Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Selbstverpflichtung zur Kohlereduktion in Wedel:

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Spätestens am 1. Dezember 2021 muss Wärme Hamburg die Verbrennung von Kohle in Wedel einstellen!

Vom stadteigenen Fernwärmeunternehmen Wärme Hamburg GmbH wurde mit einer groß aufgemachten Pressemitteilung am 26. Oktober 2020 ein Beschluss des Aufsichtsrats zur Reduzierung der Kohleverbrennung im Heizkraftwerk (HKW) Wedel bekannt gemacht.

Mit dem Beschluss verpflichtete sich die Wärme Hamburg, „den Kohleeinsatz ab sofort um 20 Prozent und ab 2023 um mindestens 30 Prozent pro Jahr“ zu reduzieren. Nach Bild 1 wären das zunächst rund 100.000 Tonnen Kohle, ab 2023 rund 150.000 Tonnen Kohle, die pro Jahr weniger verbrannt werden sollten. Unter der Überschrift „Kohlereduktion im Kraftwerk Wedel“ wurde diese Selbstverpflichtung später bestätigt.

Bild 1: Selbstverpflichtung der Wärme Hamburg zur Reduzierung der jährlichen Kohleverbrennung in Wedel (blau) und entsprechende Verminderung der CO2-Emissionen (Quelle: Wärme Hamburg GmbH)

Entsprechend Bild 1 sollten zunächst die „Effekte“ 1 und 2 wirksam werden und zwar durch eine „Einsatzoptimierte Fahrweise“ und durch eine „Modifizierte Einsatzplanung“. „Möglich wird diese Reduktion vor allem durch eine Verlagerung auf andere gasgefeuerte Wärmeerzeuger im Kraftwerkspark der Wärme Hamburg“, erklärte die Pressemitteilung von Wärme Hamburg. Vermutlich war dabei vor allem das erdgasgefeuerte Gas- und Dampf-Kraftwerk am Kraftwerk-Standort Tiefstack gemeint.

Einen Verzicht auf Stromerzeugung mit Steinkohle im Sommer, wenn im Hamburger Fernwärmenetz gar keine Wärme aus Kohle gebraucht wird, lehnte das Unternehmen dagegen  ab.

Ende Mai 2021: Warnung des Hamburger Energietischs

Nach Auswertung der Stromerzeugung im Heizkraftwerk Wedel zwischen November 2020 und April 2021 war der Hamburger Energietisch (HET) zur Einschätzung gekommen, dass die Selbstverpflichtung im ersten Jahr nach dem Beschluss kaum eingehalten werden würde. Eine öffentliche Warnung wurde vom technischen Geschäftsführer Dr. Beckereit in der WELT zurückgewiesen: „Bei den Zielgrößen handele es sich um Zahlen, die im Gesamtjahr erreicht werden sollen.“ Das Kraftwerk werde so eingestellt, „dass wir die 100.000 erreichen werden“.

Details der Kohle-Bilanzierung in Wedel

Dass Wärme Hamburg trotz der Angabe „ab sofort“ in der Pressemitteilung Ende Oktober 2020 keine Kohlereduzierung ab dem 1. November 2020 vornehmen wollte, wurde in der Antwort auf Frage 4 einer Schriftlichen Kleinen Anfrage 22/4979 der LINKEN vom 25. Juni 2021 erkennbar.

Der Frage 5 „Wird Wärme Hamburg Kohleverbräuche, die die Selbstverpflichtung eines Bilanzierungsabschnitts übersteigen, in die folgenden Bilanzierungs-Zeitintervalle übertragen?“ wich Wärme Hamburg aus mit der Antwort: „Ziel ist es, die geplante Kohlereduktion nach Möglichkeit zu übertreffen. Nur für den Fall größerer Betriebsausfälle wird die WH aus Gründen der Versorgungssicherheit eine Übertragung in Erwägung ziehen.“

