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In zwei Schriftlichen Kleinen Anfragen der LINKEN in der Hamburger Bürgerschaft geht es um die Objektivität von Klimagutachten für die Nutzung von Buschholz aus Namibia. In der Kritik stehen zwei Studien, eine von der Forstberatung UNIQUE und eine vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS).
In der Einleitung zu Drs. 22/2792 wurde ausführlich begründet, dass die Begutachtung der Klimawirkung von namibischem Buschholz in Hamburg durch UNIQUE und IfaS infolge von Interessenkonflikten sehr fragwürdig ist. Dass sich die Hamburger Umweltbehörde bei ihrem Prüfprozess auf diese Gutachter stützen will, wird von vielen Seiten sehr kritisch beurteilt. So forderte die NGO Biofuelwatch in einer Analyse für die Böllstiftung am 2. März 2021, die UNIQUE-Studie müsse auf Grund ihrer extremen Fehlerhaftigkeit zurückgezogen werden.
Da der Hamburger Senat eine Reihe von Fragen in der Drs. 22/2792 einfach unbeantwortet ließ, bohrte die LINKE nach. Die Antworten in der Drs. 22/3385 sind leider ein fachliches Armutszeugnis für die Hamburger Umweltbehörde BUKEA.
Peer Reviews (unabhängige fachliche Überprüfung)
IfaS-Studie: Das IfaS legte im November 2020 eine „Machbarkeitsstudie“ vor, die unter anderem eine Berechnung der Treibhausgase für in Hamburg genutztes namibisches Buschholz enthält. In dieser Machbarkeitsstudie, in einer Präsentation und in kleineren Einzelartikeln wird das vom IfaS vorgeschlagene „Szenario Hamburg“ bewertet.
Die Umweltbehörde schreibt zur Frage nach der Objektivität dieser Berechnungen:
„Die „Machbarkeitsstudie“ wurde keinem Peer Review unterzogen. Sie hat den Zweck, aufzuzeigen, wie gegen Verbuschung vorgegangen und gleichzeitig Wertschöpfung realisiert werden kann. Die Studie verfolgt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Publikation. Ein Peer Review ist nicht geplant.“
Die BUKEA verzichtet also in ihrem noch bis Mitte 2021 laufenden Prüfprozess auf eine wissenschaftliche Bewertung der vom IfaS behaupteten „negativen Emissionen“ der Buschholzverbrennung.
Das lautete in der Drs. 22/2792 noch anders. Da hatte der Senat noch festgestellt: „Im Rahmen der Beantwortung der Drs. 22/2352 hat der Senat dargelegt, dass nach Auskünften des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) die in den Prozess eingebrachten Studien und Berechnungen nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt wurden und entsprechend in Peer Reviews bestätigt worden sind.“
Erst eine Bestätigung in Eigenverantwortung. Jetzt doch nicht. Sehr glaubwürdig!
UNIQUE-Studie: Beim UNIQUE-Gutachten sieht das Peer Review nach Drs. 22/3385 so aus:
Die Autoren Seebauer et al. führten ein Jahr vor Abschluss ihres Gutachtens Interviews mit einer Reihe von „lokalen Experten“, die auf Seite 101 namentlich aufgeführt wurden. Nach der Fertigstellung des Gutachtens [am 2. Dezember 2019, die Redaktion] fanden zwei „Konsultations-Workshops“ statt (5.3.2019 und 27.3.2019), überwiegend mit diesen lokalen Experten.[Anmerkung der Redaktion: Sollte die BUKEA Vorgänge aus dem Jahr 2020 aus Versehen auf 2019 datiert haben?]
„Im Rahmen der Workshops gab es u.a. Vorschläge für weitere Untersuchungen, aber keine Widersprüche zum Inhalt der Studie.“ so die BUKEA. Das scheint für ihren Prüfprozess auszureichen.
