Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Doch kein Meilenstein für den Klimaschutz bei der Kohleverbrennung in Wedel?

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Laut der Pressemitteilung der Wärme Hamburg GmbH vom 26. Oktober 2020 hat der Aufsichtsrat eine Reduzierung der Kohleverbrennung im Heizkraftwerk Wedel beschlossen. Im Rahmen einer Selbstverpflichtung wollte die Wärme Hamburg den Kohleeinsatz „ab sofort“ um 20 Prozent und ab 2023 um mindestens 30 Prozent pro Jahr reduzieren. Letzteres entspräche rund 150.000 Tonnen Kohle pro Jahr, die künftig weniger verbrannt werden sollen (Bild 1).

Bild 1: Selbstverpflichtung der Wärme Hamburg zur Reduzierung der jährlichen Kohleverbrennung in Wedel (blau) und entsprechende Verminderung des CO2-Ausstoßes

Entsprechend Bild 1 sollten bis zur Heizperiode 2022/2023 im Vergleich zum Stand Ende Oktober 2020 die Effekte 1 und 2 wirksam werden und zwar durch eine „Einsatzoptimierte Fahrweise“ und eine „Modifizierte Einsatzplanung“. „Möglich wird diese Reduktion vor allem durch eine Verlagerung auf andere gasgefeuerte Wärmeerzeuger im Kraftwerkspark der Wärme Hamburg“, erklärte die Pressemitteilung von Wärme Hamburg. Gemeint war dabei vermutlich vor allem das erdgasgefeuerte Gas- und Dampf-Kraftwerk am Standort Tiefstack.

Dr. Beckereit, der Technische Geschäftsführer der Wärme Hamburg GmbH, nannte als CO₂-Einsparkosten ca. zehn Euro pro Tonne und Jahr – ein erstaunlich niedriger Wert.

Der Verzicht auf diesen Kohle-Einsatz würde Wärme Hamburg bis zu 1,5 Millionen Euro im Jahr kosten. Für eine Absenkung um rund 240.000 t CO2 durch die Effekte 1 und 2, berechnet nach Bild 1, ergibt sich Beckereits Wert bei Zugrundelegung von etwa zwei Jahren.

Dass die angekündigten CO2-Reduzierungen Sowieso-Effekten entsprechen könnten, wurde vermutet.

Was ist aus der Selbstverpflichtung der Wärme Hamburg geworden?

Bild 2 zeigt die Stromerzeugung aus Steinkohle im Heizkraftwerk Wedel in den Monaten November bis April. Zum Vergleich wurde in grüner Farbe eine gegenüber 2019/2020 um 20 Prozent reduzierte Stromerzeugung dargestellt, die der Selbstverpflichtung entspräche.

In allen sechs Monaten unmittelbar nach der Selbstverpflichtung war die Stromerzeugung aus Steinkohle größer (schwarz) als ein Jahr zuvor (grau). Von einer Abnahme um 20 Prozent (von grau zu grün) kann also keine Rede sein.

Bild 2: Stromerzeugung im Steinkohle-Heizkraftwerk Wedel in den Monaten November bis April für die Heizperioden 2019/2020 bzw. 2020/2021 und um 20 Prozent gegenüber 2019/2020 verringerte Stromerzeugung gemäß der Selbstverpflichtung der Wärme Hamburg zur Reduzierung der jährlichen Kohleverbrennung (Daten: Fraunhofer ISE)

Die Summen der Stromerzeugung von November bis April sind

       2019/2020:                              486 GWh     entsprechend 100 %

       2020/2021:                              538 GWh     entsprechend 111 %

       um 20 Prozent reduziert:        389 GWh     entsprechend 80 %

An welchen Kraftwerken liegt es?

