Menschenkette von Vattenfall zum Rathaus für den Rückkauf des Fernwärmenetzes am Freitag, dem 21. September 2018, 16 Uhr
Persönlichkeiten aus Hamburger Energiewendekreisen hatten am 28. August 2108 zur Teilnahme an einer Menschenkette für den Rückkauf des Hamburger Fernwärmesystems aufgerufen. Hier eine Kurzfassung des Aufrufs.
Worum ging es?
Spätestens bis zum 30. November 2018 müssen Senat und Bürgerschaft entscheiden, ob das große Hamburger Fernwärmesystem, das noch zu 74,9 % Vattenfall gehört, von Hamburg zurückgekauft wird oder ob Hamburg endgültig auf die Verfügung über das Fernwärmenetz verzichtet.
Der Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ vom 22.9.2013 schreibt den Rückkauf zwingend vor, sofern er „zulässig“ ist. Wenn Senat und Bürgerschaft sich dennoch gegen den Rückkauf entscheiden würden, würde das Fernwärmenetz auf immer im Privatbesitz bleiben. So wurde es von Olaf Scholz und Vattenfall im Frühjahr 2012 vertraglich festgeschrieben. In diesem Vertrag wurde ein Mindestkaufpreis von 950 Mio. € vereinbart.
Nachdem Wirtschaftsprüfer Anfang Mai auf der Basis der geheim gehaltenen Geschäftspläne von Vattenfall einen Unternehmenswert der Fernwärme-Gesellschaft VWH einschließlich der Unternehmenseinheit Wedel von 645 Mio. € errechnet hatten, wurde der Hamburger Bevölkerung von den meisten Medien suggeriert, die Landeshaushaltsordnung (LHO) verbiete den Rückkauf des Fernwärmesystems. Da der Mindestkaufpreis um 305 Mio. € höher liege als der für Vattenfall errechnete Unternehmenswert dürfe Senat und Bürgerschaft nicht dem Volksentscheid folgen.
Diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Von BUND, Zukunftsrat, Wärmedialog und HET wurde darauf frühzeitig öffentlich hingewiesen. Die weit verbreiteten Medien ignorierten jedoch diese Richtigstellungen. Erst als Umweltsenator Kerstan seit Anfang August in mehreren Interviews klarstellte, was wirklich in der Landeshaushaltsordnung steht, berichteten diese Medien auch hierüber. Die Gegner des Rückkaufs bei CDU und FDP kamen allerdings mit ihren entstellenden Behauptungen nach wie vor prominent zu Wort. Vattenfall überflutete Hamburg mit Werbeplakaten auf denen ein Ausstieg aus fossilen Energiequellen „innerhalb einer Generation“ versprochen wurde. Länger kann das Steinkohle-Kraftwerk Moorburg aber ohnehin nicht betrieben werden!
Die Landeshaushaltsordnung (LHO) sieht nach § 7 (2) für Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung Kosten-Nutzen-Analysen vor. Nach 2.2.4 der Verwaltungsvorschrift zu § 7 sind „gesellschaftliche Wirkungen“ einzubeziehen. Eine volkswirtschaftliche Betrachtung ist durchzuführen, nicht nur eine betriebswirtschaftliche. Ein vom BUND Hamburg, der EnergieNetz Hamburg eG und der gemeinnützigen Stiftung GLS Treuhand am 17. August 2018 vorgestelltes Rechtsgutachten von Rödl&Partner bestätigte in überzeugender Weise, dass der Rückkauf „zulässig“ ist und Hamburg den Netze-Volksentscheid voll und ganz vollziehen kann.
Hinzu kommt, dass Hamburg beim Rückkauf auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht gar nicht 305 Mio. € „zu viel“ bezahlen würde, sondern lediglich 142 Mio. €. Senator Kerstan hat sehr deutlich gemacht, dass der Rückkauf des Fernwärmesystems wegen zahlreicher Vorteile für Hamburg sogar ein gutes Geschäft werden kann. Ein Gutachten des Beratungsunternehmens LBD in Zusammenarbeit mit der Hamburger Vermögensverwaltung HGV bestätigte Anfang Oktober diese Einschätzung.
Die SPD hielt sich in der Rückkauffrage allerdings sehr zurück. Führende Politiker der Hamburger SPD überlegten sogar eine Verschiebung des vollständigen Rückkaufs bis 2028, obwohl sie früher den Rückkauf fest versprochen hatten.
Umso wichtiger war es, dass nicht nur mit Gutachten, Gremien-Empfehlungen und Presseerklärungen zur Einhaltung des Volksentscheids aufgerufen wurde, sondern dass die Mitglieder von Bürgerschaft und Senat, die sich für den Rückkauf einsetzten, auch durch öffentliche Aktionen unterstützt wurden. Daher waren alle Hamburgerinnen und Hamburger zur Teilnahme an einer Menschenkette am 21. September 2018 aufgerufen.
Bei dieser wurden der Bürgerschaft im Rathaus in einer symbolischen Kunstaktion Geschäftsgeheimisse von Vattenfall und eine Fernwärmekonzession vom Vattenfall-Kundenzentrum aus überbracht. Am 21. September 2018 baten die drei Vertrauenspersonen des Netze-Volksentscheids, Manfred Braasch, Theo Christiansen und Günter Hörmann die SPD-Landeschefin Melanie Leonhard und den SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf in einem Offenen Brief eindringlich, jetzt Wort zu halten und den Volksentscheid konsequent umzusetzen. Sie wiesen dabei darauf hin, „dass der 2014 zwischen dem SPD‐Senat und dem Energiekonzern Vattenfall vereinbarte Mindestkaufpreis der Vermeidung eines langwierigen Rechtsstreits um den Rückkauf der Energienetze geschuldet war.“
Am 24. September 2018 wurde eine repräsentative Umfrage bekannt, nach der eine große Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger dem Rückkauf des Fernwärmenetzes zustimmt. Hier ein Bericht der mopo und hier mehr.