternehmen. Zum Zeitpunkt des Rückkaufs des Gasnetzes am 1. Januar 2018 wurden noch 7.300 km Netzlänge und 150.000 Anschlüsse angegeben.

E.ON erhielt beim Kauf für seinen 74,9-Prozent-Anteil 275 Mio. Euro. Somit belief sich der damalige Unternehmenswert auf 369 Mio. Euro. Für das Jahr 2020 führte das Unternehmen einen Gewinn von 17,2 Mio. Euro an die Stadt Hamburg ab bei einer transportierten Erdgas-Energiemenge von 20,03 Terawattstunden.

Mit einer Änderung des deutschen Klimaschutzgesetzes, die am 31. August 2021 in Kraft trat, wurde anstelle des Jahres 2050 das Jahr 2045 als Ziel für die Treibhausgasneutralität Deutschlands verankert. Das bedeutet, dass innerhalb der nächsten 24 Jahre auf die Verbrennung von fossilem Erdgas weitgehend verzichtet werden muss. Bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken (vorher um 55 Prozent). Damit steht die Gasnetz Hamburg GmbH vor dem großen Problem, innerhalb der nächsten 24 Jahre die Verteilung von Erdgas in ihrem Netz weitgehend beenden zu müssen. Wozu wird das Gasnetz dann noch gebraucht werden?

Ein stark schrumpfender Markt für fossiles Erdgas

Vorhersehbar ist, dass der Erdgas-Ausstieg eine Entwertung des Gasnetzes zur Folge haben wird, die sich bis zum Ziel einer Klimaneutralität im Jahr 2045 immer weiter zuspitzen kann.

Die Nachfrage nach Erdgas im Wärmesektor wird sich in Hamburg mittelfristig stark verringern und zwar

  • durch den geplanten deutlichen Ausbau der Fernwärmeversorgung in verdichteten Wohn- und Geschäftsbereichen Hamburgs (Bild 1) von 25 Prozent auf 35 Prozent im Jahr 2030 (heutiger Marktanteil der Wärme Hamburg GmbH: 22 Prozent),
  • durch einen beträchtlich wachsenden Anteil an elektrischen Wärmepumpen anstelle von Gasheizungen und
  • durch einen sinkenden Wärmebedarf der Gebäude infolge von energetischen Sanierungen, bei denen außerdem erneuerbare Wärmequellen wie Solarthermie genutzt werden.
Bild 1: Von der Wärme Hamburg GmbH geplantes Wachstum der Fernwärmeversorgung in Hamburg (Quelle: Wärme Hamburg)

Gemäß dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Ariadne-Report zu Deutschlands Klimaneutralität 2045 wird die Nutzung von Ölkesseln für die Gebäudewärme um das Jahr 2040 beendet werden (dunkelgelb in Bild 2). Gaskessel (grau) nehmen bis 2045 sehr stark ab. Im Szenario „Wasserstoff (Import)“ des Reports ist dieser Trend etwas geringer als im Szenario „Technologiemix“, da hier mehr Gaskessel mit synthetisch hergestelltem CO2-neutralem Methan betrieben werden. Der wachsende Anschluss an ein Wärmenetz und der stark zunehmende Einsatz von elektrischen Wärmepumpen sind deutlich zu erkennen.

Bild 2: Heizträgerwechsel in Gebäuden im Zeitintervall von 2020 bis 2045 für die Szenarien „Technologiemix“ und „Wasserstoff (Import)“ nach dem Ariadne-Report „Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045“ (Oktober 2021), Abbildung 3.6.

Der Heizträgerwechsel weg vom Gas bedeutet für Gasnetz Hamburg: Die Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Modernisierungskosten sowie die Kosten für Netz-Umbauten, Stilllegungen und den Rückbau von Leitungsabschnitten des Gasnetzes in Hamburg werden bei schrumpfendem Gas-Absatz auf immer weniger Kunden umgelegt werden müssen.

Eine umfangreiche Studie „Roadmap Gas für die Energiewende“ für das Umweltbundesamt vom April 2019 nahm eine Stilllegung von ein bis zwei Dritteln der Gasverteilungsnetze an.

