Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Die Gasnetz Hamburg GmbH folgt der Erdgas-Lobby

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Die Erdgas-Lobby der BRD

Das Unternehmen Gasnetz Hamburg GmbH GNH, das seit dem 1. Januar 2018 wieder vollständig der Stadt Hamburg gehört, will einen großen Teil der in Hamburg mit Erdgas beheizten Gebäude sukzessive auf eine Beheizung mit Wasserstoff umstellen. Dazu soll dem Erdgas im Hamburger Gasverteilungsnetz in den nächsten 25 Jahren immer mehr Wasserstoff beigemischt werden. GNH erklärte, dass „das Wasserstoffnetz nach der Übergangsphase, in der Wasserstoff dem Erdgas beigemischt wird, eine ähnliche Ausdehnung aufweisen wird und die derzeitigen Aufgaben des Erdgasnetzes vollständig übernehmen wird“.

Gasnetz Hamburg schließt sich damit einer Strategie an, die von der Erdgas-Lobby, insbesondere vom Branchenverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft, dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs e. V. (DVGW) propagiert wird. Der DVGW ist einerseits Regelsetzer für das Gas- und Wasserfach, andererseits stark vernetzter Lobbyverein für die Gas- und Wasserwirtschaft (Bild 1).

Bild 1: Vernetzung der Erdgas-Lobby in Deutschland

Besonders finanzstark ist die Lobby-Initiative „Zukunft Gas e. V.“. Bis zum 31.Dezember 2020 noch „Zukunft Erdgas e. V.“ versteht sie sich als Stimme der Gas-Branche. Der Verein Zukunft Gas soll für seine umfangreiche PR-Arbeit über eine stattliche Summe von etwa zehn Millionen Euro pro Jahr verfügen – deutlich mehr als die bekannte PR-Plattform Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie mit rund sieben Millionen Euro pro Jahr finanziert wird.

Von Lobbycontrol, der Initiative für Transparenz und Demokratie e.V., wurde Zukunft Gas am 21. Juli 2021 in einem ausführlichen Bericht unter die Lupe genommen. Ergebnis: „Die Bundesregierung lässt sich eng von einem PR-Lobbyverband der Gasindustrie beraten – zulasten des Klimaschutzes.“ Nina Katzemich hat schon im Dezember 2020 und im Januar 2021 auf die Folgen der überaus einflussreichen Lobby der Erdgas-Industrie aufmerksam gemacht.

Der deutsche Naturschutzring (DNR) machte im Februar 2021 in einem „Steckbrief Wasserstoff“ auf einen Verbändebrief aufmerksam, den die Verbände DVGW, Zukunft Gas, BDH, FNB Gas und die inzwischen in den DVGW integrierte ASUE (Bild 1) an den Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier gerichtet hatten. Darin wurde so ziemlich alles zusammengetragen, was sich an Rechtfertigungen einer dezentralen Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser mit Hilfe von Wasserstoff finden lässt – bei genauer Betrachtung zumeist unstimmige und fadenscheinige Argumente.

„Wasserstoff vor Ort“ für den Wärmemarkt

Zu einer vom DVGW gestarteten Initiative von 37 „Infrastrukturbetreibern vor Ort“ zählt auch die Gasnetz Hamburg GmbH.

In einer Broschüre des DVGW wird unter der Bezeichnung „Wasserstoffinitiative H2vorOrt“ beschrieben, wann und wie die Umstellung der heutigen Erdgas-Verteilnetze auf Wasserstoff-Verteilnetze vorgenommen werden soll. Das längerfristige Ziel: „Die Projektpartner … werden ab 2050 die Verteilung von sämtlichen klimaneutralen Gasen im Verteilnetz dauerhaft sicherstellen“. Das klingt sogar etwas bescheidener als die Formulierung im g-das-magazin 2021-1, das von Zukunft Gas herausgegeben wird: „…perspektivisch sollen die Verteilnetze auf 100 Prozent Wasserstoff umgestellt werden.“

Entsprechend der „Initialphase“ in Bild 2 von 2020 bis 2030 soll ein Erdgasverteilnetz wie das Hamburger Gasnetz in Sektionen aufgeteilt werden. GNH hat dies auch für Hamburg in seiner „Rückmeldung“ zur „Marktkonsultation zur Regulierung von Wasserstoffnetzen“ an die Bundesnetzagentur angekündigt.

