Diskussionspapier
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Eine neue Lobbygruppe um den US-Konzern Riverstone, den Energieversorger EnBW und Unternehmen der Holzpellets-Erzeuger macht sich für die Umrüstung von Kohlekraftwerken auf die Verbrennung von Holz stark. Sie beruft sich auf einen Beschluss von Bundestag und Bundesrat parallel zur Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes. Ende März 2021 stellte sie ein im Detail ausgearbeitetes Förderkonzept vor. Mindestens 2 Milliarden Euro aus zusätzlichen Steuergeldern sind für die Förderung der Holzverbrennung vorgesehen. Es könnte viel mehr werden. Die Nutzung von Frischholz, noch dazu für eine sehr ineffiziente Verbrennung, steht in klarem Widerspruch zu den deutschen Energie- und Klimaschutzzielen. Eine derartige öffentliche Förderung muss daher unterbleiben. In den Niederlanden wurde kürzlich bereits beschlossen, keine neuen Subventionen für Biomasse-Kraftwerke mehr zu gewähren.
Eine neue Lobbygruppe der Holz-Energiebranche
Ende März 2021 meldete sich eine neu gegründete Lobbygruppe zu Wort, die sich für die Verbrennung von Holz stark macht:
- In Berlin wird ein „Forum Nachhaltige Holzenergie“ (FNH) gegründet. Eine erste Pressemeldung vom 30. März 2021: „Neues Forum will Erzeugung von grüner Wärme und Strom vorantreiben. Pellets aus nachhaltig gewonnenen Holzreststoffen bieten klimaneutrale Alternative zu Steinkohle.“
- Eine Studie des Beratungsunternehmens enervis zur Förderhöhe wird präsentiert.
- Das Handelsblatt berichtet am 26. März 2021 über diese Studie: „Die Betreiber von Kohlekraftwerken wollen ihre Anlagen künftig mit Biomasse befeuern. Sie sehen darin einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Stabilisierung des gesamten Stromerzeugungssystems.“ Viele weitere Medienberichte folgen.
Zu den Gründungs-Mitgliedern des FNH zählen laut Pressemeldung unter anderem Amandus Kahl, EnBW, Enviva, eta Energieberatung, OnyxPower, SchwaigerHolzindustrie, STELA Laxhuber und Wismar Pellets. Den Vorsitz des Vorstands übernahm Philipp Hübler (Wismar Pellets). Stellvertretende Vorsitzende sind Andreas Schultz (Amandus Kahl) und Marius Hachenberg (Enviva).
Der Kern der Lobbyorganisation, EnBW, Enviva und Onyx Power, wird also vor allem durch Pellet-Hersteller ergänzt. Amandus Kahl ist ein Unternehmen, von dem Prof. Dr. Heck vom IfaS laut seiner Machbarkeitsstudie erhofft, dass es die Schwierigkeiten der Pelletierung von namibischem Subtropenholz überwindet.
Der deutsche Ausstieg aus der Steinkohle
Bundestag und Bundesrat haben am 3. Juli 2020 mit dem Kohleausstiegsgesetz den Ausstieg der BRD aus der Verstromung von Kohle beschlossen. Das Kohleverstromungs-beendigungsgesetz (KVBG) ist am 14. August 2020 in Kraft getreten. Der Ausstieg aus der Nutzung der Steinkohle zur Stromerzeugung soll schon bis zum Jahr 2034 abgeschlossen werden, wie Bild 1 zeigt.
Die Betreiber von Braunkohlekraftwerken sollen mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die Stilllegungen entschädigt werden. Die Stilllegung der Steinkohlekraftwerke erfolgt durch eine Kombination aus Ordnungsrecht und Instrumenten des Wettbewerbs. Bis 2023 werden Ausschreibungen für Entschädigungen durchgeführt. Ab 2024 gibt es zusätzlich zu den Ausschreibungen ein ordnungsrechtliches Verfahren. Ab 2028 wird die Reihenfolge der Kraftwerks-Stilllegung durch die Aufsichtsbehörden festgelegt, ganz ohne Ausschreibungen.
Steinkohle-Kraftwerke im Norden
Bild 2 zeigt Steinkohle-(Heiz-)Kraftwerke in der Nähe der Nord- und Ostseeküste.
Da die Auslastung vieler Steinkohlekraftwerke in Deutschland bereits so gering ist, dass sich nicht einmal die laufenden Kosten decken lassen (Bild 3), haben sich viele Kraftwerks-Betreiber darum bemüht, bei den ersten Ausschreibungen eine Entschädigung für die Stilllegung zu erhalten.
Ein Überblick über Stand und Planungen bei Steinkohlekraftwerken in Küstennähe, wobei Kraftwerke, bei denen Holz als Ersatz für Steinkohle geplant wird, besonders interessieren:
Hamburg:
Das große Kraftwerk Moorburg, das im Jahr 2015 in Betrieb genommen wurde, ist nach einer Auslastung im Jahr 2020 von nur noch etwa 14 % bereits vom Netz gegangen.
