Düstere Prognosen des Klimarates
Wissenschaftlerstreit um UN-Bericht: Realistische Szenarien oder Alarmismus?
Der Klimawandel werde in den kommenden Jahrzehnten die Gefahr von Bürgerkriegen, Armut und Hungersnöten vergrößern. Steigende Temperaturen erhöhten die Wahrscheinlichkeit »schwerer, tiefgreifender und irreparabler Folgen«, heißt es in einem neuen Bericht zu möglichen Auswirkungen der Erderwärmung, den der Weltklimarat (IPCC) am Montag im japanischen Yokohama veröffentlichte. Ein ungebremster CO2-Ausstoß könnte Schäden in Billionenhöhe verursachen.Ein Temperaturanstieg von zwei Grad über die vorindustriellen Werte werde 0,2 bis zwei Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung vernichten, heißt es in dem Bericht. Ein Anstieg um mehr als vier Grad könne desaströse Folgen haben.
Vor allem in Europa und Asien werde sich das Überschwemmungsrisiko beträchtlich erhöhen. Dürren würden gerade in trockenen, bevölkerungsreichen Regionen die Wasserknappheit verstärken. Wetterextreme würden Fluchtbewegungen verstärken. Dies könne zusammen mit Wasser- und Nahrungsmittelknappheit »indirekt das Risiko für Konflikte mit Gewaltanwendung« erhöhen. Durch Reduzierung des CO2-Ausstoßes könnten die Gefahren wesentlich verringert werden. Viele Maßnahmen seien sogar einfach und billig.Seit Dienstag vergangener Woche hatten Wissenschaftler und Regierungsvertreter in Yokohama den Text abgestimmt. Dabei handelt es sich um den zweiten von drei Teilen des nunmehr fünften Sachstandberichts des Weltklimarates. Im ersten Teil, der im September veröffentlicht wurde, ging es um die Ursachen des Klimawandels. Im dritten Teil, der Mitte April in Berlin präsentiert werden soll, werden mögliche Lösungen aufgezeigt.Vor der Veröffentlichung kam es unter beteiligten Wissenschaftlern zu Streitigkeiten, in deren Verlauf der renommierte Umweltökonom Richard Tol aus Protest das Gremium verließ. Berichten zufolge verlangte der Professor sogar, seinen Namen vom Titelblatt des Reports zu streichen. Tol meinte, die Aussagen zur Klimazukunft würden dramatisiert. Das Resümee »driftet Richtung Alarmismus«, sagte er gegenüber Spiegel online. Entscheidende Formulierungen aus dem Entwurf des Reports seien für die Schlußfassung gestrichen worden. Diese Kritik sei zu spät, erst nach dem Begutachtungsprozeß, gekommen, hielt Bob Ward, ein Gutachter des IPCC-Reports, Tol entgegen. (AFP/jW)
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Profit statt Vorsorge – Welternährung in Gefahr
Wolfgang PomrehnEs wird unwirtlicher auf der Welt. Der IPCC, der sogenannte UN-Klimarat, hat am Montag seinen zweiten Teilbericht vorgelegt, in dem es um die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die menschliche Gesellschaft geht. Dürre- und Hitzeperioden häufen sich, Unwetter werden verheerender, die Ozeane versauern. All das bedeutet erhebliche – zusätzliche – Gefahren für die Welternährung. Hinzu kommt der steigende Meeresspiegel, der einige hundert Millionen Menschen und zahlreiche Küstenstädte bedroht. Erst Anfang März hatte eine neue Studie gezeigt, daß in der Westantarktis die Gletscher immer schneller Eis verlieren. Allerdings ist das noch nicht in den neuen Bericht eingeflossen, denn der gibt nur eine Übersicht über den Stand der Wissenschaft bis etwa Mitte letzten Jahres.Die naturwissenschaftlichen Ursachen der drohenden Misere sind seit langem klar und unter Wissenschaftlern unstrittig. Einen kleinen Disput gab es in der für den jetzigen Bericht zuständigen Arbeitsgruppe des IPCC, allerdings unter Ökonomen. Ein niederländischer Autor verließ das Gremium im Streit, weil er meinte, seine Kollegen übertrieben die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels.Natürlich könnten die negativen Auswirkungen des Klimawandels minimiert werden. Deiche können gebaut und bis zu einem bestimmten Pegel erhöht werden. Diverse Maßnahmen könnten die Folgen des Meeresspiegelanstiegs abmildern. All das hätte um so mehr Aussicht auf Erfolg, je geringer die Veränderungen wären. Das heißt, je schneller es gelingt, die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren. Aber für beides wären politischer Wille und die entsprechenden Ressourcen nötig, und daran hapert es meist. Am stärksten vom Klimawandel betroffen sind ausgerechnet die ärmsten Länder, die zugleich am wenigsten zum Problem beigetragen haben. Länder wie Bangladesch haben ausgedehnte flache Küstenregionen. Etliche Milliarden Euro wären nötig, um Deiche zu bauen. Das sind Summen, die das Land unmöglich alleine aufbringen kann. Die Verursacher, das heißt die Industrieländer in Ost und West, sträuben sich allerdings, hier die Verantwortung zu übernehmen.Und auch bei der Verminderung der Emissionen geht es viel zu langsam voran. Nächste Woche wird die Bundesregierung zum Beispiel einen Gesetzentwurf verabschieden, mit dem der Bau neuer Wind-, Solar- und Biogasanlagen kräftig ausgebremst werden soll. Statt dessen fabulieren Unionspolitiker lieber über den Import von kanadischem Öl (Angela Merkel), über das sogenannte Fracking oder auch über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten (Peter Ramsauer). Vorsorge ist den Regierungsparteien ein Fremdwort. Sie vertrauen offensichtlich fest darauf, die Folgen ihres Handelns auf andere Länder und spätere Generationen abwälzen und bis dahin die Profite deutscher Energiekonzerne sichern zu können.
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