Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Sehr geehrter Herr Drieschner,

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Achtung: Satire!

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bitte  erschrecken Sie nicht, wenn der Hamburger Energietisch e. V. (HET) aus Anlass Ihrer Enthüllungsgeschichte „Verirrt im Dornendickicht“ in der Zeit vom 29. April 2021 ein Schreiben an Sie richtet. Wir müssen einsehen, dass Sie das Ränkespiel des HET durchschaut und überzeugend offengelegt haben. Daher versuchen wir eine Flucht nach vorne.

Karikatur: Mester, SFV

Ihre Philippika ist umso glaubwürdiger, als Sie durchaus Verständnis für eine Debatte um den Import von Buschholz aus Namibia nach Deutschland zeigen. Sie erinnern aus diesem Anlass an „Rückschläge“ für den energetischen Einsatz von Biomasse aus fernen Ländern: „Der Palmölproduktion für die Stromindustrie fiel Regenwald zum Opfer, mit schlimmen Folgen für Umwelt, Artenvielfalt und Klima.“

In der Tat: Während Palmöl heute nur dem Diesel beigemischt wird, wurde es früher sogar in Blockheizkraftwerken für die Stromerzeugung eingesetzt. Aber das ist schon eine geraume Weile her. Vielleicht stammt es noch aus der Zeit, in der Sie als „Atomjournalist“ Bekanntheit erlangten. Suchmaschinen präsentieren Sie als solchen immer noch ganz oben, obwohl dieser Abschnitt Ihrer Tätigkeit ebenfalls schon längere Zeit zurück liegt.

Wahrscheinlich wenden Sie sich an Ihre atom-affinen Leserinnen und Leser von damals, wenn Sie jetzt gleich zweimal auf „Radiokarbonuntersuchungen“ zu sprechen kommen: Beim HET, den Sie als „Anhänger der Theorie von Buschholzverschwörung“ entlarven, entdecken Sie die Motive „globale Klimakrise und historische Kolonialverbrechen, Pläne für den Kohleausstieg und angeblich missdeutete Radiokarbonuntersuchungen an Graswurzeln“.

Völlig überzeugend kommen Sie an einer Schlüsselstelle Ihres Essays auf Savannen, Büsche und SOC zu sprechen: „Weltweit steckt mindestens ein Zehntel, nach anderen Berechnungen sogar fast ein Drittel von allem SOC in den Böden der Savannen. Zum weitaus größten Teil, das weiß man aus Radiokarbonuntersuchungen getrockneter Wurzelmasse, wurde dieses SOC durch Gras erzeugt – auch dort, wo Büsche stehen, und sogar an Stellen, wo der Bewuchs schon vor Jahrzehnten eine waldähnliche Form angenommen hat.“

Solche Passagen Ihres eindrucksvollen Traktats weisen Sie als erfahrenen Fachjournalisten aus. Von den drei zentralen Begriffen im Streit um das Buschholz – Biomasse, Savanne und Soil Organic Carbon, kurz SOC – erläutern Sie den letzten in unnachahmlicher Weise. Wer hat schon gewusst, dass „ein großer Teil der Biomasse, die Pflanzen aufbauen, nicht oberirdisch sichtbar, sondern im Boden verborgen ist“ und dass darüber hinaus dieser Umstand „in der Debatte um das globale Klima erst seit Kurzem eine Rolle“ spielt? Eine Erwähnung des engen Zusammenhang des SOC mit dem bekannteren Humusgehalt des Bodens erschien Ihnen sicher zu banal.

Zurück zu den „Radiokarbonuntersuchungen“: Das radioaktive C-14-Isotop wird bekanntlich zur Altersbestimmung herangezogen. Beim Dornendickicht, den Shrubs, Büschen oder was sonst noch als Bezeichnung der Bedeckung des „degradierten Buschlands“ gebräuchlich ist, genügt zur Altersbestimmung eigentlich das Zählen von Jahresringen. Bei Gras und Graswurzeln tut mensch sich damit schwerer – das räumen wir gerne ein. In der modernen Biologie verwendet man aber eigentlich gar keine Radioaktivitätsbestimmungen zur Untersuchung der Beiträge von Gras und von holzigen Pflanzen zum Humus. Mensch bestimmt vielmehr mit Massenspektrometern die jeweiligen Anteile der stabilen Kohlenstoff-Isotope C-12 und C-13. Gräser und Gehölze bedienen sich derer nämlich in unterschiedlichem Maße, sodass aus dem Verhältnis der beiden Schlüsse auf Wer, Wo und Wann gezogen werden können.


