Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Jetzt auch in Hamburg neue Klimaschutz-Ziele!

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Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem als epochal bezeichneten Beschluss vom 24. März 2021 Klagen gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) vom 15.11.2019 stattgegeben und dieses Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Die deutsche Bundesregierung verschärfte daraufhin rasch ihre Klimaschutz-Ziele für das Jahr 2030 und die Folgejahre.


Bild 1:        Karikatur: Mester/sfv

Zielmarken für das neue Klimaschutzgesetz der BRD sind:

  • 2030 mindestens 65 statt 55 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß im Vergleich zu 1990
  • Klimaneutralität bis 2045 gegenüber bisher 2050

Die Bundesregierung folgte damit weitgehend einem Vorschlag von AGORA Energiewende vom Mai 2021, aus dem Bild 2 stammt.


Bild 2:  Vorschlag von „AGORA Energiewende“ zur Umsetzung des BVerfG-Urteils (Bild: AGORA Energiewende)

Aus der Begründung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Entscheidung mit dem Gerechtigkeitsprinzip. Teile des Bundes-Klimaschutzgesetzes wurden für rechtswidrig erklärt, weil die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden durch die Reduktionsziele im bisherigen deutschen Klimaschutzgesetz  in ihren Freiheitsrechten verletzt werden. „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.“

„Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folgt auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.“


Bild 3:              Karikatur: Mester/sfv

Wie wird Hamburg auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts reagieren?

Den Vorgaben des  Bundesverfassungsgerichts muss sich auch das Bundesland Hamburg stellen.

Hamburg hat in der Fortschreibung seines Klimaplans laut Drs. 21/19200 im Dezember 2019 beschlossen, seine CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und bis 2050 „klimaneutral“ zu sein. „Klimaneutral“ sollte hierbei heißen: CO2-Reduktion um mindestens 95 Prozent. Berechnungsgrundlage war dabei die CO2-Verursacherbilanz, während die BRD Treibhausgase nach einer Territorialbilanz bestimmt (Bild 4).


Bild 4: Bisherige Klimaschutz-Selbstverpflichtungen der BRD und Hamburgs. Für die BRD ist die bisherige verpflichtende Abnahme der Treibhausgase dargestellt, für Hamburg die Abnahme der CO2-Emissionen, jeweils bezogen auf das Jahr 1990.

Wenn Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein soll, dann darf Klimaneutralität in Hamburg nicht auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden wie im bisherigen Klimaplan. Außerdem dürfen für die Zeitspanne 2030 bis 2045 keine höheren Anforderungen zur Reduzierung der Emissionen gestellt werden als im Rest Deutschlands. Daher muss die CO2-Minderung bis 2030 auch für Hamburg mindestens 65 Prozent wie Bild 5 zeigt.

In einem Antrag 19/29294 (5.5.2021) aus Anlass der Entscheidung des BVerfG forderten die Grünen im Bundestag eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 70 Prozent bis 2030. Eine ähnliche „Nachschärfung“ forderte auch der BUND.

Weitere Verschärfungen wie diese lassen sich damit begründen, dass die von der jetzigen Bundesregierung beabsichtigte Reduzierung immer noch das für die BRD verbleibende CO2-Emissionsbudget erheblich übersteigt. Aus der Entscheidung des BVerfG:

„Die verfassungsrechtlich maßgebliche Temperaturschwelle von deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C kann prinzipiell in ein globales CO2-Restbudget umgerechnet werden, das sich dann auf die Staaten verteilen lässt.“

„Danach darf nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.“

Nach einer Kurzanalyse von Greenpeace würde das vom Bundesverfassungsgericht kritisierte bisherige Klimaschutzgesetz bis 2030 schon rund 96 Prozent des für die BRD verbleibenden CO2-Budgets verbrauchen. Auch beim neuen Reduktionspfad nach der Novelle des Klimaschutzgesetzes wären es immer noch 91 Prozent des Budgets bis 2030. Greenpeace fordert daher einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 statt bis 2038.


Bild 5: Neue Klimaschutz-Verpflichtungen der BRD sowie Anpassung für Hamburg. Für die BRD wird die Abnahme der Treibhausgase dargestellt, für Hamburg die Abnahme der CO2-Emissionen, jeweils bezogen auf das Jahr 1990.