Die Strom-Auslastung der Hamburger Heizkraftwerke Wedel und Tiefstack mit elektrischen Maximalleistungen von 250 MW bzw. 189 MW ist noch relativ hoch. Es gibt eine Zusage des grünen Umweltsenators, den Ausstieg Hamburgs aus der Kohleverbrennung bis 2028 abzuschließen. Die Hamburger Umweltbehörde BUKEA prüft gegenwärtig den Einsatz von Buschholz aus Namibia für den Ersatz der Steinkohle am Standort Tiefstack.
Rostock:
Das Heizkraftwerk Rostock gehört zu 50,4 % der EnBW und zu 49,6 % der Rheinenergie AG. Es ist stromorientiert ausgelegt mit einer elektrischen Höchstleistung von 514 MW bei einem Wirkungsgrad von 43 % und mit einer Fernwärme-Höchstleistung von nur 150 MW. Laut Mitteilung des Geschäftsführers des Betreiberunternehmens Kraftwerks- und Netzgesellschaft am 30.1.2019 sollte das Kohlekraftwerk als eines der Letzten in Deutschland vom Netz gehen, also deutlich nach 2030. Am 16.5.2020 hieß es jedoch, man wolle das Kraftwerk so schnell wie möglich auf die Verbrennung von Holz umrüsten. Eine solche Umrüstung hatten auch die Grünen Rostock am 29.4.2020 gefordert.
Die Stadt Rostock bezieht etwa 30 % ihrer Fernwärme aus dem Kohlekraftwerk und könnte im Jahr 2025 die Belieferung mit Fernwärme aus dem Kraftwerk Rostock beenden. Wenn die Fernwärme dann anderweitig gedeckt werden würde, wäre das heute 27 Jahre alte Kohlekraftwerk noch weniger wirtschaftlich als bereits jetzt.
Wilhelmshaven:
Das Uniper Kraftwerk Wilhelmshaven wird am 8. Dezember 2021 endgültig stillgelegt werden – nach einem Zuschlag durch die Bundesnetzagentur bei der zweiten Ausschreibung. Das Kraftwerk mit einer maximalen elektrische Leistung von 757 MW wurde 1976 in Betrieb genommen. Uniper (früher bei E.ON) gehört zu drei Vierteln dem finnischen Fortum-Konzern. Wasserstoff soll den Standort retten.
Die Investmentgesellschaft Riverstone Energy Limited (REL) kaufte Ende 2019 vom französischen Energiekonzern Engie vier Kraftwerke in Deutschland und in den Niederlanden über das neu gegründete Energieerzeugungsunternehmen Onyx. Der Verkauf ließ den Kohle-Anteil im Energiemix von Engie (früher GDF Suez) von 13 Prozent im Jahr 2015 auf 4 Prozent schrumpfen. Gekauft wurden die Kraftwerke Wilhelmshaven (Engie bzw. Onyx), Farge bei Bremen, Maasvlakte Power Station in Rotterdam und Zolling in Bayern.
Das Onyx-Kraftwerk in Wilhelmshaven ist ein brandneues, erst 2015 in Betrieb genommenes Steinkohlekraftwerk mit einer maximalen elektrischen Leistung von 731 Megawatt und einem elektrischen Wirkungsgrad von 46 %. Die Leistungsdaten des Kraftwerks entsprechen weitgehend denen eines Blocks des Steinkohle-Kraftwerks Moorburg. In diesem Kraftwerk werden in Spitzenzeiten 200 Tonnen Steinkohle pro Stunde verfeuert. Nach der geplanten Umrüstung auf Holzpellets wären es 400 Tonnen Holz pro Stunde – zum Schaden des Klimas.
Die Maasvlakte Power Station in Rotterdam, erst seit 2015 voll in Betrieb, hat ähnlich wie ein Block des Kraftwerks Moorburg eine maximale Leistung von 800 MW. Das Kraftwerk soll in der Lage sein, bis zu 80 % oder bis zu 50 % Biomasse zusammen mit Kohle zu verbrennen.
Seit 2019 läuft ein Projekt zur Mitverbrennung von Schwarzen Pellets, nach dem jährlich rund 220.000 Tonnen Biomasse verbrannt werden sollen. Das wäre wesentlich weniger als im Onyx-Kraftwerk Wilhelmshaven geplant.
Onyx Power beantragte eine Förderung in Höhe von 238 Mio. Euro als Gegenleistung für eine Schließung des Kraftwerks.
Bremen:
Das Steinkohle-Kraftwerk Farge im Norden Bremens ging schon 1969 ans Stromnetz. Im Jahr 2004 wurde das Kraftwerk modernisiert. Dabei wurde der Wirkungsgrad von 39,4 auf 42,3 % erhöht bei einer maximalen elektrischen Nettoleistung von 350 MW. Onyx Power gab Mitte April 2021 bekannt, das Kraftwerk solle auf die Verbrennung von Altholz umgestellt werden.
