Als pdf-Datei
Ende November und Anfang Dezember 2020 boten Befürworter eines Buschholz-Imports aus Namibia drei Video-Seminare an. Wem diese Seminare noch nicht gereicht haben, dem schenkt das Trierer Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) nun kurz vor Weihnachten neues, spannendes Lesefutter: ein Masterdocument Road-Map to BIP.
Datiert auf den 19. November 2020 lag dieses Masterdocument schon vor diesen Video-Seminaren vor. Die Veranstalter:innen hielten jedoch dicht. Nun ist die Überraschung perfekt.
Für die, die es noch nicht wissen: Biomasse-Industrieparks (BIP) sind die Lösung für die ökologische und sozioökonomische Katastrophe, die Namibia bedroht, das bush encroachment (S. 11). Namibia besitzt über 450 Millionen Tonnen einer ungenutzten erneuerbaren Ressource, nämlich der Biomasse, die auf 45 Millionen Hektar gedeiht (S. 11).
So ein BIP verarbeitet davon aber nur 0,25 Millionen Tonnen im Jahr. Für den Kohleersatz in Hamburg-Tiefstack wären die Lieferungen eines einzigen BIPs fast schon ausreichend. Welcher Investor würde da nicht sein Auge mit Wohlgefallen auf diese ungenutzte Ressource richten? Auch Flensburg, Berlin und Rostock wollen aus der Kohle aussteigen (S. 47).
Schon „konnten entscheidende strategische Partner mit konkretem Interesse an einer Biomassepartnerschaft erfolgreich angesprochen und verpflichtet werden, wie z. B. die Stadt Hamburg oder die Brüning-Gruppe.“ (S. 166)
Die internationale Nachfrage nach Holzpellets und Holzhackschnitzeln von europäischen Kraftwerksbetreibern wie von Stadtwerken, von Unternehmen wie Vattenfall, Uniper, Drax und von Großhändlern wie der Brüning-Gruppe etc. wird in den nächsten Jahren drastisch steigen (S. 24). Ein Riesengeschäft bahnt sich an!
Die Brüning-Gruppe handelt europaweit mit energieliefernden Massenrohstoffen und verfügt bereits über Zertifizierungen wie FSC, PEFC, SBP, ISO 14001, EFB und ENplus, die zunehmend von Endkunden in Europa gefordert werden. Wie praktisch. Also hat sie ebenso wie die Stadt Hamburg auch schon ein Memorandum of Understanding (MoU) mit IfaS unterzeichnet, basierend auf dem Biomass Hub-Konzept von IfaS, das gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt wurde (S. 139). Die Zertifizierungen und Siegel und das Sustainable Resource Verification Scheme (SURE) spielen eine große Rolle (S. 156). Für die betroffenen Farmer und vor allem auch für die scheinselbständigen Erntearbeiter wird das zweifellos Auswirkungen haben. Ob sich das IfaS darüber wohl schon Gedanken gemacht hat?
Viel Arbeit und nicht wenige Erfolge dieser Arbeit in den letzten 18 Monaten beschreibt das Masterdocument. Aber alle MoU-Prüfprozesse sind selbstverständlich völlig ergebnisoffen. Honi soit qui mal y pense.
Der erste BIP am schönen Platz der Fetten Kühe
Nicht weniger als 105 BIPs könnte Namibia für die nächsten 20 Jahre ohne Probleme verkraften (S. 45). Das vorhandene Straßen- und Eisenbahnnetz wird dafür natürlich nicht ausreichen. Es kommen also auch auf den namibischen Staat beträchtliche Investitionen zu. Ob das die Steuer-Einkünfte (1,8 Prozent des BIP-Umsatzes (S. 117)) nicht glatt auffressen würde?
Nach dem erfolgreichem Abschluss des Prüfprozesses in Hamburg muss ein erster BIP geschaffen werden (S. 57): in Otjiwarongo (Herero, auf Deutsch „schöner Platz der Fetten Kühe“). Gedacht ist an ein PPP (Public-Private Partnership). Der namibische Staat dient als Regulator. In Otjiwarongo schenkt er auch noch die notwendigen Grundstücke. Für den Rest sind der Operator und die Service Providers zuständig.
