Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Grüne Klima-Kompetenz?

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Am 1. November 2019 waren fünf umweltpolitische SprecherInnen der Hamburger Bürgerschaft in der Aula der Volkshochschule West zu Gast bei der Bürgerinitiative „Keine Elbtrasse!“. Die Bürgerinitiative hatte die Abgeordneten um Antworten auf 12 Fragen gebeten.

Ulrike Sparr, umweltpolitische Sprecherin der Grünen (Bild: Bürgerschaft)

Besonders bemerkenswert sind die Antworten der umweltpolitischen Sprecherin der Grünen, Ulrike Sparr. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der grünen Partei unter allen Parteien noch immer mit Abstand die höchste Kompetenz bei Fragen des Klima- und Umweltschutzes zugeordnet wird.

Um ein Fazit aus den Antworten von Frau Sparr vorwegzunehmen: Vielleicht kommt es nicht von ungefähr, dass das Vertrauen in die Klimaschutz-Kompetenz der Grünen in den letzten 10 Jahren um 17 % gesunken ist. Das ist sehr bedenklich: Denn zur Verhinderung der fortschreitenden Erderhitzung kann auf vertrauenswürdige grüne Parteien nicht verzichtet werden.

Entsprechend dem Namen der Bürgerinitiative ging es bei den Fragen an die Abgeordneten natürlich darum, ob für den Ersatz des Heizkraftwerks Wedel eine Elbtrasse gebaut werden soll, wie es die Hamburger Grünen wollen (Südvariante mit dem „Energiepark Hafen“), oder ob diese insgesamt rund 200 Mio. € teure Trasse überflüssig ist, weil das Heizkraftwerk Wedel auch am Energiestandort Stellinger Moor ersetzt werden kann (Nordvariante im Stellinger Moor).

Fragen und Antworten von Frau Sparr

Frage A: Unterstützen Sie die Prüfung einer alternativen Ersatzlösung ohne Elbtrasse?

Sparr: Es wurden mehrere verschiedene Konzepte auf der Nordseite der Elbe geprüft. Diese erwiesen sich je nach Konzept als nicht umsetzbar bzw. mit hohem Genehmigungsrisiko behaftet und sind stärker auf fossile Brennstoffe angewiesen.

Fakten: Der Energienetzbeirat setzte am 29.11.2018 mit großer Mehrheit gegen die Stimmen von Frau Dr. Schaal (SPD) und Frau Sparr (Grüne) eine Arbeitsgruppe (AG) „Ersatz des HKW Wedel“ ein. Der Auftrag: „Der Energienetzbeirat empfiehlt der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), unverzüglich eine Ersatzlösung für das Heizkraftwerk Wedel zu prüfen, die keine Elbquerung benötigt und die auf dem vom Beratungsbüro BET im Jahr 2015 vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor aufbaut.“

Am 18.4.2019 berichtete diese AG dem Energienetzbeirat, was sich mit dem von BET vorgeschlagenen modularen Ansatz mit Schwerpunkt am Energiestandort Stellinger Moor ergeben hat. Kurz und einfach: Es werden nicht mehr, sondern weniger fossile Brennstoffe benötigt als bei der „Südvariante“. Frau Sparr müsste nur den sieben-seitigen Bericht der AG oder die zugehörige Präsentation bis zum Ende lesen.

Frage C: Sind Sie für den Bau der beantragten Elbtrasse?

Sparr: Die Elbleitung erschließt erneuerbare Energien und andere klimaneutrale Wärmequellen südlich der Elbe, die bereits nach aktuellem Planungsstand einen Beitrag von 55 % Prozent zur Fernwärmeversorgung ausmachen.

Fakten: Eine krasse Fehlinformation! Die Umweltbehörde behauptet, 55 % der für den gesamten Ersatz des HKW Wedel nötigen Fernwärme seien klimaneutral. Davon liefert allein schon das Zentrum für Ressourcen und Energie, das nördlich der Elbe im Stellinger Moor gebaut werden soll, etwa die Hälfte. Wenn nun noch berücksichtigt wird, dass die Umweltbehörde skandalöserweise CO2-Emissionen aus der Müllverbrennung leugnet (siehe Frage H) und dass zum Antrieb der Abwasserwärmepumpe überwiegend fossil erzeugter Strom eingesetzt wird, so bleiben nach den Untersuchungen der AG nur 14 % bis 18 % erneuerbare Wärme, die durch die teure Elbtrasse erschlossen werden würden.

Frage E: Welche Hindernisse bei Kosten oder Flächenverfügbarkeit sehen Sie, derentwegen eine Ersatzlösung im Stellinger Moor neben dem ZRE nicht realisierbar wäre?