Auf Herausforderungen durch eine zukünftige Entwertung des mit den Investitionen in ein Gasverteilnetz aufgebauten Kapitalstocks machte das Öko-Institut auf Seite 93 seiner Untersuchung „Wasserstoffstrategie 2.0 für Deutschland“ aufmerksam. Investitionen in Gasnetze würden typischerweise über 55 Jahre abgeschrieben und reichten damit schon heute weit über den Zeitraum hinaus, in dem Deutschland Klimaneutralität erreicht haben soll.

Die Reaktion der Gasnetz Hamburg GmbH

Als Reaktion auf diese Herausforderungen plant die Gasnetz Hamburg GmbH, dem Erdgas zunehmend Wasserstoff beizumischen. Damit soll möglichst viel von dem in Bild 2 dargestellten Heizträgerwechsel vermieden werden.

Allerdings werden sich damit die Kosten pro Einheit Energie zusätzlich zum sinkenden Absatz erhöhen und es wird weiterer finanzieller Anpassungsaufwand bei den Kunden ausgelöst. Dazu kommen zusätzliche finanzielle Belastungen der Kunden in Form von CO2-Kosten aus dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Gasnetz Hamburg befürwortet sogar, wie weiter unten berichtet wird, die Investitionskosten für die geplanten neuen Wasserstoffleitungen im Hafen von allen Kunden des Gasverteilungsnetzes tragen zu lassen.

Alles zusammen wird wohl eine Abwanderung von Kunden auslösen. Die verbleibenden Kunden stehen einer Spirale steigender Kosten gegenüber. Zu befürchten ist, dass Geringverdienende verstärkt zu den Restkunden gehören werden, womit sich soziale Ungleichheiten verschärfen könnten.

Eine Rückmeldung von Gasnetz Hamburg an die Bundesnetzagentur

Viele Einzelheiten der Planungen von Gasnetz Hamburg bis zum Jahr 2050 und wohl auch darüber hinaus finden sich in einer Stellungnahme gegenüber der Bundesnetzagentur (BNetzA). Diese führte im Juli 2020 eine „Marktkonsultation“ zur Regulierung von Wasserstoffnetzen durch. Sie wollte erfahren, ob Betreiber von Gasnetzen, darunter Gasnetz Hamburg, es für wahrscheinlicher halten, dass sich in der BRD ein reines Wasserstoffnetz entwickelt und damit parallel zum bestehenden Gasnetz existiert oder ob es wahrscheinlicher ist, dass vermehrt Wasserstoff ins Erdgasnetz beigemischt wird.

In der Rückmeldung gegenüber der Bundesnetzagentur stellte Gasnetz Hamburg zunächst fest: „Die deutschen Klimaziele erfordern, heute eingesetztes Erdgas durch andere Energieträger wie grüne Gase und Wasserstoff bis zum Jahr 2050 vollständig zu ersetzen.“

Auf der Frage der BNetzA

  1. ) nach reinen Wasserstoffnetzen parallel zum bestehenden Gasnetz oder
  2. ) nach vermehrter Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz

sprach sich GNH für eine vermehrte Beimischung ins Erdgasnetz aus, während zeitgleich bis 2030 reine Wasserstoffnetze für Industrie- und Verkehrsanwendungen gebaut werden sollten, ab 2040 auch für Fernwärme- und Quartiersentwicklungen.