Ein vollständiger Ersatz der Steinkohle durch Altholz ist sehr unwahrscheinlich. Vielmehr ist anzunehmen, dass ganz überwiegend Frischholz eingesetzt werden soll. Denn es würde etwa sieben-mal mehr Altholz benötigt, als in Hamburg für die Strom- und Fernwärmeerzeugung eingesetzt wird (146.000 t Altholz pro Jahr) (gerechnet mit 4000 Volllaststunden pro Jahr bei einem Wirkungsgrad von 40 % und einem Heizwert von 3,6 MWh pro Tonne). Dabei soll in Farge sogar eine Beschränkung auf die Altholzklassen II und III unter Ausschluss der mit Holzschutzmitteln belasteten Klasse IV vorgenommen werden.
Die grüne Senatorin Schaefer findet dennoch, Bremen könnte mit dem Konzept von Onyx Power zum Abschalten des Kohlekraftwerks Farge einen großen Schritt zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens weiterkommen.
Onyx Power hat sich „entschlossen, eine Detailplanung und die Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens als eine wesentliche Voraussetzung für die Umrüstung der Anlage anzustoßen.“ Am 16. April 2021 wird „das Unternehmen beim Gewerbeaufsichtsamt eine Vorhabenbeschreibung für das Projekt an der Weser einreichen. Das offizielle Genehmigungsverfahren wird nicht vor Spätsommer 2021 starten.“ Wie beim Onyx-Kraftwerk Wilhelmshaven wird auch hier langfristig ein Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft für denkbar bezeichnet.
Das Kohlekraftwerk Hafen in Bremen erhielt schon bei der ersten Ausschreibungsrunde einen Zuschlag für die Stilllegung und wird 2021 abgeschaltet. Zur Erzeugung von Fernwärme ist ein Umstieg auf die Verbrennung von Erdgas und Müll geplant.
Als Ersatz für das Kohlekraftwerk Hastedt bei Bremen ist ein Erdgas-Kraftwerk im Bau, das bis 2022/3 fertiggestellt werden soll. Von Uniper soll für die Stadtwerke Bremen (swb) ein Gaskraftwerk mit 9 Gasmotoren bei eine elektrischen Leistung von 105 MW und einer Fernwärme-Leistung von 93 MW errichtet werden. Gegen dieses sehr effiziente Kraftwerksprojekt gab es Proteste mit der Forderung nach einem Baustopp.
Freising:
Nahe dem bayerischen Freising steht das auf die Verwertung von Altholz ausgerichtete Heizkraftwerk Zolling mit einer elektrischen Leistung von 20 MW.
20 MW Altholz in Zolling gegenüber1880 MW Steinkohle. Daraus macht Onyx Power unter den Stichworten „CO2-Neutralität und Umweltschutz“: „Bereits jetzt erzeugt die Onyx Power Group einen beachtlichen Anteil seines Stroms aus CO2-neutralen Energieträgern. Insbesondere der Einsatz von Biomasse in konventionellen Kraftwerken birgt große Chancen für den Klimaschutz. Unter den Oberbegriff Biomasse fällt unter anderem Alt- und Restholz, das sowohl in der holzverarbeitenden Industrie als Abfallprodukt als auch in der Forstwirtschaft anfällt. Durch die Nutzung von Biomasse kann dieses Holz einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden.“
Die Konzerne Riverstone, Onyx Power und Enviva
Riverstone Energy Limited (REL) ist eine geschlossene Investment-gesellschaft, die in die globale Energiebranche investiert. Sie hat eine Adresse in der Steueroase Guernsey. Bis heute wurden von REL 20 Investitionen in Öl, Gas, Biomasse und Energiedienstleistungen in den USA, Westkanada, Golf von Mexiko, Lateinamerika und Europa getätigt.
Onyx Power:
Für den Kauf und Betrieb der vier Engie-Kraftwerke wurde eigens das Unternehmen Onyx Power gegründet. Onyx betreibt damit seit dem 30. November 2019 fünf Anlagen mit einer Bruttokapazität von rund 2.350 MW an den Standorten Wilhelmshaven, Farge, Zolling und Rotterdam (NL).
Während zunächst spekuliert wurde, Riverstone könne es beim Kauf von Kohlekraftwerken auf Klagen und möglichst hohe Entschädigungen abgesehen haben, wird inzwischen deutlich, dass es um die Verbrennung von Holz anstelle von Steinkohle geht. Ein Plan B, Klagen gegen Deutschland nach dem Muster von Vattenfall auf Basis der berüchtigten Energiecharta, ist aber nicht auszuschließen.
Enviva:
Der von Riverstone im Jahr 2020 übernommene Holz-Konzern Enviva ist der weltweit größte Produzent von Holzpellets. Enviva wirbt mit dem Slogan „Displace Coal. Grow more Trees. Fight Climate Change” und lässt die Wälder im Südosten der USA abholzen und als Holzpellets nach Europa verschiffen.