Ein Gutachten zur Klimawirkung des Buschholzes, das von Prof. Rabenstein von der Hamburger HafenCity Universität ausgearbeitet und im Juni 2020 veröffentlicht wurde, war vom Auftraggeber HET als Beitrag zu einem Peer Review gedacht. Die BUKEA zum Rabenstein-Gutachten:
„Der zuständigen Behörde ist nicht bekannt, ob das genannte Gutachten einem Peer Review unterzogen wurde oder von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit anerkannter Expertise in der Bilanzierung von Natur- und Landnutzungsprozessen bestätigt wurde.“
Aus mathematischer Sicht ergibt sich damit eine unendliche Folge: Die Peer Reviews eines Gutachtens müssen selbst wieder einem Peer Review unterzogen werden, das selbst wieder Peer reviewed werden muss – und so fort ad infinitum.
Übrigens erschien im April 2020 ein Policy Brief zur UNIQUE-Studie, der recht auffallende Änderungen an deren Szenarien enthält. Die BUKEA hat das offenbar nicht bemerkt.
Henne oder Ei?
Für die Untermauerung der Objektivität der Studie von UNIQUE hält die BUKEA gleich mehrere Begründungen bereit:
„Die darin getroffenen Aussagen zur Nachhaltigkeit und einer positiven CO2-Bilanz der Buschausdünnung stehen im Übrigen im Einklang mit vielen anderen weltweit anerkannten Veröffentlichungen.“
Drei davon werden von der BUKEA besonders hervorgehoben:
Begründung 1: Die Republik Namibia hat als verpflichtenden Beitrag zum Klimapakt von Paris 2015 (INDC) die Restaurierung von 15 Mio. ha Savannenlandschaft in Verbindung mit nicht unerheblicher CO2-Einsparung genannt. Das UNIQUE-Gutachten habe nun bestätigt, dass die Zurückgewinnung von Weideland durch Abholzen von Büschen erhebliche CO2-Einsparungen erbringe.
Ein überzeugender Beleg für die Objektivität des UNIQUE-Gutachtens? Oder doch eher ein Indiz für ein Gefälligkeitsgutachten?
Es kommt noch besser: Der Vertreter des IfaS hob bei einer Präsentation der Klimabewertung seines „Szenarios Hamburg“ am 1. Dezember 2020 ausdrücklich hervor: Die vom IfaS ermittelten CO2-Einsparungen durch das Abholzen und Verfeuern der Büsche entsprechen genau den INDC-Verpflichtungen von Namibia zur Reduktion von Treibhausgasen im Rahmen des Pariser Klimabkommens!
Welch ein glücklicher Zufall! Vor allem, wenn ein im Auftrag des HET ausgearbeitetes Gutachten, das in Kürze veröffentlicht werden wird, nach vielen Korrekturen für die Fehler des IfaS zum Ergebnis kommt, Buschholz aus Namibia sei klimaschädlicher als Steinkohle.
Begründung 2: „Der World Wildlife Fund (WWF) unterstützt mit seinem Logo und positiven Aussagen die Nutzung von Grillkohle aus namibischem Buschholz und bezeichnet diese als „wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung“.“
Wo ist der logische Zusammenhang mit der Frage nach der Objektivität des umstrittenen Gutachtens? Sollen nun doch nicht Holzpellets, sondern Grillkohle aus namibischem Buschholz in Hamburger Kraftwerken verbrannt werden? Oder soll nur das Logo des WWF überzeugen?
Der WWF bestätigt mit seinen Siegeln nur, dass kein Tropenholz in der Grillkohle enthalten ist. Diesem Verband scheint egal zu sein, dass in Namibia mehr als das Fünffache an Holz verbrannt wird, um einen Sack Grillkohle zu gewinnen, und dass dabei nicht nur sehr viel CO2 emittiert wird, sondern dass bei der Pyrolyse auch eine große Menge an klimaschädlichen Gasen wie Methan freigesetzt wird.
Die miserable Klimabilanz von Grillkohle aus Namibia (und auch von anderswo) wird sogar in der UNIQUE-Studie ganz explizit betont (Szenario 4). Die BUKEA müsste diese Studie nur lesen! Aber bestätigt das schon die Objektivität der UNIQUE-Studie, die gar nicht zur Holzkohle-Herstellung sondern zur Ausdehnung von Weideland und zum Export des Buschholzes nach Europa rät?