  1. Das im Hamburger Hafen von GNH geplante „Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz“, kurz HH-WIN, soll als reines Wasserstoffnetz bis zum Ende der ersten Ausbaustufe im Jahr 2025 eine Leitungslänge von 20 km, bis 2030 von 60 km und bis 2035 von 100 km besitzen. Das ist einer detaillierten Beschreibung von GNH zu entnehmen. Sehr spät – erst ab 2040 – käme es GNH zufolge in dem im Energiepark Hafen geplanten GuD-Heizkraftwerk und am Fernwärmestandort Tiefstack (bestehendes GuD-Kraftwerk und Ersatz für das Steinkohle-Heizkraftwerk Tiefstack) zu einem Ersatz von Erdgas durch Wasserstoff. Für das HH-WIN, das einen Großteil der Industrieunternehmen im Hafen mit grünem Wasserstoff versorgen können soll, müssten laut GNH „nur erste Trassenabschnitte“ neu errichtet werden. Im weiteren Ausbau bis 2035 könnte zu großen Teilen die bestehende Erdgasinfrastruktur umgewidmet werden. Bis 2030 könnte schon rund ein Drittel des Hamburger Erdgasverbrauchs durch reinen Wasserstoff ersetzt werden. Weitere rund 100 Millionen Kubikmeter Erdgasverbrauch pro Jahr könnten mit den zusätzlichen 40 km Leitungslänge durch klimafreundlichen Wasserstoff abgelöst werden.
  2. Das übrige Hamburger Gasnetz, dem GNH „vermehrt“ Wasserstoff beimischen will, ist rund einhundertmal länger als das geplante Wasserstoffnetz HH-WIN. Laut Rückmeldung der GNH an die BNetzA soll es hier wegen unterschiedlicher Kundenbedarfe voraussichtlich zu einer Aufteilung des heute noch in sich vermaschten Gasverteilnetzes in mehrere unterschiedliche Teilnetze kommen.

Gasnetz Hamburg zum Sinn der geplanten Wasserstoffbeimischung

Als Gründe für „eine Erhöhung der Beimischquote“ von Wasserstoff im Hamburger Gasnetz gab Gasnetz Hamburg in seiner Rückmeldung an die Bundesnetzagentur an:

  • das Erreichen der gesetzten Klimaziele und
  • die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit zur Nutzung klimaschonender Energieträger.

Im Wortlaut der „Rückmeldung“: Die Beimischung von Wasserstoff zum Erdgas „trägt zum Erreichen der gesetzten Klimaziele durch den Einsatz klimafreundlicher Gase in allen Sektoren bei und ist darüber hinaus volkswirtschaftlich sinnvoll, da auf diese Weise bereits vorhandene Investitionen einer versorgungssicheren Energie-/Gasinfrastruktur weiter genutzt werden können, um für Kundensektoren zu relativ geringen zusätzlichen Kosten die Nutzung/Verteilung klimaschonender Energieträger zu ermöglichen. Es sollte zunächst eine Erhöhung der Beimischungsquote (von derzeit max. 10%) auf 20% erfolgen. … Eine Erhöhung der Beimischquote bis beispielsweise 30% ist technisch als auch wirtschaftlich zu prüfen; wir streben für das Gasverteilnetz jeweils die Umsetzung des Maximums der über den DVGW technisch zulässigen Beimischquoten an.“

Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) schreibt in seiner Rückmeldung an die BNetzA, bis zum Jahr 2030 würden 10 Vol.-% ohne Einschränkungen regelwerksseitig verbindlich gelten. „Das Ziel liegt jedoch deutlich höher: 20 Vol.-% erscheinen nach heutigem Kenntnisstand technisch machbar. Wahrscheinlich können einigen Netzteilen sogar noch höhere Wasserstoffanteile zugemischt werden.“ Ansonsten könne nach Erreichen dieser Beimischgrenzen eine weitere Dekarbonisierung über eine (Teil-)Substitution von Erdgas durch grüne Gase wie synthetisches (erneuerbares) Methan oder Biomethan erfolgen. Der DVGW setzt also nicht auf höhere Beimischquoten von Wasserstoff als 20 Vol.-%.

Allerdings ist die Verfügbarkeit von Biomethan sehr begrenzt, allein schon wegen des Flächenbedarfs, und der künftige mögliche Beitrag von Biogas oder Biomethan zum Klimaschutz ist vor allem in der flexiblen Stromerzeugung und nicht in der reinen Wärmeerzeugung zu sehen. Im Vergleich zu direkt genutztem Strom ist die Nutzung von synthetischem Methan für die Wärmerzeugung ineffizient, wie Bild 3 zeigt. Außerdem ist synthetisches Methan teuer. Eine Verfügbarkeit großer Mengen ist zudem noch nicht absehbar.