Auf der Homepage der Riverstone Holding LLC ist zu erfahren: Enviva besitzt und betreibt neun Werke mit einer Gesamtproduktionskapazität von ca. 4,9 Millionen Tonnen Holzpellets pro Jahr in Virginia, North Carolina, South Carolina, Mississippi, Georgia und Florida. Darüber hinaus besitzt Enviva zwei Export-Schiffsterminals in Chesapeake, Virginia, und Wilmington, North Carolina, und hat langfristige Pachtverträge für Terminals in Mobile, Alabama, Panama City, Florida, und Savannah, Georgia.
„Richtige Rahmenbedingungen“ für die Holzverbrennung
Onyx Power berichtete am 11.6.2020, mit dem Niedersächsischen Umweltminister, Olaf Lies (SPD), und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Bernd Westphal hätten Gespräche über die Umrüstung des Onyx-Kraftwerks Wilhelmshaven von Steinkohle auf Biomasse stattgefunden (Bild 4). Die politischen Entscheider wollten sich für bessere Rahmenbedingungen einsetzen.
„Unternehmen, die sich nicht aus der Verantwortung ziehen und gewillt sind, in die Umrüstung bestehender Kraftwerke zu investieren, müssen wir eine Brücke bauen. Wir werden uns dafür einsetzen, die richtigen Rahmenbedingungen für klimaneutrale Energieerzeugung zu schaffen“, so Bernd Westphal. Die Nutzung des Kraftwerksstandorts und großer Teile des Kraftwerks sei selbst unter dem Blickwinkel der Ressourcenschonung absolut nachhaltig. „Wir sollten möglichst rasch Lösungen anbieten, damit die Umstellung auch wirtschaftlich darstellbar ist“, empfahl der SPD-Politiker.
Westphal arbeitete viele Jahren für die IG Bergbau und Chemie (IG BC) und für die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Seit 2013 sitzt er im Bundestag. Er ist nicht nur wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sondern auch ordentliches Mitglied des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Nach seinem Einzug in den Bundestag warb er für Fracking-Pilotprojekte. Die massive Reindustrialisierung der USA, wo Fracking im breiten Stil betrieben werde und dies zu wettbewerbsfördernden niedrigen Gaspreisen führe, dürfe hierzulande nicht übersehen werden.
Das zdf berichtete am 29.6.2021, insbesondere jüngere Kraftwerke sollten eine Perspektive für die zukünftige Energieversorgung bekommen, etwa zum Einsatz von Wasserstoff oder Biomasse.
In der Hektik der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes durch den Bundestag am 3. Juli 2020 fand eine entsprechende „Entschließung zu Drucksache 19/17342“ (Drs. 19/20714 Seite 10 ff.) wenig Beachtung, mit der eine Förderung der Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf Gas- oder Biomasseverstromung beschlossen wurde. (Vollständiger Beschlusstext im Anhang unten)
Dieser Beschluss verpflichtet die Bundesregierung, bis Ende 2020 ein zusätzlich aus dem Bundeshaushalt zu finanzierendes beihilferechtskonformes Förderprogramm zur Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf Gas- oder Biomasseverstromung aus nachhaltiger Biomasse vorzulegen.
Vorgesehen ist die Bereitstellung eines Förderprogramms von 1 Milliarde Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt. Aus Sicht des Klimaschutzes ist es besonders problematisch, dass dieses Förderprogramm so ausgestaltet werden soll, dass es auch auf diejenigen Kraftwerke zielt, die wegen geringer oder fehlender Wärmeauskopplung nicht über den Kohleersatzbonus des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes erfasst werden. Bei den Kraftwerke ohne Wärmeauskoppelung werden etwa 60 Prozent der Energie ungenutzt verschwendet. Eine zusätzliche Milliarde Euro soll für das im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz verankerte Förderprogramm für die treibhausgasneutrale Erzeugung und Nutzung von Wärme aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden.
Dass die Bundesregierung zu diesem Förderbeschluss bisher noch keinen Termin für eine entsprechende Richtlinie hat, ist nicht sehr überraschend. Denn sie kommt auch sonst im Energiebereich kaum voran.
Nun haben die Interessenten um das Forum Nachhaltige Holzenergie die Initiative ergriffen. Sie ließen vom Energieberatungsunternehmen Enervis Energy Advisors ein Förderkonzept ausarbeiten – nur für Biomasse.
Auftraggeber sind
- der Energieversorger und Kraftwerksbetreiber EnBW Energie Baden-Württemberg AG,
- die Enviva Management Germany GmbH und
- die Onyx Germany GmbH.
Bei der EnBW , die sich fast zur Hälfte im Besitz des grün-schwarz regierten Landes Baden-Württembergs befindet, könnte es beim Wechsel zu Biomasse um die beiden Blöcke des Heizkraftwerks Altbach/Deizisau in der Nähe von Stuttgart mit einer elektrischen Leistung von zusammen 769 MW gehen und um das Kraftwerk Rostock.
Dem internationalen Riverstone-Konzern mit Enviva und Onyx geht es um einen Umstieg auf Biomasse beim Onyx-Kraftwerk in Wilhelmshaven und beim Kraftwerk Farge bei Bremen.