Einzelne Sektionen werden bereits in dieser Phase mit „100 % regional erzeugtem“ Wasserstoff versorgt. Ein Beispiel ist das Hamburger Projekt HH-WIN, bei dem ein 90 km langes, von der Gasnetz Hamburg GmbH neu gebautes Wasserstoffnetz vor allem Industriebetriebe im Hamburger Hafen mit Wasserstoff versorgen soll. Dieses Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz kennt eine Ausbaustufe 1 bis 2030 und eine erweiterte Ausbaustufe 2 bis 2035. Die Verwendung des Wasserstoffs aus diesem Netz lässt beim Einsatz von vollständig grünem Wasserstoff beträchtliche CO2-Einsparungen erwarten – im Gegensatz zur geplanten Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz.

Der Geschäftsführer der Gasnetz Hamburg GmbH, Michael Dammann, fasste auch schon eine Wasserstoff-Versorgung von Neubaugebieten ins Auge. Auch damit könnte bereits in der „Initialphase“ begonnen werden. Bei älteren Quartieren, bei denen häufig ein bunter Mix aus Gasgeräten unterschiedlichster Epochen vorliegt, sollen die bei Tausch und Sanierung eingesetzten Materialien schon jetzt auf ihre „H2-Tauglichkeit“ geprüft werden. „Denn nur so kann unser Netz auch in der Fläche die in einigen Jahren kommende Transformation bewältigen“, so Dammann.

Von einer Beschränkung auf grünen, klimafreundlichen Wasserstoff hält Gasnetz Hamburg in diesem Stadium nicht viel. „Um den Markthochlauf von Wasserstoff zu stützen, ist zunächst die Einbeziehung aller Wasserstofffarben sinnvoll. Nur so kann in einem ersten Schritt überhaupt ein ausreichendes Angebot an Wasserstoff entstehen, um den vorhandenen Bedarf bei Industrieprozessen in Metropolregionen wie Hamburg zu decken“, so GNH in seiner „Rückmeldung“ an die Bundesnetzagentur.

Bild 2: Umwandlung der heutigen Erdgasverteilnetze in zukünftige Wasserstoffverteilnetze bis zum Jahr 2050 „Der Weg in die Klimaneutralität vor Ort – Exemplarischer Transformationspfad eines fiktiven, sektionierten Gasverteilnetzgebiets“ (Quelle: DVGW, H2vorOrt, Wasserstoff über die Gasverteilnetze für alle nutzbar machen)

In der auf die „Initialphase“ folgenden „Ausbauphase“ 2030 – 2040 sollen bereits einige Sektionen (dunkelgrün gefärbt) aus einem bis dahin aufgebauten Wasserstoff-Fernleitungsnetz (backbone) mit 100 % Wasserstoff versorgt werden. In einigen anderen (gestreift) werden dem Erdgas 20 % Wasserstoff beigemischt. 20 % beigemischter Wasserstoff entspricht allerdings nur einem eher symbolischen energetischen Anteil von 7 %. Der Anteil des weiterhin verheizten fossilen Erdgases beträgt dann immer noch 93 %.

Die Gasnetz Hamburg GmbH verkauft zwar selbst kein Gas wie Dutzende Erdgaslieferanten. Sie würde aber bestimmen können, wieviel Wasserstoff die Erdgas-Lieferfirmen in den jeweiligen Sektionen des Netzes beizumischen haben. Gegebenenfalls könnte Gasnetz Hamburg den Beimischungsgrad ergänzen. In seiner „Rückmeldung“ an die BNetzA forderte GNH: „Dem Verteilnetzbetreiber sollten innerhalb des Regulierungsregimes entsprechende Freiräume eingeräumt werden für z.B. Speicher (Netzdienlichkeit), Energiewandlungsanlagen (als Bestandteil der Netzinfrastruktur).“

Im „Zielzustand“, ein Jahrzehnt später, sollen alle Sektionen für die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser mit 100 % Wasserstoff aus dem Wasserstoff-Fernleitungsnetz versorgt werden (dunkelgrün). In geringeren Mengen kommen dazu Methan aus Biogas und synthetisch hergestelltes Methan (rot). Gasnetz Hamburg rechnet in seiner „Rückmeldung“ an die Bundesnetzagentur „aufgrund der Abnehmerstruktur“ nicht vor 2040 damit, dass große Teile des Erdgasnetzes auf Wasserstoff ungestellt wurden. Für die GNH erscheint es „aktuell auch plausibel, dass über die heute noch Erdgas transportierenden Leitungen aus Russland zukünftig nennenswerte Mengen an Wasserstoff nach Europa bzw. Deutschland transportiert werden.“