Als Kohleeinsatz in Wedel im Jahr 2020 wurden in der Drs. 22/4979 „ca. 450.000 t“ angegeben, also weniger als der Ausgangswert von 475.000 t Kohle pro Jahr in Bild 1. Dieser Ausgangswert entspricht recht genau dem Mittelwert der Kohleeinsätze in Wedel in den Jahren 2017 bis 2019. Für die Umrechnung der Stromerzeugungs-Werte in entsprechende  Kohleeinsatz-Werte ergibt sich für diese drei Jahre der Faktor 0,558 t Kohle pro MWh Strom. Zu Berechnung dieses Faktors wurden die Stromerzeugungswerte in den Energy Charts von Fraunhofer ISE und die Kohleverbrauchswerte für die entsprechenden Jahre, die dem Öko-Institut von Wärme Hamburg für ein Kurzgutachten angegeben wurden (Tabelle 4-3), verwendet.

Hochrechnung nach der bis Mitte November verfeuerten Kohle

Bei den gerundeten Kohleverbrauchswerten in Bild 1 ergeben sich aus 475.000 t Kohle pro Jahr 375.000 t / a als verpflichtende Obergrenze bei einer Einsparung von 100.000 t / a.

Beim Mittelwert der Jahre 2017 bis 2019 handelt es sich etwas genauer um 476.628 t Kohle pro Jahr. Eine Reduzierung um 20 % ergibt als verpflichtende Obergrenze 381.303 t Kohle pro Jahr, etwas mehr als der gerundete Wert nach Bild 1.

Im Jahr 2021 wurden bis zum 15. November 2021 im HKW Wedel 654,3 GWh Strom aus Steinkohle erzeugt. Umgerechnet in den Steinkohleverbrauch ergeben sich daraus 365.099 t Kohle. Eine Hochrechnung ergibt, dass spätestens am 1. Dezember die errechnete Obergrenze überschritten sein wird. Die Obergrenze nach Bild 1 von 375.000 t / a wird bereits vorher überschritten werden.

Um die Selbstverpflichtung für das Jahr 2021 noch einzuhalten, muss daher die Kohleverbrennung im HKW Wedel spätestens am 1. Dezember 2021 beendet werden.

Warum wurde die Selbstverpflichtung nicht eingehalten?

Der Bruch der Selbstverpflichtung lässt sich mit Hilfe von Bild 2 genauer analysieren. Die Daten bis April 2021 lagen der öffentlichen Warnung des HET zu Grunde. Die Stromerzeugung in den ersten Monaten des Jahres 2021 (schwarz) lag hier Monat für Monat erheblich höher als die entsprechende im Jahr davor (blaugrau) und weit über dem um 20 Prozent abgesenkten Wert (grün). Wärme Hamburg führte diese Werte auf einen ungewöhnlich kühlen Winter zurück.

Für die ersten Monate September und Oktober der Heizperiode 2021/22 zeigt sich aber Ähnliches. Wieder sind die schwarzen Werte erheblich höher als die grünen. Wie wird Wärme Hamburg die Stromerzeugungswerte im September und Oktober begründen? (Vollständige schwarze Werte für November und Dezember lagen zum Zeitpunkt dieser Analyse noch nicht vor.) 

Bild 2: Monatliche Stromerzeugung im HKW Wedel in den Jahren 2020 (blaugrau) und 2021 (schwarz) und jeweils gegenüber 2020 um 20 Prozent abgesenkte Werte (grün) (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

Der gesamte Steinkohleeinsatz von Wärme Hamburg

Zur beabsichtigten Kohlereduktion erklärte die Pressemitteilung der Wärme Hamburg: „Möglich wird diese Reduktion vor allem durch eine Verlagerung auf andere gasgefeuerte Wärmeerzeuger im Kraftwerkspark der Wärme Hamburg.“

Bild 3 zeigt, dass nach einem Absinken des Kohleeinsatzes in den Jahren 2015 bis 2019 der gesamte Kohleeinsatz mehr oder weniger gleich blieb („Tiefstack und Wedel“). Die Werte des Kohleeinsatzes in Tiefstack und in Wedel sind in allen sieben Jahren jeweils nahezu gleich. Ein Einfluss der Selbstverpflichtung ist nicht zu erkennen. Über eine Erhöhung des Einsatzes „gasgefeuerter Wärmeerzeuger“ liegen keine einfach zugänglichen Daten vor.