Garantierte Gewinne und hohe Kraftwerks-Auslastung
Enervis ermittelte in einer Kurzstudie, die im März 2021 vorgestellt wurde, wie hoch die Förderung von Strom aus der Holzverbrennung sein müsste, damit die Umstellung von Steinkohle auf Biomasse (meist Holzschnitzel oder Holzpellets) nach 10 oder alternativ 15 Jahren sichere Gewinne für die Kraftwerksbesitzer einfahren würde. Denn die Umrüstung eines Kohlekraftwerks auf die Verbrennung von Holz und die Erzeugung von elektrischem Strom aus Holz kann nicht durch die Stromerlöse gedeckt werden.
Während die Börsenstrompreise im Allgemeinen zwischen 40 und 50 € pro MWh liegen – unter Berücksichtigung von CO2-Kosten aus dem EU-Emissionshandel zwischen 40 und 70 € pro MWh – sollen die Biomasse-Kraftwerksbetreiber je nach geographischer Lage und Kraftwerksart mit Hilfe der Förderung aus dem Bundeshaushalt zwischen 105 und 120 € pro MWh Strom erhalten. Die Differenz zu diesem „Strike-Preis“ soll aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden. Für Zeitintervalle, in denen der Marktpreis für den Strom höher liegt, soll der Unterschied zum „Strike-Preis“ zurückgezahlt werden. Man spricht bei dieser Fördermethode von einem „Differenzvertrag“ (Contract for Difference = CDF).
Wie oft überschreitet der Börsenstrompreis die Schwelle des Strike-Preises? Wie die Börsenstrompreise pro MWh für das Jahr 2020 in Bild 5 zeigen: so gut wie gar nicht (drei kurze Spitzen im September/Oktober). Der Differenzvertrag CDF ist in diesem Fall also reine Bauernfängerei!
Eine verlässliche Bestimmung der Stromgestehungskosten großer Holz-Kraftwerke ist schwierig. Enviva gab in einer Präsentation für Investoren als Systemkosten für Biomasse-Kraftwerke im Jahr 2016 etwa 90 € pro MWh an, für Biomasse-Heizkraftwerke etwa 70 € pro MWh an. Nach der enervis-Studie wird für die riesigen Biomasse-Kraftwerke von Drax (Großbritannien) ein Strike-Preis von 130 bis 140 € pro MWh erzielt.
Das Beratungsunternehmen Enervis hat für die Ermittlung der Förderhöhe aus Steuergeld vier verschiedene Arten von Steinkohlekraftwerken betrachtet (Bild 6): Zwei mit Wärme- und Stromerzeugung (KWK) und zwei mit reiner Stromerzeugung. Da sich drei von diesen „Referenzkraftwerken“ an einem Hafenstandort befinden und nur eine leistungsschwächere KWK-Anlage an einem Binnenstandort, ist klar, dass es in erster Linie um die Verbrennung von Holz geht, das per Schiff angeliefert werden soll.
Bei einem derart hohen Verkaufspreis für den Biomasse-Strom und einer vermutlich vorrangigen Einspeisung in das Stromnetz könnten auf diese Weise geförderte (Heiz-)Kraftwerke das ganze Jahr über mit voller Auslastung elektrischen Strom erzeugen. Anzumerken ist allerdings, dass die enervis-Studie nur eine Förderung über jährliche 3500 Vollbenutzungsstunden vorsieht.
Dass bei den meisten der diskutierten Kraftwerke Unmengen des Energiegehalts des Holzes verschleudert werden würden, weil sie die Abwärme ungenutzt verpuffen lassen, macht diese angeblich nachhaltige Stromerzeugung enorm ineffizient.
Einer 10 Jahre dauernden Strompreisförderung zwischen 30 und 50 Euro pro MWh für Holzkraftwerke kann man zum Vergleich die Förderung von 25 Euro pro MWh für ein halbes Jahr gegenüberstellen, die die zahlreichen im Jahr 2021 aus der EEG-Förderung herausfallenden Windkraft-Altanlagen erhalten, die bei den derzeit niedrigen Stromgroßhandelspreisen nicht wirtschaftlich zu betreiben sind.
Wie weit reichen 1 oder 2 Milliarden Euro aus Steuergeldern?
Eine grobe Überschlagsrechnung für Umrüstungen von Steinkohle auf Biomasse bei den Kraftwerken Onyx Wilhelmshaven und Farge Bremen auf Seiten von Onyx Power sowie bei den Kraftwerken Rostock und Altbach/Deizisau bei Stuttgart auf Seiten von EnBW ergibt bei 3500 Volllaststunden pro Jahr und bei einer Förderhöhe von 40 Euro pro MWh ein Fördervolumen von etwa 3 Milliarden Euro, also eine dreimal höhere Summe als sie der Bundestagsbeschluss vorsieht. Eine Förderung von Biomasse im Hamburger Heizkraftwerk Tiefstack wurde dabei noch nicht mitgerechnet.
Das riesige britische Biomasse- und Kohlekraftwerk Drax erhält jedes Jahr fast eine Milliarde Euro an Subventionen.
