Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Übergewinne der Hamburger Energiewerke aus der Erzeugung von Strom im Jahr 2022

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Aktualisierungen am 30. September 2022:

a) Eine Gasumlage wird es nicht geben. Stattdessen wird eine Gaspreisbremse eingeführt.

b) Auch die Mehrwertsteuer auf Fernwärme wurde wie die auf Gas ab Oktober 2022 bis März 2024 von 19 auf 7 Prozent gesenkt.

c) Die in unserem Beitrag berechneten Übergewinne der HEnW setzen voraus, dass diese den erzeugten Strom auf dem Spotmarkt oder Day Ahead Markt der Strombörsen verkaufen. Tatsächlich dürften die HEnW ähnlich wie E.ON und RWE den größten Teil des von ihnen erzeugten Stroms mit Hedge- oder Sicherungsgeschäften zu bereits länger zurückliegenden Preisen verkauft haben. Von den hohen gegenwärtigen Strompreisen profitieren also die Hedge-Unternehmen in viel größerem Maß als die HEnW.

24. September 2022:

  • Die Hamburger Energiewerke (HEnW) können voraussichtlich für den von ihnen im Jahr 2022 erzeugten Strom „Übergewinne“ von etwa 150 Millionen Euro einstreichen.
  • Dennoch wurde eine Preiserhöhung der städtischen Fernwärme um 60 Prozent angekündigt.
  • Für die rund 200.000 Hamburger Haushalte, die von den HEnW mit Fernwärme versorgt werden und die die angekündigte Preiserhöhung nicht ohne weiteres verkraften können, könnte mit Hilfe dieser Übergewinne eine Erhöhung der Fernwärmekosten vermieden werden.
  • Der angekündigte Verzicht der HEnW auf eine Gasumlage im Jahr 2022 für ihre Gaskunden ist im Vergleich dazu nur eine billige Werbemaßnahme.
  • Die hohen Übergewinne der HEnW werden noch einige Jahre anhalten, zusammen mit stark erhöhten CO2-Emissionen.

Kohleverbrennung in Hamburg 2022 um 42 Prozent höher als 2019

Der Verbrauch von Erdgas muss wegen der Erdgaskrise dringend reduziert werden. Um bei der Stromerzeugung Erdgas einzusparen, wurde die Kohleverbrennung in den Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerken Tiefstack und Wedel im Jahr 2022 erhöht. Bild 1 zeigt, dass nach einer Reduzierung des mit Kohleverbrennung erzeugten Stroms in Hamburg in den Jahren 2017 bis 2019 im Jahr 2022 die Erzeugung von Kohlestrom voraussichtlich wieder etwa so hoch sein wird wie zuletzt im Jahr 2015. Für die Stromerzeugung aus Steinkohle ist im Jahr 2022 ein um 42 Prozent höherer Wert zu erwarten als im Jahr 2019.

Bild 1: Mit Steinkohle in den Hamburger Heizkraftwerken Tiefstack und Wedel erzeugter Strom (Daten aus den Energy Charts von Fraunhofer ISE. Der Wert für 2022 wurde von Mitte September bis zum Jahresende extrapoliert.)

Im Verlauf der Erdgaskrise haben sich die Großhandelspreise für Strom stark erhöht. Zwar sind auch die Brennstoffpreise erheblich gestiegen und für die Verbrennung von Kohle fallen beträchtliche Kosten für CO2-Zertifikate an. Dennoch ergeben sich bedeutende Übergewinne, die nicht von den Hamburger Energiewerken (HEnW) erwirtschaftet wurden, sondern auf einem historischen „Zufall“ beruhen.

Tim Meyer hat mit Hilfe von öffentlich zugänglichen Daten analysiert, wie sich die Übergewinne aus den explodierenden Strompreisen in Abhängigkeit von den eingesetzten Brennstoffen errechnen lassen.