Sparr: Auf der Nordseite müsste eine doppelt so hohe Kraftwerksleistung realisiert werden, da die auf der Südseite verfügbaren Quellen hier nicht zur Verfügung stehen. Dieses doppelt so große Kraftwerk würde in der Nähe von Wohngebieten gebaut werden, die bereits durch das vorhandene Industriegebiet und die Autobahn belastet sind. Anstelle von vorübergehenden Baustellen in einem Teil der Stadt müsste man also Menschen in einem anderen Teil der Stadt über Jahrzehnte höhere Emissionen zumuten. Der Standort am Stellinger Moor wird zudem noch bis 2023 für den Bau des ZRE benötigt. Das würde den Bau eines Kraftwerkes deutlich verzögern und somit einen noch längeren Betrieb des Kraftwerks Wedel nötig machen. Die Kosten lägen sogar noch über denen für den Energiepark Hafen. Das ist zum einen der größeren Kraftwerksleistung geschuldet, aber auch der Tatsache, dass am Standort Stellingen noch eine 25 km lange Gasleitung gebaut werden müsste (die natürlich an anderen Stellen Hamburgs für ähnliche Probleme sorgen würde wie der Bau der Wärmeleitung).

Fakten: Zahlreiche Fehlinformationen!
► Das mit fossilem Erdgas gespeiste Heizkraftwerk, das ebenso im Stellinger Moor wie südlich der Elbe gebaut werden kann, kann im Norden eine geringere Leistung haben als im Süden. Denn entsprechend dem Vorschlag des Beratungsunternehmens BET könnte im Stellinger Moor auch ein Altholz-Heizkraftwerk und ein Heizwerk für Abfälle aus Stroh und Restholz gebaut werden.
► Die für den Ersatz des HKW Wedel vorgesehene Fläche liegt in einem Industriegebiet neben dem ZRE. Weiter entfernte Wohngebiete werden durch die erhöhte Autobahn abgeschirmt.
► Das ZRE hat versichert, dass es sein Baufeld auf sein eigenes Grundstück legen wird.
► Durch den Wegfall des zeitlichen „Flaschenhalses“ Elbtrasse würde sich für die Nordvariante eine zeitliche Beschleunigung im Vergleich zur Südvariante ergeben.
► Die Investitionskosten sind viel geringer als die für den Energiepark Hafen.
► Nach einer schriftlichen Bestätigung von Gasnetz Hamburg müsste nur eine 2,3 km lange Gasleitung verlegt werden. Da das Projekt für Gasnetz Hamburg wirtschaftlich wäre, wären lediglich die Anschlusskosten von etwa 1 Mio. € aufzubringen.

Das meiste ist dem sieben-seitigen Bericht der Arbeitsgruppe des ENB zu entnehmen, der Frau Sparr seit sechs Monaten vorliegt. Frau müsste ihn nur lesen.

Frage G: Sollte eine echte Bürgerbeteiligung den vom Trassenbau Betroffenen eine Mitsprache-Möglichkeit bei der Auswahl aus mehreren Ersatzlösungen einräumen?

Sparr: Die Entscheidung über die Varianten war im Wesentlichen fachlich bedingt, aber jederzeit öffentlich zugänglich. Bereits im Rahmen des ersten Gutachtens (BET1) wurden Bürgermeinungen eingeholt und berücksichtigt.

Die Entscheidung beruht auf umfangreichen fachlichen und rechtlichen Bewertungen und wurde von den dafür gewählter Institutionen (Senat und Bürgerschaft) getroffen. Sie ist zudem die Grundlage der Genehmigung der EU-Kommission für den Rückkauf des Fernwärmenetzes und somit der Umsetzung des Volksentscheides ist. Darüber hinaus trägt sie den Forderungen nach mehr und schnellem Klimaschutz Rechnung – allein hier in Hamburg haben 70.000 Menschen dafür demonstriert. Wenn eine „echte Bürgerbeteiligung“ im Sinne dieser Frage bedeutet, die o.g. Entscheidung wieder umzuwerfen, um Baustellen aus einem Teil der Stadt in einen anderen zu verlagern, halten wir dies nicht für zielführend. Bei der konkreten zeitlichen Gestaltung der Baustellen wird der Senat selbstverständlich das Gespräch suchen.

Fakten: Der erste sog. Beteiligungsprozess (BET1) war nicht öffentlich. Nur wenige Personen, darunter Frau Sparr, waren beteiligt.
► Die Bürgerschaft hat bisher noch nicht entschieden. Eine Entscheidung wird erst im Dezember 2019 erwartet.
► Die Zurückführung einer Entscheidung für den „Energiepark Hafen“ auf die Genehmigung der EU-Kommission für den Rückkauf der Fernwärmenetzes und auf den Netze-Volksentscheid ist geradezu absurd. Die EU-Kommission entschied lediglich, dass bei einem Rückkauf keine unzulässige Subvention stattfindet. Zur Beurteilung hatte Hamburg Grundzüge für ein Fernwärmekonzept vorgelegt.
► Ähnlich absurd ist es, die kürzliche große Demonstration von Fridays for Future als Begründung für die Südvariante heranzuziehen. Zumal nach dem Bericht der AG die Südvariante die CO2-Emissionen viel weniger reduziert als die von der AG bewertete Nordvariante.
► Anstelle einer 7,5 km langen Fernwärmetrasse unter der Elbe und durch die Wohngebiete Othmarschen, Groß Flottbek und Bahrenfeld, würde für die Nordvariante lediglich der Querschnitt der 1,5 km langen Trasse, die ohnehin zur Anbindung an das ZRE gebaut werden wird, erweitert werden. Kein Baum bräuchte dazu gefällt werden, da die Schnackenburgallee breit und vierspurig ist und durch ein Industriegebiet führt.