Und woher kommt das Geld? Wo sind die Investoren? Keine Sorge: Es gibt international sehr viel Geld auf den Finanzmärkten, das nach lukrativen Anlege-Möglichkeiten sucht. „This will be done via our so called “Road Show” concept in Namibia and South Africa.“ (S. 166)
Potenzielle Investoren „aus der Region“ wie Imperial Logistics aus Südafrika wurden bereits kontaktiert und für die BIPs gewonnen (S. 168). Das ist auch gut für die BRD. Denn die Imperial Logistics International B.V. & Co. KG sitzt laut Wikipedia in Duisburg, Nordrhein-Westfalen, weil sie aus dem Krupp-Konzern hervorgegangen ist.
Das Masterdocument: 171 Seiten, prall gefüllt mit interessanten Informationen. Nach dem Ausdruck „full mechanized“, wie voll-mechanisierte Ernte, sucht man aber vergebens. „Semi-mechanized“ kommt zweimal vor, aber für eine Klärung der sehr wichtigen Frage, wie viele der gegenwärtigen einfachen Arbeitsplätze verdrängt werden würden, ist so gut wie nichts zu erfahren. Fortschritt kostet eben einen Preis und um Dr. Brown, den CEO der namibischen Umweltkammer, zu zitieren: Wir wollen doch nicht wieder in Höhlen wohnen!
Die Auswirkungen auf das globale Klima?
Zur Klimafrage erfährt die geneigte Leserin zuerst: „The biomass itself has a CO2 balance of 0 because it has absorbed CO2 from the environment up to the day of tinning.“ Gemeint ist „bush thinning“, nicht Verzinnung. Die Buschbiomasse ist CO2-neutral, so IfaS. Der CO2-Ausstoß beim Transport der Biomasse zum Verbraucher muss aber berücksichtigt werden. (S. 134)
Das war der Erkenntnisstand des IfaS zum Zeitpunkt der Niederschrift seines „Dossiers“. Inzwischen hat das Institut gelernt, was namibische Autorinnen schon länger wussten, dass auch noch das von den zusätzlichen Rindern ausgestoßene Methan eine nicht unerhebliche Rolle spielt, besonders aber der im Boden gespeicherte organische Kohlenstoff (SOC). Denn wenn verbuschtes Land in Grasland (Savanne) umgewandelt wird, dann verändert sich der Kohlenstoff-Gehalt im Boden. Der Boden wirkt über einen längeren Zeitraum als Quelle oder als Senke von CO2. Und das kann die Erderhitzung erheblich beeinflussen.
Dies bedenkend versicherte Herr Dr. Flesch (IfaS) beim öffentlichen Seminar in Hamburg am 1. Dezember 20, mit dem in Namibia abgeholzten und in Hamburg verbrannten Buschholz würde der Atmosphäre in der Gesamtbilanz sogar CO2 entzogen werden (S. 33 – 37). Gegenüber der Alternative fossiles Erdgas würden 111% CO2 eingespart. Oben auf Seite 33 ist hierzu aber zu erfahren, dass beim Seminar ein mögliches optimistisches Treibhausgas-Szenario gezeigt wurde.
Dass zum Beispiel das Gutachten [Rabenstein 2020], in dem die Auswirkungen der Buschholz-Nutzung in Hamburg gründlich untersucht wurden, zu einem völlig anderen Ergebnis kam als Dr. Flesch, das passt nicht zum Masterdocument. Deswegen wird es auch verschwiegen. Aber sicher ist sich das IfaS trotzdem nicht. Denn interessanterweise steht auf Seite 32: „Die entstehenden THG-Emissionen sind unter keinen Umständen höher als die von Erdgas oder Kohle.“
THG-Emissionen, die nicht drastisch niedriger sind als die von fossilem Erdgas, kommen aber beim Kohleersatz in Hamburg gar nicht in Frage, weil mit ihnen die Klimaziele Hamburgs nicht zu erreichen wären.
Das waren einige Fundstücke aus dem Masterdocument. Vielleicht haben sie Ihr Interesse geweckt? Sie werden sicher noch viel mehr finden. Zum Beispiel das folgende, das empfindsamen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen die Haare zu Berge stehen lässt:
„From the time of the colonialism of Germany in Africa, a chance arises for Germany to be able to heal the damages related to historical events.“ (S. 28)
Auf Deutsch: „Ausgehend von der Zeit des deutschen Kolonialismus in Afrika ergibt sich für Deutschland eine Chance, die mit den historischen Ereignissen verbundenen Schäden heilen zu können.“
So kann man den Völkermord an den Herero und Nama also auch noch für seine Geschäfte einsetzen.
21. Dezember 2020