Bild 3: Jährliche Stromerzeugung in den Hamburger Heizkraftwerken Wedel (braun) und Tiefstack (blaugrau) in den Jahren 2015 bis 2021. Für die noch fehlenden Werte von 2021 wurden die entsprechenden von 2020 übernommen.  (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

Stromerzeugung mit Kohle im Sommer

Interessant ist die Länge der Sommerpause des HKW Wedel im Jahr 2021, die aus Bild 4 zu entnehmen ist. Der Block Wedel 1 war vom 1.5.2021 bis zum 9.8.2021 abgeschaltet, also mehr als drei Monate. Nur am 27. Mai wurde Strom erzeugt, was sich aber nicht rentierte. Der Block 2 blieb vom 12. Mai bis zum 20.Juli 2021 abgeschaltet, im Jahr zuvor noch 10 Tage länger.

Beim 10. Wärmedialog am 4.2.2020, ging es um die Frage „Sommerpause für das Kohlekraftwerk Wedel?“ Die jahrelang von ätzenden Partikeln aus dem Kraftwerk Wedel geplanten Anwohnerinnen und Anwohner forderten, wenigstens im Sommer das Kraftwerk abzuschalten. Denn in diesem Zeitraum kommt die gesamte Fernwärme für die Brauchwasser-Bereitstellung großenteils aus der Müllverbrennungsanlage in der Borsigstraße. Der Kraftwerksleiter Wonka und der Geschäftsführer Dr. Beckereit erklärten, es sei viel zu riskant, diese alten Kraftwerksblöcke im Sommer länger als während der notwendigen Revisionszeit von etwa einem Monat abzuschalten, weil sie sich danach möglicherweise nicht wieder in Betrieb setzen lassen würden. Die Betriebszeiten im Jahr 2021 zeigen nun, dass es offenbar doch geht.

Bild 4: Tägliche Stromerzeugung in den beiden Blöcken des Heizkraftwerks Wedel Block 1: grün, Block 2: braun. (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

In Bild 5 ist auch die Stromerzeugung aus Kohle im HKW Tiefstack dargestellt. Man sieht, dass in der Sommerpause hier kräftig Strom aus Kohle erzeugt wurde, obwohl der Nutzungsgrad ohne gleichzeitige Wärmeerzeugung in diesem Zeitraum besonders schlecht ist. Das muss betont werden, wenn wir noch auf die Ankündigung von Umweltsenator Kerstan zur Selbstverpflichtung zu sprechen kommen.

Bild 5: : Tägliche Stromerzeugung in den beiden Blöcken des Heizkraftwerks Wedel Block 1: grün, Block 2: braun und im Kohle-Heizkraftwerk Tiefstack (violett) (Datenquelle: Energy Charts der Fraunhofer ISE)

Was sagt der grüne Umweltsenator und Aufsichtsratsvorsitzende dazu?

In der Pressemitteilung der Wärme Hamburg vom 26.10.2020 wurde Jens Kerstan, damals Senator für Umwelt, Klima und Energie und Aufsichtsratsvorsitzender der Wärme Hamburg, so zitiert: „Mit der Kohlereduktion setzen wir ein Zeichen. Wir zeigen, dass wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz und der Wärmewende. Unser kommunales Unternehmen verzichtet auf Einnahmen und leistet einen Beitrag zur CO₂-Reduktion und zur Wärmewende, der sowohl Hamburg als auch Schleswig-Holstein bei der Erreichung der Klimaziele hilft.“

Kerstan spart selten mit großspurigen Ankündigungen zum Ernst-Meinen mit dem Klimaschutz und der Wärmewende. Ob er sich jetzt wohl auch zu der gescheiterten Selbstverpflichtung äußern wird? Es geht um die Glaubwürdigkeit der Wärme Hamburg GmbH und um die des Umweltsenators.

  1. November 2021

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