„Eckpunkte für ein klimagerechtes Gebäudeenergiegesetz“ heißt ein von den prominenten Grünen, Julia Verlinden, Chris Kühn und Jens Kerstan, unterzeichnetes Eckpunktepapier. Es wird von mindestens 107 Schornsteinfegern propagiert, wie sich bei Suchmaschinen zeigt. Eckpunkte zum Gebäudeenergiegesetz waren schon zuvor von den Bundestagsabgeordneten Verlinden und Kühn formuliert worden. Der grüne Umweltsenator Kerstan hat sich diesen nun angeschlossen. Klimareporter berichtete am 18. März 2019 darüber.
Das geplante Gebäudeenergiegesetz (GEG), in dem die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Gesetz zusammengefasst werden sollen, wird zwar von der Großen Koalition immer weiter verschleppt, demnächst soll aber der Hamburger „Klimaplan“ fortgeschrieben werden („schutz“ in „Klimaplan“ wurde leider schon vor vier Jahren gestrichen) und da die Hamburger Grünen kürzlich vorgeschlagen haben, das Klimaziel für Hamburg im Jahr 2030 von minus 50 % auf minus 55 % zu verschärfen, lohnt sich eine genauerer Blick auf diese Eckpunkte.
Nach einer pflichtgemäßen Rüge der Blockadestrategie der Bundesregierung denken die drei Grünen die ökologische und die soziale Frage zusammen: „Unser Ziel sind energetisch modernisierte, klimagerechte Wohnungen für alle.“
Hierfür wird – wenigstens verbal – sichergestellt, „dass energetische Modernisierung nicht für Verdrängung missbraucht wird und auch Menschen mit kleinerem Einkommen in energetisch hochwertigen Häusern und Wohnungen leben können.“
Aber auch Eigenheimbesitzer*innen haben die drei im Blick. „Ihnen wollen wir bei Bedarf mit Steuervergünstigungen und zielgerichteten Förderprogrammen helfen.“
Also Steuervergünstigungen als Sanierungsanreiz! Damit hierdurch nicht die besser Verdienenden sehr stark bevorzugt werden, findet sich die Klausel „bei Bedarf“. Und wie hilft diese? Da steht nur noch: „Der mehrfach versprochene Steuerbonus für die energetische Sanierung hat es wieder nicht in die Haushaltspläne der Großen Koalition geschafft.“ – Vielleicht alles halb so wild. Denn nach Zielen für eine Erhöhung der abgrundtiefen energetischen Sanierungsraten sucht man in den „Eckpunkten“ ohnehin vergebens.
Viel forscher kommen die „Eckpunkte“ daher, wenn es um Vorgaben für mehr Erneuerbare geht. Da steht viel Unterstützenswertes, beispielsweise dass neue Ölheizungen in Neubau und Bestand ab 2021 nicht mehr eingebaut werden dürfen. Natürlich wäre es schön, wenn das auch für sog. Hybridheizungen gelten würde, wie sie beim großen norddeutschen Projekt NEW 4.0 mit Unterstützung der Hamburger Umweltbehörde getestet werden. „Hybrid“ bezieht sich hier auf Ölheizungen, in denen auch elektrischer Strom eingesetzt wird, wenn zu viel Windstrom zur Verfügung steht. Die von Schrumpfung bedrohte Heizölbranche setzt sehr stark auf diese Weiterentwicklung von Ölheizungen und wird dabei beispielsweise vom schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Buchholz (FDP) entschieden unterstützt.
Die Fernwärme soll nach den „Eckpunkten“ schrittweise bis 2040 CO2-neutral werden. Bis 2040 also – für Hamburg vielleicht etwas schwach und hoffentlich nicht so, dass dann Müllverbrennung immer noch als CO2-neutral erklärt wird wie gegenwärtig von der Hamburger Umweltbehörde.
Solarthermie soll unterstützt werden, indem „überholte Bezugsgrößen … durch branchenübliche Ertragsangaben ersetzt“ werden. Ob das wirklich helfen wird? Gar in Hamburg, wo nach einem viel versprechenden Beginn die Solarthermie seit etwa zehn Jahren zu einem ganz ärmlichen Stiefkind der Wärmeplanung verkommen ist?