Natürlich versäumt die Lobbygruppierung nicht, auf das viele Schadholz und die vom Borkenkäfer befallenen Bäume hinzuweisen. Wobei sie geflissentlich übersehen, dass gerade jetzt die Holzpreise für Bauholz explodieren und nicht voraussehbar ist, welche Holzmengen zu welchen Preisen in fünf Jahren zur Verfügung stehen werden, wenn die Kohlekraftwerke umgebaut sein wollten.
Chancen für Buschholz aus Namibia?
Das von der GIZ beauftragte Institut für angewandtes Stoffstrommanagement IfaS betrachtet in seiner Machbarkeitsstudie vom November 2020 einen Kohleersatz durch Buschholz aus Namibia in den Städten Berlin, Flensburg, Hamburg und Rostock, die Belieferung europäischer Kraftwerksbetreiber wie Vattenfall, Uniper und Drax und großer Händler wie die Brüning-Gruppe, mit der es bereits ein weiteres Memorandum of Understanding abgeschlossen hat.
Enervis hat als Biomassekosten für eine Hafenstadt wie Hamburg 150 € pro Tonne angesetzt. Dabei wurde angenommen, dass sich dieser Preis für 20 Jahre real fixieren lässt.
Für Buschholz aus Namibia rechnete Prof. Heck auf Seite 117 der Machbarkeitsstudie mit einem aktuellen Marktpreis von 162 € / Tonne Holzpellets und einem Break-Even-Preis von 147 € / Tonne. Für namibisches Buschholz könnte es daher sehr schwierig werden, bei Preisen wie denen von enervis zu konkurrieren, vor allem dann, wenn vom IfaS noch nicht berücksichtigte Kosten-Komponenten auftauchen.
Davon ist auszugehen, allein schon wenn man an die Probleme denkt, die bei der Pelletierung von namibischem Hartholz und beim hohen Aschegehalt des namibischen Buschholzes bestehen. Die Buschholz-Exporteure werden daher die Kosten in Namibia weiter drücken müssen, wenn sie ins Geschäft kommen wollen. Es wird dann weniger an Wertschöpfung in Namibia bleiben.
Peter Feldhaus, seit Juni 2019 Geschäftsführer der Onyx Power Group, zuvor bei Thyssenkrupp und McKinsey, rechnet für das Kraftwerk Onyx vielleicht im Jahr 2024 bis 2025 mit dem Wechsel auf Holzpellets – wenn der Rahmen stimmt. Das Hamburger Heizkraftwerk Tiefstack hätte dann im Jahr 2028 wohl geringere Chancen für eine Förderung.
Holzverbrennung und Wasserstoff-Strategie
Um loslegen zu können, wünscht sich Feldhaus Klarheit bei den Rahmenbedingungen,: „Für uns ist entscheidend, dass die Politik schnell entscheidet, um unsere Investitionen tätigen zu können. Wir brauchen vor der Sommerpause ein klares Signal“ – um eine „effiziente und klimaneutrale Wasserstoffelektrolyse“ betreiben zu können.
Nach Bild 5 gab es schon 2020 viel öfter negative Strompreise als Strompreise oberhalb des vorgeschlagenen Strike-Preises. Bei zunehmender volatiler Stromerzeugung mit Sonne und Wind wird das Stromangebot noch wesentlich häufiger den aktuellen Verbrauch übersteigen.
Der Geschäftsführer Feldhaus weiß Rat: „Wir gehen in unseren Betrachtungen von 3500 Volllaststunden für die mit Biomasse befeuerten Kraftwerke aus. Damit würden sie ideal mit Wind- und Sonnenenergie harmonieren. Wenn man einen küstennahen Standort wählen würde, würde man beispielsweise Wind-Offshore-Anlagen, die eine Auslastung von etwa 4000 Volllaststunden haben, beim Betrieb von Elektrolyseuren ideal ergänzen. Dadurch lässt sich eine effiziente und klimaneutrale Wasserstoffelektrolyse über das ganze Jahr betreiben. Das sichert den Elektrolyseuren eine hohe Auslastung und trägt zur Kostendegression bei grünem Wasserstoff bei.“
Ein komplizierter Gedankengang: Wie harmonieren Biomasse-Kraftwerke ideal mit Wind- und Sonnenenergie? Wenn Wind und Sonne weniger Strom liefern als aktuell benötigt wird, dann können Biomasse-Kraftwerke zum Schließen der Stromlücke beitragen. Wenn die Stromerzeugung mit Wind und Sonne den aktuellen Verbrauch übersteigt, dann kann mit dem „Überschuss“ grüner Wasserstoff produziert werden. Wozu sollen sich dann auch noch die Biomassekraftwerke an der Produktion von angeblich grünem Wasserstoff beteiligen?
Dass mit Strom aus einem Biomasse-Kraftwerk Wasserstoff besonders ineffizient erzeugt werden würde, könnte Feldhaus egal sein, wenn sein Kraftwerk den „Strike-Preis“ erhalten würde.