Begründung 3: Die Zertifizierung der Buschausdünnung und der daraus gewonnen Produkte (hauptsächlich Grillkohle) durch den “FSC National Forest Stewardship Standard for the Republic of Namibia“.
Auch das FSC-Siegel interessiert sich überhaupt nicht für die Klimawirkung der aus Buschholz gewonnen Produkte. Es dient der Vermarktung, wie in einem umfangreichen Abschnitt 8 der „Machbarkeitsstudie“ des IfaS ausgeführt wird.
Überzeugendere Begründungen für die Objektivität des UNIQUE-Gutachtens hat die BUKEA nicht? Wo sind die „vielen anderen weltweit anerkannten Veröffentlichungen“, von denen sie schreibt?
Interessenkonflikte der Gutachter?
In der langen Einleitung zur Drs. 22/2792 wurde so viel über die wirtschaftliche Betätigung des Unternehmens UNIQUE berichtet, dass es wohl auch der BUKEA schwer fällt zu behaupten, Interessenkonflikte könne es für UNIQUE bei ihrem Klimawirkungs-Gutachten nicht geben.
Das IfaS bezeichnet sich als In-Institut der Hochschule Trier. Die BUKEA „kann beim Engagement des Non-profit-Institutes der Hochschule Trier keinen Interessenkonflikt erkennen.“
Gefälligkeitsgutachten, auch von Non-profit-Instituten, beispielsweise für die Pharmaindustrie, sind ein Dauerthema in den Medien. Wenn sich ein Institut wie IfaS im Auftrag der GIZ so sehr für die Realisierung der GIZ-Pläne einsetzt wie sich das in der „Machbarkeitsstudie“ nachlesen lässt, dann kann es dennoch keine Interessenkonflikte geben?
N-BIG, die wichtigste namibische Lobbyorganisation für die Verwertung von Buschholz, wurde 2015 vom GIZ-Projekt BCBU gegründet. Gründungsmitglied war, wie das folgende Bild zeigt, das Ifas.
Treibhausgas-Emissionen?
Für die Hamburger Umweltbehörde „nur ein Faktor“
Einen Rest an Zweifeln scheint es bei der BUKEA noch zu geben. Jedenfalls bereitet sie die Mitwelt schon auf eine Entscheidung für die großmaßstäbliche Nutzung von namibischem Buschholz vor, auch für den Fall, dass die Klimawirkung sehr bedenklich sein sollte:
„Grundsätzlich ist zu beachten, dass die meisten dieser Berechnungen auf Szenarien beruhen, die einer Validierung in der Praxis bedürfen. Auch wird der Korridor der berechneten Treibhausgasemissionsbilanz nur ein Faktor in der Entscheidungsgrundlage für oder gegen dieses Projekt sein. Wie schon mehrfach betont, werden auch andere Nachhaltigkeitsaspekte, wie zum Beispiel die Biodiversität, der Grundwasserschutz oder soziale und wirtschaftliche Entwicklungschancen und -risiken eine wichtige Rolle spielen.“
Die GIZ- und IfaS-Analysen zu Biodiversität, Grundwasserschutz und sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungschancen und -risiken sind alle fragwürdig und umstritten.
Zudem: Es wird erwartet, dass zahlreiche Staaten, deren Finanzen in erheblichem Maß von der Förderung fossiler Brennstoffe abhängen, in extreme wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten geraten werden, wenn in den kommenden Jahrzehnten das Paris-Abkommen umgesetzt werden wird. Nach der Betrachtungsweise der grün geführten Hamburger Umweltbehörde müssten dann also zum Schaden des Klimas „andere Nachhaltigkeitsaspekte eine wichtige Rolle spielen“.
Eine wachsende Anzahl von Interessenten und Shareholdern erwarten ungeduldig das „Siegel“ der Hamburger Umweltbehörde auf ihren Plänen. Sobald sie es erhalten haben, werden sie an die „Validierung in der Praxis“ gehen. Und wo bleibt das Vorsorgeprinzip?