Nach Bild 3 ist bei der Interpretation von Bild 2 von Bedeutung, dass die Flächenversorgung mit Wasserstoff über die Gasverteilnetze in der „Ausbaustufe 1“, zu der Hamburg gehört, wesentlich schneller abgewickelt werden soll als in südlicheren Gebieten der BRD. Hamburg gehört zum Gebiet der „Ausbaustufe 1“. Das „prospektive Backbone“ soll hier schon etwa im Jahr 2030 zur Verfügung stehen und nicht erst um 2040 wie in Süddeutschland.

Bild 3: Drei Ausbaustufen für die Flächenversorgung mit Wasserstoff über die Gasverteilnetze. Die schwarzen Linien symbolisieren geplante Wasserstoff-Fernleitungen (Backbones) (Quelle: DVGW, H2vorOrt, Wasserstoff über die Gasverteilnetze für alle nutzbar machen)

Die intensive Vernetzungs- und Lobby-Arbeit von DVGW und Zukunft Gas bewirkt, dass viele Stadtwerke dazu neigen, sich der von diesen Vereinen propagierten, im Endeffekt aber klimaschädlichen Strategie anzuschließen.

Im Gegensatz zur Planung der Stromnetze sind gegenwärtig die Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme auf die Planung der Gasnetze gering. Die Gasnetzbetreiber entscheiden über die Gasinfrastruktur. AGORA Energiewende schrieb dazu in seiner Stellungnahme zum Szenariorahmen Gas 2022-2032 der Fernleitungsnetzbetreiber: „Derzeit hat der Bundestag kein Mitspracherecht bei der Planung des Gasnetzes. Auch die Bundesnetzagentur kann momentan nur begrenzt korrigierend in die Netzplanung eingreifen. Zudem erfolgt eine strategische Umweltprüfung erst im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens und nicht bereits im Verfahren der Bedarfsplanung selbst. Eine entsprechende Anpassung im EnWG ist zu empfehlen. Alternativ ist zu überlegen, die Planung der Gas-, Strom- und grünen Wasserstoffnetze zukünftig gemeinsam zu vollziehen, um den bereits angestoßenen Austausch zu formalisieren.“

Konkrete Forderungen zur Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes EnWG formulierte die Deutsche Umwelthilfe.

Bestellung von Wasserstoff

Angesichts der beschriebenen Planungen verwundert es nicht, dass auch der Bedarf an Wasserstoff bereits erkundet wurde, den die zukünftigen Wasserstoff-Fernleitungen liefern sollen.

Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e. V. (FNB Gas) führte zu grünen Gasen eine Marktabfrage „Wasserstoff Bedarf und Erzeugung” für einen Szenariorahmen 2022-2032 durch. Die Ergebnisse wurden in einer EXCEL-Datei „Anlage 2: Übersicht aller Projektmeldungen im Rahmen der Marktabfrage WEB und Grüne Gase für den Szenariorahmen 2022“ veröffentlicht. In dieser EXCEL-Datei finden sich die angemeldeten Werte jahresscharf zwischen 2022 und 2032. Danach ebenso für die Stützjahre 2040 und 2050. Außerdem wurden Wasserstoff-Landkarten erstellt, aus denen die Planungen für die künftige Produktion und den erwarteten Verbrauch von Wasserstoff hervorgehen.

Bild 4 zeigt die Anmeldungen für das Hamburgische Gasverteilnetz mit Eintragungen für die Jahre 2032, 2040 und 2050.

Der Verteilnetzbetreiber Gasnetz Hamburg („VNB Hamburg“ in Bild 4) hielt sich bei der Angabe der Wasserstoff-Bedarfe für die Jahre 2040 und 2050 offensichtlich eng an den Vorschlag des FNB Gas in einem „Leitfaden zur Abschätzung des H2-Bedarfs für Gasverteilnetzbetreiber“. Darin wird vorgeschlagen, 7 % der gegenwärtigen Erdgasmenge als Wasserstoffbedarf für das Jahr 2032, 50 % für das Jahr 2040 und 90 % für das Jahr 2050 anzusetzen. Energetische 7 % entsprechen einem beigemischten Volumen von 20 % . Im „Leitfaden“ wird erläutert, für abweichende Quoten könnten Effizienzgewinne, Substitution anderer fossiler Brennstoffe (wie Heizöl) und biogene Erzeugung in Rechnung gestellt werden.