Frage H: Vertreten Sie wie die Umweltbehörde BUE die Auffassung, dass bei Müllverbrennung gewonnene Wärme nahezu klimaneutral ist?

Sparr: Durch die Nutzung der Abwärme fallen keine zusätzlichen CO2-Emissionen an, sodass die Wärme in diesem Sinne als klimaneutral zu betrachten ist. Auch Prof. Rabenstein erklärt in seiner Stellungnahme vom Januar 2019, dass der „CO2-Fußabdruck“ (carbon footprint) ein übliches Verfahren sei, um Handlungsoptionen eines Unternehmens zu vergleichen. Genau das ist hier die Aufgabenstellung.

Selbstverständlich werden die CO2-Emissionen weiterhin in der Gesamtbilanz der Stadt berücksichtigt, die selbstverständlich als Verursacherbilanz geführt wird. Somit bleibt es auch Ziel der Stadt, diese durch Reduktion des Abfalles zu reduzieren. Auch die Verursacherbilanz fällt besser aus, wenn weniger zusätzliches Gas verbrannt wird – also in der Südvariante.

Fakten: Prof. Rabenstein hat im Energienetzbeirat auf Basis von Experten-Gutachten ausführlich erläutert, dass unterschiedliche Bewertungsverfahren für Treibhausgasemissionen keinesfalls miteinander vermischt werden dürfen, weil sonst Äpfel zu Birnen addiert werden würden. Daher darf auf keinen Fall eine Mischung aus einer Fußabdruck-Bewertung für Müllwärme zu der üblichen Bewertung von Gaskraftwerken addiert werden.
► Es ist doppelzüngig, die CO2-Emissionen der Müllverbrennung in der Gesamtbilanz der Stadt Hamburg zu berücksichtigen, bei den verursachenden Müll-Heizkraftwerken dagegen nicht.
► Vattenfall hat korrekt bilanziert, aber ausgerechnet eine Hamburger Umweltbehörde folgt trickreichen Vorschlägen der Lobby-Organisation AGFW zur Leugnung von Emissionen bei der Verbrennung von Plastikmüll. Kein anderes Bundesland bilanziert in dieser Art. Die grün geführte Hamburger Umweltbehörde will gerne Vorreiter spielen. Das Klima lässt sich aber mit solchen Tricks nicht beeinflussen.

Frage J: Halten Sie eine Investition von insgesamt rund 200 Mio. in Trassen des Energieparks Hafen für angemessen, wenn von der Elbtrasse nur 14 % bis 18 % Erneuerbare Wärme als Anteil an der Wedel Ersatz Wärme erschlossen wird?

Sparr: Der Anteil klimaneutraler Wärme im Energiepark Hafen beträgt 55 %. Die in der Fragestellung genannten Zahlen sind die Ansicht einer aus wenigen Personen bestehenden AG des Energienetzbeirates. Die Auffassung dieser AG wurde vom Energienetzbeirat als Ganzes nie bestätigt. Daher ist die Formulierung der Frage irreführend. Die Investitionskosten sind für ein Projekt dieser Größenordnung, das die Basis legt für einen weiter wachsenden Anteil erneuerbarer und klimaneutraler Wärme, angemessen.

Fakten: Zur Behauptung von 55 % klimaneutraler Wärme im „Energiepark Hafen“ siehe Fakten zu Frage C.
► In der AG haben 9 männliche und weibliche Mitglieder und Stellvertreter des Energiebeirats mitgearbeitet. 5 Experten wurden zu den Beratungen hinzugezogen. Der Bericht wurde ohne Gegenstimmen verabschiedet.
► Eine Bestätigung des Berichts durch den Energienetzbeirat war nicht erforderlich, da die AG die Mehrheits-Auffassung des ENB bestätigte: Der Umweltbehörde wird empfohlen eine Nordvariante im Stellinger Moor zu prüfen.
► Gefragt war nach der Angemessenheit der Trassenkosten. Die für den Energiepark Hafen benötigten Investitionskosten (Frage K) haben sich seit der Diskussion um den Rückkauf des Fernwärmenetzes vor einem Jahr bereits verdoppelt. Ursache sind nicht zuletzt die hohen Kosten für die Elbtrasse.

Frage K: Halten Sie Investitionskosten von 750 Mio. für die Ersatzlösung ohne ZRE für angemessen, wenn nach Berechnungen der AG des ENB von der Elbtrasse nur 14 bis 18 % Erneuerbare Wärme als Anteil an der Wedel Ersatz Wärme erschlossen wird?

Sparr: Siehe Frage J.

Fakten: Siehe Frage J.

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