Bild 3: Stromverbrauch zur Wärmeerzeugung mit dem Einsatz von Wärmepumpen, Elektrokesseln und Power-to-Gas zur Erzeugung von synthetischem Methan (Quelle: BMWi, Strom 2030. Zum Vergleich auch Bild 1 in https://www.hamburger-energietisch.de/die-gasnetz-hamburg-gmbh-will-dem-erdgas-wasserstoff-beimischen/)

Die Auswertung von mehr als 60 Rückmeldungen durch die BNetzA ergab: Ein Großteil sieht Beimischung als eine, u. a. durch viele notwendige Anpassungen, kostenintensive Mindernutzung des hochwertigen und in der Industrie zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele dringend benötigten, reinen Wasserstoffs an. Allenfalls als Übergangslösung, bis genügend H2-Netze verfügbar seien, sei eine Beimischung denkbar.

Die Gegenmeinung – vor allem aus den Reihen der Gasnetzbetreiber – sieht in der Beimischung auf allen Netzebenen – hauptsächlich aber im Verteilernetz – eine schnelle Möglichkeit zur Dekarbonisierung aller Sektoren, an erster Stelle des Wärmesektors. Eine Beimischung von mehr als 10 bis maximal 20 Prozent wird allerdings in aller Regel nicht gesehen.

Klimanutzen der geplanten Wasserstoff-Beimischung

Wie stark tragen nun die von Gasnetz Hamburg geplanten Beimischungsquoten zum Erreichen der gesetzten Klimaziele bei, auf das sich GNH beruft? Zur Beantwortung dieser Frage prüfen wir einige Einflussgrößen.

  • Energieanteil des beigemischten Wasserstoffs

Bei den angegebenen Quoten handelt es sich um volumetrische Beimischungsanteile, also Anteile in Prozent des Gas-Volumens, nicht um Anteile an der verfügbaren Energie, aus denen sich die Reduzierungen der Treibhausgas-Emissionen ableiten lassen. Bild 4 zeigt den Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen. Der energetische Anteil für einen volumetrischen Anteil von 10 Prozent beträgt lediglich 3,3 Prozent, der von 20 Prozent lediglich 7,1 Prozent. Das liegt daran, dass der Heizwert von Erdgas mehr als dreimal höher ist als der Heizwert von Wasserstoff.

Bei dem von GNH angepriesenen mySMARTLife-Förderprojekt „Am Schilfpark“ in Hamburg Bergedorf (Bild 5), bei welchem dem Erdgas bis zu 30 Prozent Wasserstoff beigemischt wird, beträgt der energetische Anteil nur 10,7 Prozent. Sogar hier sind also die die CO2-Emissionen im Vergleich zur Verbrennung von Erdgas nur um rund 10 Prozent reduziert! Das Konsortiummitglied HAW Hamburg nennt das dennoch eine „nachhaltige Wärmeversorgung“.

Bild 4: Energieanteil des dem Erdgas beigemischten Wasserstoffs in Abhängigkeit von dessen Volumenanteil
Bild 5: Bei 30 Vol.-Prozent Wasserstoff ist der energetische Anteil nur 10,7 Prozent (Bildquelle: Gasnetz Hamburg)

Zur Frage einer höheren Beimischung als 20 Vol.-% schreibt sogar die besonders gasorientierte Deutsche Energie-Agentur dena in ihrer Leitstudie für Klimaneutralität bis 2045: „Es wird davon ausgegangen, dass für Beimischungen von mehr als 20 Vol.-% eine vollständige Umstellung des Verteilnetzabschnittes auf Wasserstoff kostengünstiger ist als eine kontinuierlich zunehmende Beimischung.“

Wenn in 10 Jahren das durch das Netz von GNH gelieferte Gasgemisch eine Wasserstoffbeimischung von 10 Volumen-Prozent enthalten würde, würden die CO2-Emissionen immer noch bei rund 97 Prozent von ungemischtem Erdgas liegen.