Unterschriften unter die Petition „Keine Büsche und Bäume in Großkraftwerken verfeuern!“

Haben Sie bitte keine Angst: Wir werden Sie nun nicht mit Literaturlisten zu diesem Thema traktieren. Entsetzlich lange Literaturlisten gehören zu den schärfsten Waffen des HET. Das haben Sie ganz richtig festgestellt. Wir wollen uns beim Einsatz von Literaturlisten auch nicht damit herausreden, dass andere uns in dieser Hinsicht noch übertreffen. Das Gutachten von Dr. A. Schick und Prof. Dr. Dr. h.c. P. Ibisch „Namibian ‘Bush encroachment’ in context:  an ecological perspective on current and future dryland greening, its causes and consequences“, das die Deutsche Umwelthilfe am 29. April 2021 vorstellte, übertrifft mit etwa 200 Literaturquellen die vom HET in Auftrag gegebenen Gutachten zur Klimawirkung von namibischem Buschholz in Deutschland deutlich.

Doch das ändert nichts daran und wir wollen es auch gar nicht bestreiten: „In der Umweltbehörde untersuchen Fachleute die Ökobilanz des ganzen Unterfangens, die technische Machbarkeit, die sozialen und ökonomischen Folgen in Namibia und hier.“ Durch die Kritik des HET am Buschholzprojekt, eingerahmt durch endlos lange Literaturlisten, werden diese „Fachleute“ der Hamburger Umweltbehörde nun so nervtötend beschäftigt, dass die BUKEA ihren Prüfprozess bereits um ein halbes Jahr verlängern musste. Die „Experten“, die Ihrem Bericht zufolge sagen, eigentlich sehe der Import von Buschholz ganz gut aus, benötigen so viel Zeit, um sich durch Literaturlisten, „deren Umfang für ein naturwissenschaftliches Studium ausreichen würde“, hindurch zu fressen, dass sie bereits zur Resignation „gegen sehr breiten öffentlichen Widerstand“ neigen, wie Sie herausgefunden haben.

Viel bürokratenfreundlicher verhält sich das Institut IfaS, von dem Sie berichten: „Wie viel SOC im Boden angereichert würde, weiß niemand. Nach einer Modellrechnung des Instituts für Stoffstrommanagement in Birkenfeld, das dieses Entwicklungsprojekt begleitet, könnte es bestenfalls so viel sein, dass der ganze Prozess, inklusive Verschiffung und Verbrennung der Pellets, der Atmosphäre CO2 entziehen würde.“ Eine tolle Klimaschutzmaßnahme mit negativen Emissionen! Nach solchen wird doch so dringend gesucht! Wer kann sich jetzt noch dagegen sträuben?

Dieses Institut geht vorbildlicherweise mit der Angabe von Literaturquellen äußerst sparsam um und beruft sich stattdessen gerne auf nicht namentlich genannte Experten – meist aus Namibia. Sicherheitshalber stützt es sich außerdem weitgehend auf ein Gutachten der Forstberatung UNIQUE, die ihre einschlägige Studie mit einer halblangen Literaturliste versah, was sich bei einem über hundert Seiten langen, von der GIZ bezahlten Gutachten kaum vermeiden lässt. Allerdings stellen auch diese „Referenzen“ die „Fachleute“ der BUKEA  vor Probleme. Denn sie wurden offensichtlich schlampig zusammengehauen und konnten daher von den „Kritiker:innen“ leicht zerlegt werden. Hierauf beziehen Sie sich zu Recht, wenn Sie schreiben, dass zum Wahn einer Buschholzverschwörung nicht nur „europäische Politiker, die gemeinsame Sache mit afrikanischen Großgrundbesitzern machen“, „angeblich gekaufte Gutachter“ und „angeblich gefälschte pseudo wissenschaftliche Arbeiten“ gehören.

Zurück zu den Geständnissen, zu denen sich der HET durchgerungen hat, in der Hoffnung damit weiteren Ihrer hellsichtigen Enthüllungen über die von ihm in Gang gesetzte Verschwörung zuvorzukommen.