Für die Summe der Mengen „061“ und „104“ in Bild 4 ergibt sich aus den Angaben für die Jahre 2040 bzw. 2050 ein Ausgangswert für den Wasserstoffbedarf von „VNB Hamburg“, der nahe bei 9 TWh pro Jahr liegt. Dieser Wert stimmt gut überein mit dem Erdgasverbrauch von Haushalten, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen (GHD) und Heizwerken in Hamburg im Jahr 2019. Für das Jahr 2032 müsste sich mit den im „Leitfaden“ des FNG Gas vorgeschlagenen 7 % ein Wasserstoffbedarf von 0,6 TWh ergeben. Weshalb stattdessen 4,1 TWh angegeben wurden – etwa sieben-mal mehr – ist nicht eindeutig nachzuvollziehen. Auf das „Industrienetz „HH-WIN“ lässt sich dieser Unterschied nicht zurückführen, da dessen Bedarf wie in Bild 4 separat angegeben wurde.

Bild 4: Durch die Fernleitungsnetzbetreiber FNB Gas in einer Marktabfrage vom Hamburger Verteilnetzbetreiber Gasnetz Hamburg aufgelistete Ausspeisung von Wasserstoff aus den geplanten übergeordneten Fernleitungsnetzen (Energiegehalt in TWh). Die Nummerierungen verweisen auf die Originaldaten (Quelle: Daten aus einer EXCEL-Datei von FNB-Gas)

Es könnte sein, dass von der Gasnetz Hamburg GmbH im Sinn der „Ausbauphase“ in Bild 2 und der „Ausbaustufe 1“ in Bild 3 im Jahr 2032 bereits beträchtliche Bereiche des Hamburgischen Gasnetzes mit sehr viel höheren Quoten einer Wasserstoff-Beimischung versorgt werden sollen und dass die Gasnetz Hamburg GmbH plant, im Jahr 2032 schon etwa 40 Prozent des in Sektionen aufgeteilten Gasnetzes zur Versorgung von Kundinnen und Kunden aus den Bereichen Haushalte und GHD mit 100 % Wasserstoff zu versorgen.

Dass sich anschließend bis 2040 jedoch kaum etwas verändern soll, lässt sich so nicht erklären. Es ist zudem sehr wenig wahrscheinlich, dass bis 2032 die vorrangigen Abnehmer (Industrie, Raffinerien, Chemie und Heizkraftwerke) schon ausreichend mit grünem Wasserstoff versorgt sein werden.

Zu beachten ist auch, dass durch das von Wärme Hamburg – ab dem 1.1.2022 „Hamburger Energiewerke GmbH“ (HEnW) – geplante beträchtliche Wachstum der Fernwärmeversorgung, durch eine Reduzierung des spezifischen Wärmebedarfs der Gebäude in Hamburg und durch den Ersatz von Erdgas- und Heizöl-Heizungen durch elektrische Wärmepumpen der Gasbedarf für Gebäudewärme im Jahr 2050 wesentlich niedriger sein dürfte als die angesetzten 9 TWh pro Jahr.

Klimaneutralität heißt Schrumpfung der Gasnetze

Die kritischen Gegenpositionen wurden in einem Blog-Beitrag aus dem Hause AGORA Energiewende zusammengefasst: „Worüber keiner reden will: Der bevorstehende Abschied vom Gasnetz“.

Grüner oder besser „dunkelgrüner“ Wasserstoff ist ein sehr hochwertiger erneuerbarer Energieträger, der erst dann zum dezentralen Heizen – zur Erzeugung von Niedertemperaturwärme und Warmwasser in Einzelheizungen – eingesetzt werden sollte, wenn alle anderen Einsatzarten zum Zuge gekommen sind. Grüner Wasserstoff wird in der Regel mit Hilfe von grünem Strom hergestellt. Die Hochwertigkeit von Wasserstoff (hoher Exergieanteil) zeigt sich daran, dass mit geeigneten Technologien wie Wärmepumpen aus dem Ausgangsstrom vier- bis siebenmal mehr Heizwärme gewonnen werden kann als durch die simple Verbrennung des Wasserstoffs.