Dem wäre gegenüberzustellen, um wie viel bis dahin die Klimaschädlichkeit des fossilen Energieträgers Erdgas allein durch die vorauszusehende Zunahme von unkonventionell gefördertem Erdgas (Fracking!) im Vergleich zu heute gestiegen sein wird.

  • Farbe des beigemischten Wasserstoffs

Der von GNH behauptete Klimanutzen hängt auch von der „Farbe“ des beigemischten Wasserstoffs ab. Wenn anderer als grüner Wasserstoff beigemischt wird, dann steht der Nutzen für den Klimaschutz in Frage.

GNH geht es mittelfristig gar nicht um eine Beimischung von reinem grünen Wasserstoff, der als emissionsfrei bewertet werden kann. In seiner Rückmeldung an die BNetzA schrieb GNH recht offen: „Demnach ist mindestens mittelfristig bis Mitte der 2030er Jahre von einem breiteren Spektrum (anthrazit, grau, blau, türkis) als nur „grünem“ Wasserstoff auszugehen. Der derzeitige Rechts-/Regulierungsrahmen bildet lediglich den grünen und in Teilen den anthrazitfarbenen Wasserstoff ab. Aus Sicht eines Betreibers eines öffentlichen Wasserstoffnetzes ist eine solche Unterscheidung des Wasserstoffes unmaßgeblich.“ Anthrazitfarbener Wasserstoff wird in einer Elektrolyse mit normalem Netzstrom erzeugt. Grauer Wasserstoff wird aus fossilem Erdgas per Dampfreformierung hergestellt.

Aus Sicht der Bundesregierung ist auf Dauer ausschließlich grüner Wasserstoff nachhaltig. Sie geht jedoch davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren ein globaler und europäischer Wasserstoffmarkt herausbilden wird und dass auf diesem Markt auch so genannter CO2-neutraler Wasserstoff gehandelt werden (z. B. „blauer“ oder „türkiser“). Aufgrund der engen Einbindung von Deutschland in die europäische Energieversorgungs-Infrastruktur wird daher auch in Deutschland CO2-neutraler Wasserstoff eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt werden.

  • Einspeisevorrang für grünen Wasserstoff

Sollte wenigstens eine Einspeisevorrang für den Netzzugang von grünem Wasserstoff praktiziert werden – analog zum Einspeisevorrang von grünem Strom im Stromnetz? GNH ist dagegen. Erst mit Blick auf die langfristige Entwicklung erscheint GNH auch ein Einspeisevorrang innerhalb der Wasserstoff-Arten sinnvoll.

  • Besserer Einsatz von Wasserstoff als bei einer Beimischung

Bei der Beurteilung des Klimanutzens der Beimischung stellt sich auch die Frage, ob nicht durch Nutzung des dem Gasnetz beigemischten knappen grünen Wasserstoffs an anderer Stelle (Stahlproduktion, Chemische Industrie, Hochtemperaturprozesse, Kraftwerke, Schwerlastverkehr) wesentlich mehr für den Klimaschutz erreicht werden könnte.

  • Senkung des Energiebedarfs

Besonders schwer dürfte es schließlich wiegen, wenn Gasnetz Hamburg seinen Gaskunden suggerieren würde, der aus dem Gasnetz bezogene Brennstoff würde mit der Zeit quasi von allein und rechtzeitig treibhausgasneutral werden. Sehr viele Gaskunden würden eigenständige Maßnahmen für den Klimaschutz lange Zeit zurückstellen und eine Umstellung auf eine klimafreundlichere Wärmeversorgung und eine energetische Gebäude-Sanierung vertagen. Die Gefahr, dass durch falsche Hoffnungen in großskalige Grüne-Gase-Technologien wertvolle Zeit für die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen verschlafen wird, auch wenn diese kostengünstiger umzusetzen sind, ist unter diesen Bedingungen groß.

Verstärkt wird dieser Effekt, wenn GNH in seiner „Rückmeldung“ vor zu großer Eile bei der Erhöhung des Wasserstoffanteils warnt: „Die Erhöhung muss jedoch mit Bedacht und mit Fristen erfolgen, die den Netzbetreibern eine technische Umstellung der Netzinfrastrukturen und den Kunden eine Umstellung bzw. den Ersatz von Anlagen sowohl zeitlich als auch in einem wirtschaftlich angemessenen Rahmen ermöglichen.“

Klimanutzen?