  1. Von Dr. Chris Brown berichten Sie, er habe sich geweigert, „die Schriften des Hamburger Energietisches in Namibia zu verbreiten“. In der Tat hat dieser im gleichen Zusammenhang bereits richtig vermutet, dass es dem HET darum gehe, anstelle von namibischem Buschholz russischem Erdgas in Deutschland den Weg zu bereiten. Sie selbst setzen die Entlarvung nun konsequent fort, indem Sie ergänzen, diese „Kampagne“ werde von Umweltorganisationen aus den USA und aus Russland unterstützt.
  2. Indem der HET sich entschieden gegen den Import von namibischem Buschholz wendet, fördert er natürlich auch die Geschäfte von Riverstone, diesem übermächtigen Konkurrenten einer transkontinentalen Lieferung von Holzpellets aus Namibia nach Deutschland. Dieser US-Konzern mit Sitz in der Steueroase Guernsey schickt sich an, mit Holzpellets aus nordamerikanischen Wäldern und aus den baltischen Staaten in großem Maßstab Steinkohle in der BRD zu ersetzen. Kein Zweifel, dass damit der Markteintritt des namibischen Buschholzes ganz erheblich erschwert werden könnte.
  3. Wenige ahnten bisher, dass sich der HET bereits im Jahr 2015 mit dem kanadischen Unternehmen ReconAfrica verbündete, damit sich dieses spätfossilistische Start-Up still und leise Lizenzen der namibischen Regierung für Ölbohrungen im Okavango-Delta sichern konnte. Wenn dort im „Garten Eden“, dem größten grenzüberschreitenden Naturschutzgebiet der Erde, dem Weltnaturerbe KAZA (Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area), erst einmal in großem Umfang nach Erdöl und Erdgas gefrackt wird, dann wird sich kaum mehr jemand über die Verbuschung der umgebenden Landstriche aufregen.
  4. Auch für das entsetzliche Schicksal der namibischen Wüstenlöwen muss sich der HET in gewisser Weise verantwortlich fühlen. Da nämlich namibische Farmer mit zunehmendem Vordringen invasiver Dornbüsche immer geringere Erträge bei ihrer Rinderzucht erzielen konnten, verlegten sich nicht wenige auf die lukrativere Trophäenjagd mit dem Ergebnis, dass die Jagdgebiete der Wüstenlöwen, in denen es früher von Springböcken nur so wimmelte, heute leergefegt sind. Den Hungertod vor Augen stürzen sich die letzten Wüstenlöwen nun sogar auf die Hühner von Subsistenzbauern in den angrenzenden kommunalen Gebieten.
  5. Unter den von der Einschüchterung durch den HET betroffenen Organisationen – Sie gehen näher auf die Umweltorganisation Namibia Nature Foundation (NNF) ein – darf das schon erwähnte „Institut für Stoffstrommanagement in Birkenfeld“ (IfaS) nicht übersehen werden. Aus tiefster Überzeugung schrieben die Autoren in ihrem „Masterdocument“ im Zusammenhang mit den von ihnen errechneten günstigen Preisen von Holzpellets aus Namibia: “From the time of the colonialism of Germany in Africa, a chance arises for Germany to be able to heal the damages related to historical events.” Nach einem vom HET entfesselten Sturm der öffentlichen Entrüstung über diese Anspielung auf den Völkermord an den Herero und Nama vor gut hundert Jahren sah sich das IfaS im April 2021 genötigt, eine Neuversion seiner Machbarkeitsstudie vom 19. November 2020 ohne diesen Satz herauszugeben („Road Map to a Biomass Industrial Park“). Dabei ist die Freiheit der Wissenschaft doch grundgesetzlich garantiert.
  6. Dass die am 29. April 2021 von der Deutschen Umwelthilfe, von Robin Wood sowie von Peter Wohlleben gestartete Petition „Keine Büsche und Bäume in Großkraftwerken verfeuern!“, der sich der BUND Hamburg angeschlossen hat, nach drei Tagen schon das Zwischenziel von 50.000 Unterschriften überschritten hatte, das ist wohl nur ganz indirekt und zu einem kleinen Teil dem HET anzulasten. Der Boden hierfür wurde zuvor bereits von anderen Verschwörern wie den 500 internationalen Wissenschaftlern bereitet, die die EU und die USA aufforderten, auf Holzverbrennung ganz und gar zu verzichten.
Bild: P. Ibisch

Sehr geehrter Herr Drieschner:

Dieses unser Sündenregister können Sie wahrscheinlich mühelos fortsetzen. Ihre Verwunderung darüber, wie eine so unbedeutende, wenn auch vom Umweltbundesamt anerkannte Umweltorganisation wie der HET mächtige Umweltverbände wie Robin Wood und die Deutsche Umwelthilfe mittels einer Unterstützung aus Schottland und den USA auf seine Seite ziehen konnte, ist mehr als berechtigt. Wir fänden es daher fair, wenn Sie diese von Ihnen dargestellten Zusammenhänge vor allem bei ihrer Polemik gegen die Verführten, insbesondere Robin Wood, berücksichtigen würden. Es wäre eine großzügige Geste der ZEIT, wenn sie Robin Wood und der DUH Raum für eine Gegenäußerung bieten würde.

Der HET selbst wird nach diesen Geständnissen prüfen müssen, ob er sich gewissen Hamburger Splittergruppen anschließen will, die sich bisher, recht klug bemäntelt, glühend bis verbissen für den Import von namibischem Buschholz eingesetzt haben. Ob diese dem HET nicht die Tür vor der Nase zuschlagen werden, ist ungewiss, auch wenn der HET im Büßerhemd daherkommen sollte.

Der Artikel von F. Drieschner, auf den sich diese Satire bezieht, findet sich leider wohl nur in der Printausgabe. Auszüge daraus werden unter „Verirrt im Dornendickicht“ wiedergegeben.

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