Klimafreundlicher Wasserstoff und seine Folgeprodukte werden für einen längeren Zeitraum knappe Güter sein. Sie müssen bevorzugt in Bereichen eingesetzt werden, die sich anders kaum dekarbonisieren lassen. Es geht dabei um den stofflichen Einsatz von Wasserstoff und um Bereiche, in denen die direkte Nutzung von elektrischem Strom nicht sinnvoll möglich ist, beispielsweise bei der Herstellung von Stahl, Aluminium und Kupfer, in der Grundstoffchemie, im See- und Luftverkehr sowie bei Schwerlasttransporten. Im Umwandlungssektor wird Wasserstoff für den Betrieb von Spitzenlast-Kraftwerken und in Zeiten einer geringen erneuerbaren Stromerzeugung benötigt werden.

Die vor allem betriebswirtschaftlich motivierte Absicht der Betreiber von Gasverteilnetzen, für die Gebäudewärme in Zukunft anstelle von Erdgas Wasserstoff zu verbrennen, behindert die für den Klimaschutz dringend notwendigen Effizienz-Anpassungen auf der Abnehmerseite: Energetische Gebäudesanierungen und Umstellungen auf Wärmepumpen und Quartierskonzepte ohne Verbrennung unterbleiben. Eine zukunftsfähige Energiewende wird verschleppt. Um auf einen Pfad zum 1,5-Grad-Ziel zu kommen, müssen bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen halbiert werden. Das Konzept der Erdgas-Lobby, dem die Gasnetz Hamburg GmbH folgen will, trägt nicht nur nichts hierzu bei, sondern bremst sogar andere Maßnahmen, die in diese Richtung zielen. Eine von Gasnetz Hamburg finanziell geförderte Umstellung von Heizöl- auf Gasheizungen zählt dazu.

Die Absicht, über die Erdgasverteilnetze den kleinteiligen Wärmemarkt mit Wasserstoff zu bedienen, setzt Entwicklungen auf dem Wasserstoffmarkt voraus, deren Annahme riskant und alles andere als sicher und zuverlässig ist. Wenn es gelingen würde, global innerhalb von zwanzig Jahren Wasserstoff in sehr großen Quantitäten herzustellen, so würde auch die Nachfrage danach stark steigen. Damit ist auch unter diesen optimistischen Bedingungen nicht zu erwarten, dass das Heizen mit Wasserstoff hinreichend bezahlbar werden würde.

Der Hochlauf einer Wasserstoffbeimischung in der von GNH geplanten Art würde schließlich auch dazu führen, dass bis Mitte der 2030er Jahre neben klimafreundlichem grünem Wasserstoff Wasserstoff aus fossilen Quellen zum Heizen eingesetzt werden würde. Das „Erreichen der gesetzten Klimaziele“ als Begründung einer Erhöhung der Beimischquote von Wasserstoff im Hamburger Gasnetz ist daher alles andere als glaubwürdig. Die immer wieder vorgebrachte suggestive Behauptung, 20 oder 30 Prozent Beimischung von grünem Wasserstoff zum Erdgas würden dieses in gleichem Umfang klimafreundlicher machen, grenzt an Irreführung der Öffentlichkeit, an die diese Botschaft gerichtet ist (Bild 4 in Das Dilemma der Gasnetz Hamburg GmbH). 20 % oder 30 % Wasserstoffbeimischung hätten vor allem die Funktion, einen Fuß in die Tür zu setzen.

Die sukzessive Umstellung auf unterschiedliche Anteile von Wasserstoff in den Verteilnetzen setzt eine lange Folge von technischen Anpassungen in Gang, deren Durchführung größere Zeiträume in Anspruch nehmen wird. Sowohl beim Verteilnetzbetreiber als auch auf der Seite der Kunden werden diese in Bild 2 mit H2-ready bezeichneten Anpassungen finanzielle Aufwendungen mit sich bringen, die sich am Ende weitgehend als verlorene Investitionen erweisen könnten. Durch die Umlegung der Netzkosten und Netzanpassungsleistungen auf eine stark schrumpfende Anzahl von Gaskunden würden für diese die Preise in einer Kostenspirale unangemessen ansteigen.

Überlegungen wie diese führten zu einer breiten Ablehnung der Beimischung von Wasserstoff in Gasverteilnetze durch unabhängige Gutachter für so unterschiedliche Institutionen wie den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), die Bundesnetzagentur, das Öko-Institut, die Agentur für Erneuerbare Energien e. V., das Bundesfinanzministerium, das Bundesforschungsministerium per Ariadne-Report und das Bundeswirtschaftsministeriums in seinen Langfristszenarien.

Autor: Dietrich Rabenstein

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