Mit einem auf Biomasse umgerüsteten Steinkohlekraftwerk wie Onyx Wilhelmshaven wäre ein elektrischer Wirkungsgrad von etwa 42 % erreichbar. Während bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff mit Strom aus Wind und Sonne ein Wirkungsgrad von etwa 75 % machbar ist und sich in Verbindung mit einem Fernwärmenetz wie in Hamburg auch noch viel von der Abwärme nutzen ließe, wäre bei der Feldhaus´schen Wasserstofferzeugung mit Biomasse-Strom aus Wilhelmshaven mit einem Gesamt-Wirkungsgrad von etwa 30 % zu rechnen. Die im Holz gespeicherte Energie würde zu mehr als zwei Dritteln verschleudert.
Nicht nur Herr Feldhaus kokettiert mit der Wasserstofferzeugung aus Biomasse-Kraftwerken. Auch der Hamburger Senat denkt in diese Richtung, vielleicht im Zusammenhang mit namibischem Buschholz: „Als „grün“ zu zertifizierender Wasserstoff ist durch Elektrolyse unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Dazu kann mit gewissen Einschränkungen auch Biomasse gehören.“ (Drs. 22/3129)
Vorbild Ausland?
Die enervis-Studie wirbt auf drei Seiten mit internationalen Beispielen, bei denen der Ersatz von Kohle bereits in großem Maßstab vollzogen worden ist: Drax Power Station, das größte Kraftwerk Großbritanniens, Lynemouth, ebenfalls in Großbritannien und etliche Kraftwerke in Dänemark. Auch in den Niederlanden, Belgien, Polen und selbst in den USA gibt es inzwischen Drax-Nachfolge-Projekte.
Gemeinsam ist fast allen, dass sie importiertes Holz verbrennen. Drax aus den USA, Kanada und Portugal. 58 Prozent der in Estland für den Export produzierten Holzpellets gehen nach Dänemark. Der Holzhunger des Landes gefährde im Baltikum die Wälder beklagen 32 Naturschutzorganisationen in einem offenen Brief.
Das britische Kraftwerk Drax, das größte Kraftwerk Großbritanniens, das als eines der ersten auf Holzverbrennung umgestellt wurde, kommt in der enervis-Studie 16-mal vor. Die dabei auftretenden Probleme werden nicht genannt.
Mit einem Strike-Preis von 130 bis 140 Euro pro MWh ist der Strom etwa dreimal so teuer wie der Strom aus Kohle. Nach Einführung eine Contracts for Difference wird ein Strompreis von 105 Pfund pro MWh bzw. 120 Euro pro MWh garantiert.
Die 700 Millionen Pfund oder umgerechnet rund 840 Millionen Euro teure Umstellung enthält auch Kosten für den Aufbau einer Versorgungskette: allein 225 Millionen Pfund haben zwei große Pelletier-Anlagen im Süden der USA und Hafeneinrichtungen zur Verladung der Pellets in Baton Rouge in Louisiana gekostet.
„Einfach lagern lassen sich die Pellets allerdings nicht, die Brandgefahr ist viel zu hoch. Dagegen sei Kohle, vor allem Anthrazitkohle, fast ein Feuer-Verhinderungsmittel, erklärte ein Drax-Mitarbeiter im Gespräch mit ingenieur.de. Die ständige Begasung mit Stickstoff und CO2 soll bei Drax aber jede Explosion verhindern, zudem überwachen Sensoren die Wärmeentwicklung in den Silos.“
Fortschritte in den Niederlanden
Das niederländische Parlament beschloss am 25.2.2021 nach langjährigem Druck von Umweltinitiativen mit großer Mehrheit, keine neuen Subventionen für 50 geplante Biomasse-Wärmekraftwerke zu gewähren. Die derzeitigen jährlichen Subventionen in Höhe von 578,5 Mio. Euro für bestehende niederländische Biomasseanlagen – von denen etwa 200 Wärme erzeugen, während vier Kraftwerke mit Kohle und Biomasse befeuert werden – bleiben allerdings noch bestehen. Diese Anlagen verbrennen hauptsächlich Holzpellets, die aus dem Südosten der USA und aus Osteuropa importiert werden, dazu eine beträchtliche Menge an Hackschnitzeln.
Die öffentliche Meinung in der EU wendet sich immer deutlicher gegen die Nutzung von Waldbiomasse zur Energiegewinnung. So könnte die Entscheidung der Niederlande richtungsweisend sein. Im Juni wird die EU ihre Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) überprüfen und entscheiden, ob sie weiterhin Biomasse-Subventionen zulässt und Biomasse-Emissionen nicht „am Schornstein“ anrechnet. Derzeit wird die Verbrennung von Waldbiomasse zur Energiegewinnung in der EU als kohlenstoffneutral eingestuft, obwohl immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass es viele Jahrzehnte dauert, bis Wälder wieder nachwachsen, um eine Kohlenstoffneutralität zu erreichen.
Holzverbrennung und Klimaschutz
„Pellets aus nachhaltig gewonnenen Holzreststoffen bieten klimaneutrale Alternative zu Steinkohle“, das verspricht das „Forum Nachhaltige Holzenergie“.