Also könnte man vertrauen auf die Devise: „Ab 2025 sollte für dann neu errichtete Gebäude 100% Erneuerbarer Wärme Standard sein, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.“ „Durch politische Rahmenbedingungen ist dafür zu sorgen, dass die wenigen Gasheizungen, die im Neubau ab 2025 überhaupt noch installiert werden, mit CO2-neutralem Gas (Biogas aus Reststoffen, Power-to-X) versorgt werden.“ Das hätte natürlich den Vorteil, dass dann Trumps Fracking-Erdgas, importiert über die gegenwärtig vorangetriebenen Flüssigerdgas-Terminals, niemand mehr haben wollen würde! Aber besser wäre es sicher, wenn der Umweltsenator alles Erdenkliche in Bewegung setzen würde, um an der Unterelbe gar keine LNG-Terminals entstehen zu lassen.
Befürchtungen, 100% Erneuerbare Wärme in Neubauten könnte für das Jahr 2025 schon zu ambitioniert sein, wenn zurzeit sogar ein Tend zurück zu Erdgas und Heizöl festzustellen ist, wird vorgebaut: „Einen Schutz vor finanzieller Überforderung gewährleistet weiterhin der Wirtschaftlichkeitsvorbehalt.“ Den drei Grünen ist offenbar entgangen, dass Energiewende-Experten das Wirtschaftlichkeitsgebot des Energieeinsparungsgesetzes als überholt betrachten. Sie möchten den Grundsatz der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ in Richtung einer „wirtschaftlichen Zumutbarkeit“ ändern. Ein kluger Gedanke!
„Die Vorgaben für Neubau und Bestand müssen auch sommerlichen Wärmeschutz beinhalten.“ Auch damit lässt sich sicher punkten. Und gut, dass einschlägige Baunormen schon seit vielen Jahren dafür sorgen. Allerdings: „Komplizierte DIN-Normen sind durch praxistaugliche Verfahren zu ersetzen.“ verlangen die „Eckpunkte“. Welche „praxistauglichen Verfahren“? Wenn gleich darauf „Monitoring nach klaren, messbaren und realistischen Kriterien“ gefordert wird? Fachleute wird das etwas ratlos machen.
Das KfW Effizienzhaus 55 als Zielstandard ist als Teil der „Eckpunkte“ insofern bemerkenswert, als es zeigt, dass Senator Kerstan dazugelernt haben muss. Denn vor kurzem ließ er das Beratungsunternehmen LBD noch ein kurzes Gutachten schreiben, das Gebäudeenergieeffizienz als nachrangig gegenüber einer Fernwärmeversorgung erklärte.
„Mehr Vollzug“! Gemeint ist die Überprüfung, ob gesetzliche Verpflichtungen zur Energieeinsparung und zum Einsatz erneuerbarer Energien in der Praxis auch wirklich eingehalten werden. Nur zu! Darauf wird schon seit Jahrzehnten gewartet. Man darf gespannt sein, wie die zuständigen Behörden in Hamburg demnächst loslegen werden.
Für die Mieter*innen soll ein Beschwerdestelle eingerichtet werden: „Außerdem wollen wir Mieter*innen unterstützen und eine Beschwerdestelle einrichten, die in Streitfällen klären hilft, ob Energiesparmaßnahmen wie vom Vermieter angekündigt umgesetzt wurden, tatsächlich Energie einsparen und zu den versprochenen Heizkostensenkungen führen.“ Wäre es nicht vielleicht besser, die Verbraucherzentrale und die Mieterberatung kräftiger zu unterstützen?
Und was versprechen sich nun eigentlich die 107 Schornsteinfeger von den „Eckpunkten“?
Die Schornsteinfeger, wohl ausnahmslos Inhaber von Energieberater-Zertifikaten, werden sich über das Folgende gefreut haben: „Für den Einstieg in die Energieberatung wollen wir Beratungsgutscheine für Sanierungsfahrpläne ausgeben und bundesweit den Zugang zu qualifizierten Beratungsangeboten für das Energiesparen und für die Umrüstung auf Erneuerbare Energien sicherstellen.“ Diesen „Einstieg in die Energieberatung“ machen also die Schornsteinfeger und dann kommt bundesweit der „Zugang zu qualifizierten Beratungsangeboten“.