Ein Vergleich der Stromerzeugung in den einzelnen Heizkraftwerken Tiefstack, Wedel 1 und Wedel 2 (Bilder 3 und 4) zeigt: Auch die Stromerzeugung aus Steinkohle in Tiefstack hat in den sechs Wintermonaten leicht zugenommen und zwar von 531 GWh auf 541 GWh, die Stromerzeugung in den beiden Blöcken in Wedel hat aber von 486 GWh auf 538 GWh zugenommen, vor allem durch einen verstärkten Einsatz von Block 1 des HKW Wedel.

Bild 3: Stromerzeugung in den Steinkohle-Heizkraftwerken Hamburg Tiefstack und Wedel in den Monaten November bis April für die Heizperiode 2019/2020 (Daten: Fraunhofer ISE)
Bild 4: Stromerzeugung in den Steinkohle-Heizkraftwerken Hamburg Tiefstack und Wedel in den Monaten November bis April für die Heizperiode 2020/2021 (Daten: Fraunhofer ISE)

Mehr Kohlestrom entgegen dem Trend

Bild 5 zeigt, dass die Stromerzeugung in den Hamburger Heizkraftwerken von 2015 bis 2019 zurückging, was sich mit der Zunahme an erneuerbarem Strom erklären lässt. Seit Anfang 2020 hat sich durch die Corona-Pandemie der Strombedarf verringert. Das allgemeine Angebot an erneuerbarem Strom ist weiter gewachsen. Daher ist es bemerkenswert, dass vor allem die Kraftwerke in Wedel ihre Stromproduktion und damit den Kohle-Einsatz seit 2020 gegenüber 2019 vergrößert haben. Zu vermuten ist, dass der Einspeisevorrang von Strom aus kohlegefeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in klimaschädlicher Weise genutzt wird, um dargebotenen erneuerbaren Strom zu verdrängen.

Bild 5: Jährliche Stromerzeugung in den drei Hamburger Kohle-Heizkraftwerken (Daten: Fraunhofer ISE).

Die Wärme Hamburg GmbH muss sich erklären

In den Bildern 2 bis 5 wird nur die Größe der Stromerzeugung gezeigt. Denn diese unterliegt keinem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Neben Strom wird in den Heizkraftwerken auch Wärme für das Fernwärmenetz erzeugt. Der Umfang des gesamten Einsatzes von Steinkohle in den Hamburger Kohlekraftwerken ist nicht öffentlich zugänglich, zumindest nicht für die Zeit seit der Selbstverpflichtung der Wärme Hamburg GmbH.

Die Annahme liegt jedoch nahe, dass zwar mit einer modifizierten Einsatzplanung in Tiefstack operiert wurde, da dort als Alternative zum Kohle-Heizkraftwerk das Gas- und Dampfkraftwerk Tiefstack zur Verfügung steht, dessen Einsatz den Vorteil geringerer Aufwendungen für Emissionszertifikate besitzt.

Im Übrigen aber besteht der Eindruck, dass die Wärme Hamburg GmbH mit ihrer Selbstverpflichtung vom 26. Oktober 2020 die Öffentlichkeit in die Irre geführt hat. Denn eine drastische Änderung des Kohleeinsatzes ist in den nächsten Monaten nicht zu erwarten, nachdem die Wärme Hamburg darauf bestanden hat, auch weiterhin in den Sommermonaten in Wedel Strom zu erzeugen, in denen gar keine Fernwärme aus Wedel benötigt wird. Außerdem enthielt die Selbstverpflichtung den Zusatz „ab sofort“.

Sollte die Wärme Hamburg GmbH sich aus ökonomischen Gründen gezwungen sehen, so viel Strom aus Kohle zu erzeugen und zu vermarkten, wie nur möglich ist, so müsste der Hamburger Senat bereit sein, mit einer finanziellen Unterstützung das Unternehmen in die Lage zu versetzen, seine Selbstverpflichtung einzuhalten. Dies dürfte nach den Kostenangaben bei der Bekanntgabe der Selbstverpflichtung eine der kostengünstigsten Klimaschutzmaßnahmen sein, die es für Hamburg gibt.

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