Holzreststoffe: Die Produktion von Holzpellets lag in Deutschland im Jahr 2020 bei 3 Mio. Tonnen. Allein schon für die die in Deutschland geplanten Holz-Kraftwerke von Riverstone und EnBW würden jährlich mindestens 5 Mio. Tonnen Holzpellets gebraucht. Wenn tatsächlich Strom für die Wasserstoffgewinnung erzeugt werden würde, wären es entsprechend mehr. In Altholzkraftwerken werden jährlich 6 Mio. t Altholz eingesetzt, in Müllverbrennungsanlagen und Kohlekraftwerken werden etwa 3,5 Mio. t energetisch verwertet. Bei einer steigenden stofflichen Verwertung, bleibt die energetische Verwertung bis 2030 etwa beim jetzigen Umfang. Hohe zusätzliche Altholzmengen können also nur aus dem Ausland kommen.
Bei dieser beschränkten Verfügbarkeit von Altholz und Holzreststoffen, ist offensichtlich, dass die umgerüsteten Kohlekraftwerke großenteils mit Holz aus intakten Wäldern befeuert werden würden – und das mitten in der Klimakrise.
Klimaneutralität: Ein bisschen ehrlicher als das „Forum Nachhaltige Holzenergie“ unterrichtet Enviva seine Investoren. Enviva ließ sich die Daten in Bild 9 aufwändig und detailliert berechnen (Präsentation). Berechnungen dieser Art enthalten folgende entscheidende Fehler:
Es wird kein Basis-Szenario berücksichtigt, bei dem die weitere CO2-Speicherung bei Unterlassung der Abholzung von Bäumen in Rechnung gestellt wird. Es wird so getan, als könnte Jahrzehnte auf das Nachwachsen von Biomasse für das verbrannte Holz gewartet werden – ohne Probleme mit der Erderhitzung.
Die CO2-Emissionen pro gewonnener Energieeinheit sind bei der Verbrennung von Holz deutlich höher als bei der Verbrennung von Steinkohle. Erst in einem Zeitraum von Jahrzehnten kann die gleiche CO2-Menge von nachwachsenden Bäumen wieder gespeichert werden. Im laufenden Jahrzehnt müssen jedoch die globalen Treibhausgas-Emissionen um die Hälfte sinken, wenn eine Chance gewahrt werden soll, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Da nutzt es nichts, wenn theoretisch Jahrzehnte später durch das Wachsen von Ersatzbäumen die emittierte CO2-Menge wieder gespeichert wäre. Wie viele Bäume würden in der Zwischenzeit bei riesigen Waldbränden, wie wir sie bereits erleben, verloren gegangen sein, wenn die Erderhitzung sich fast ungebremst fortsetzen würde und ein Kipppunkt nach dem anderen überschritten werden würde?
Aus diesen Gründen haben im Februar 2021 mehr als 500 Wissenschaftler:innen und mehr als 40.000 Europäer:innen die Repräsentant:innen großer Industriestaaten aufgefordert, in ihren Erneuerbare-Energien-Richtlinien förderfähige Waldbiomasse auf Rückstände und Abfälle zu beschränken. „Das Nachwachsen braucht Zeit, die die Welt nicht hat, um die Klimakrise zu lösen“.
Anhang: Aus dem Entschließungsantrag Drs. 19/20714
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf
- bis Ende 2020 ein zusätzlich aus dem Bundeshaushalt zu finanzierendes beihilferechtskonformes Förderprogramm zur Umstellung bestehender Kohlekraftwerke auf, hocheffiziente und flexible Gas- oder Biomasseverstromung aus nachhaltiger Biomasse vorzulegen,
- das Programm so auszugestalten, dass es auch auf diejenigen Kraftwerke zielt, die wegen geringer oder fehlender Wärmeauskopplung nicht über den Kohleersatzbonus des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes erfasst werden,
- nur Kraftwerkstechnik zu fördern, die dem langfristigen Ziel der Treibhausgasneutralität 2050 dient und eine flexible Fahrweise ermöglicht,
- im Falle der Verstromung von Biomasse zu gewährleisten, dass es sich um nachhaltige, effizient genutzte und treibhausgasneutral erzeugte Biomasse handelt. Umfasst sein sollen Biomasse, Biogas und Holz gemäß den Vorgaben des Klimaschutzprogramms 2030,
- zu prüfen, ob im Rahmen des Förderprogramms in Ergänzung zur Umstellung der Stromproduktion auch Stromspeicheroptionen und andere energiewendetaugliche Technologien am Kraftwerksstandort berücksichtigt werden können,
- sicherzustellen, dass das Förderprogramm mit der europäischen Energie- und Klimapolitik und mit den beihilferechtlichen Vorschriften oder Regelungen der Strombinnenmarktgesetzgebung in Einklang steht,
- für das Förderprogramm 1 Milliarde Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt bereitzustellen,
- auch für das im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz verankerte Förderprogramm für die treibhausgasneutrale Erzeugung und Nutzung von Wärme 1 Milliarde Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen.
Stand: 27.4.2021