Die Treibhausgas-Reduzierungen in den einzelnen Sektoren


Bild 6: Sektorbezogene Emissionspfade im Zeitraum 2020 bis 2030 nach der Novelle 2021 des Bundes-Klimaschutzgesetzes

Nach dem Referentenentwurf zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes sollen die Treibhausgas-Emissionen in den einzelnen Sektoren zwischen 2020 und 2030 wie in Bild 6 sinken. Die stärksten Absenkungen sollen in den Sektoren Energie und Industrie erfolgen, in denen viele Anlagen dem Europäischen Emissionshandel unterliegen. Damit soll besonders dort gemindert werden, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind. Hinzu kommt, dass der Energiesektor wegen der Bedeutung der Elektrifizierung von Endverbrauchssektoren (Sektorkopplung) ein Schlüsselsektor für Emissionsminderungen in allen Sektoren ist.

Während die im Referentenentwurf geforderte Absenkung gegenüber dem Jahr 2020 bei der Energiewirtschaft 61 Prozent beträgt, liegt sie bei den anderen Sektoren zwischen 39 und 44 Prozent, bei der Landwirtschaft sogar nur bei 23 Prozent.


Bild 7: Bisherige sektorbezogene Emissionspfade im Zeitraum 2017 bis 2030 nach dem Hambrger Klimaplan 2019 (Tabelle 7 in Drs. 21/19200 vom 3.12.2019)

Bei einem Vergleich mit der bisherigen Planung in Hamburg fällt auf, dass in den Sektoren Verkehr und Industrie bisher nur Absenkungen von 30 bzw. 35 Prozent vorgesehen waren, während bei den Sektoren Private Haushalte und Gewerbe, Handel, Dienstleistungen bereits 55 bzw. 59 Prozent gefordert wurden. Bei einer Novellierung des Hamburger Klimaplans wäre daher ein Abgleich mit den bundesweiten Ansätzen angebracht.

Der BUND Hamburg hat bereits darauf hingewiesen, dass bei der Verschärfung des Klimaplans „letztlich auch eine solide Finanzierung notwendig (ist), die über den nächsten Doppelhaushalt hinausgeht.“

Gute Vorsätze

In der Aktuellen Stunde der Hamburger Bürgerschaft am 5. Mai 2021 forderte die Sprecherin der Grünen für Klimapolitik und Mobilitätswende, Rosa Domm, zum Bundes-Klimaschutzgesetz: „Deswegen wird es auch nicht reichen, die Ziele für 2030 anzupassen, auch nicht auf 65 % Reduktion. Was wir jetzt brauchen ist ein Klimaschutzgesetz, das sich auf ein 1,5-Grad-CO2-Budget stützt. … Ich sehe auch ganz klar Hamburg in der Pflicht. Unser Klimaschutzgesetz muss auch wasserdicht werden mit klaren Reduktionspfaden für alle Sektoren und generationsgerechten und 1,5-Grad-kompatiblen Reduktionszielen.“

Senator Kerstan erklärte anschließend, der Senat habe sich selber auferlegt, seinen Klimaplan alle vier Jahre fortzuschreiben. Vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG müsse er natürlich dennoch überprüfen, ob er „für das Jahr 2030 beim Konkretisionsgrad noch drauflegen müsse“.

„Und wenn der Bund bis zum Jahr 2040 85 % einsparen will und 45 klimaneutral werden wollte – mit dem Anspruch, den Hamburg bisher an den Tag gelegt hat, Wegbereiter, Vorreiter zu sein und Blaupausen für die Zukunft zu entwickeln, dann brauchen wir für Hamburg ein ehrgeizigeres Ziel. Wir als Umwelt- und Klimabehörde wären dankbar und froh darüber, den Auftrag vom Senat zu bekommen, das auch wirklich in der nächsten Fortschreibung des Klimaplans und Klimaplanschutzgesetzes festschreiben zu können.“

Der aktuelle Klimaplan wurde am 3.12.2019 beschlossen. Abwarten bis zur Fortschreibung nach vier Jahren gemäß dem Hamburg Klimaschutzgesetz § 6 (3) würde bedeuten, dass neue Zielwerte und entsprechende Maßnahmen erst im Jahr 2024 wirksam werden würden. Mit den zitierten Erklärungen von Rosa Domm und Jens Kerstan wäre das kaum vereinbar.

Rosa Domm forderte am 5. Mai Sofortmaßnahmen von der Bundesregierung. Die hat inzwischen entsprechende Beschlüsse gefasst. Jetzt ist auch Hamburg an der Reihe. Nach dem HmbKliSchG § 6 (2) berichtet der Senat „der Bürgerschaft alle zwei Jahre über den Stand der Zielerreichung und der Umsetzung der Maßnahmen des Hamburger Klimaplans“. Bis zum Zwischenbericht im Dezember 2021 gibt es genug Zeit, verschärfte Ziele zu beschließen und Maßnahmen zu deren Umsetzung zu ergreifen.

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