Da alles in allem die Pläne von Gasnetz Hamburg zur Beimischung von Wasserstoff ins Gasnetz dem Erreichen der Klimaziele eher schaden als nützen, kann auch von einer volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit zur Nutzung klimaschonender Energieträger nicht die Rede sein.

Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Unternehmen Gasnetz Hamburg GmbH vor allem um einen betriebswirtschaftlichen Nutzen geht und dass die Behauptung, es gehe um das Erreichen der gesetzten Klimaziele nur vorgeschoben wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 29. April 2021 angemahnt, dass zu viele der Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschoben werden und dass dadurch heute junge Menschen in ihren Freiheitsrechten verletzt werden. Die Pläne von Gasnetz Hamburg stehen offensichtlich in Widerspruch zu diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Wer soll die neuen reinen Wasserstoff-Leitungen bezahlen?

Die Ausrichtung auf den betriebswirtschaftlichen Nutzen zeigt sich auch, wenn man der Frage nachgeht, wer die Kosten für die in Hamburg geplanten leistungsfähigen 100 km Wasserstoffnetz im Hafen tragen soll. Die nutzenden Industriebetriebe oder alle an das Hamburger Gasnetz angeschlossenen Kunden?

Agora Energiewende forderte in einem Impulspapier „Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität“ (Eckpunkt 8), Wärmekunden vor den Kosten der Wasserstoff-Markteinführung zu schützen.

Die Gasnetz Hamburg GmbH plädierte in ihrer „Rückmeldung“ an die BNetzA für den Fall, dass die Bundesförderung nicht ausreiche, für die „Integration der Kosten für H2-Netze in die aktuellen Netzentgelte für Erdgasnetze, um überhaupt eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen zu können“. Den Aufbau von reinen Wasserstoffnetzen für die Industriebetriebe im Hamburger Hafen sollen also alle Gaskunden über ihre Netzentgelte mitfinanzieren.

Die Bundesregierung folgte diesem Wunsch von GNH nicht. Sie setzte mit Verweis auf derzeit zwingendes europäisches Recht auf eine getrennte Regulierung von Gas- und Wasserstoffnetzen. Sie nahm einen eigenen Abschnitt 3b zur Regulierung von Wasserstoffnetzen in das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) auf und verabschiedete am 22. September 2021 eine entsprechende Wasserstoff-Netzentgeltverordnung. Diese bildet im Übrigen eine Übergangsregelung, bis auf EU-Ebene der gerade in Arbeit befindliche Rechtsrahmen feststeht.

GNH: Strom kann Gas in einer Großstadt nicht komplett ersetzen

In den Rückmeldungen anderer Gasverteilungs-Unternehmen an die BNetzA werden ähnliche Positionen vertreten wie die von Gasnetz Hamburg. GNH bietet aber in seiner Rückmeldung eine besondere Begründung dafür, dass das heutige Gasnetz langfristig weitergeführt werden sollte:

„Entgegen der politischen Einschätzung, dass Wasserstoff im Gebäude-/Wärmesektor zunächst keine große Rolle spielen wird, ist eine Versorgung dieses Sektors in einer Großstadt wie Hamburg über einen All-Electric-Ansatz nicht realisierbar.“

„Ein Großteil des Wertes der Hamburger Erdgasinfrastruktur wird auch im zukünftigen Energiesystem bestehen bleiben. Hierbei ist die besondere Stellung von Metropolregionen und Großstädten in Deutschland hervorzuheben: Aufgrund der begrenzten Fläche und der eingeschränkten Baumöglichkeiten im Stadtgebiet wird es auch langfristig notwendig sein, einen großen Teil der Haushaltskunden mit Gas zu versorgen. Eine komplette Elektrifizierung der Haushalte ist in der Großstadt somit nicht möglich.“

Diese Einschätzung wird genauer zu untersuchen sein.

Schreibe einen Kommentar