Bei einer von Meyer berechneten Gewinnsteigerung von „gut sechs Cent pro kWh“ und der für das Jahr 2022 aus den Daten der Energy Charts ermittelten Menge an Kohlestrom in Hamburg von 2198 GWh ergeben sich Übergewinne für die Hamburger Energiewerke HEnW von rund 132 Millionen Euro (Tabelle 1).

Tabelle 1: Übergewinne aus der Stromerzeugung in den Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerken im Jahr 2022

Auf ähnliche Art ergibt sich für den Strom, der 2022 im Gas- und Dampfkraftwerk Tiefstack der HEnW mit der Verbrennung von Erdgas gewonnen wird, ein Übergewinn von rund 8 Millionen Euro. Dazu kommen weitere Übergewinne u. a. von dem mit Blockheizkraftwerken von Hamburg Energie (Teil der HEnW) erzeugten Strom. Schätzt man diese auf rund 10 Millionen Euro, so folgt ein gesamter Übergewinn der HEnW aus der Stromerzeugung von rund 150 Millionen Euro.

Die HEnW haben nach ihrem Geschäftsbericht schon im Jahr 2021 „gut an den steigenden Energiepreisen verdient und der Stadt rund 46 Millionen Euro Gewinn beschert“. Und das, obwohl für 2021 eigentlich noch Verluste aus dem Rückkauf der Wärme Hamburg GmbH von Vattenfall erwartet worden waren.

Verzicht der HEnW auf die Gasumlage für ihre Gaskunden im Jahr 2022

Das Hamburger Abendblatt (HA) fragte am 31. August 2022: „Millionengewinn: Verzichtet Hamburg nun auf die Gasumlage?“. Am 21. September konnte das Blatt dann berichten, die HEnW würden für 2022 auf eine „Weitergabe der Gasumlagen“ verzichten. In dem entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats der HEnW heißt es: „Die Hamburger Energiewerke (HEnW) werden im Jahr 2022 auf eine Weitergabe der Gasbeschaffungs- und Gasspeicherumlage an die Gaskunden der Unternehmensmarke Hamburg Energie verzichten.“

Aus den Angaben der HEnW (30.000 Gaskunden der Hamburg Energie GmbH; jeweils 79 Euro Ersparnis für den Verzicht auf die Gasumlage in den Monaten Oktober bis Dezember 2022) lassen sich 2,37 Mio. Euro als Höhe eines Verzichts der HEnW im Jahr 2022 errechnen. Da die Gasumlage, falls sie überhaupt kommt, erst ab November 2022 erhoben werden soll, geht es um einen Verzicht von weniger als 2 Mio. Euro. Ein Betrag, der wirklich sehr bescheiden ist im Vergleich zu rund 150 Mio. Euro Übergewinn der HEnW im Jahr 2022. Eine wirklich gekonnt in Szene gesetzte PR-Maßnahme!

Stark steigende Fernwärmepreise trotz hoher Zufallsgewinne der HEnW

„Auch unseren Fernwärmekunden stellen wir die Gasumlagen in diesem Jahr nicht gesondert in Rechnung“ heißt es weiter im Beschluss des Aufsichtsrats der HEnW, erklärt von Michael Prinz, einem der drei Geschäftsführer:innen der HEnW.

Die Fernwärme im Hamburger Stadtnetz entsteht laut HA zwar zu 64 Prozent aus Steinkohle und neben 16 Prozent aus Müllverbrennung nur zu 19 Prozent aus Erdgas. Dennoch könnte diese Ankündigung etwas bedeutsamer sein als die für die Gaskunden, da offenbar die Gasumlage auch bei Fernwärmeversorgern mit Gasnutzung erhoben werden soll.

Über den bevorstehenden Anstieg der Fernwärmepreise im Hamburger Stadtnetz berichtete das Hamburger Abendblatts bereits am 11. August 2022, die HEnW hätten auf Anfrage mitgeteilt, dass der Preis der Fernwärme um mindestens 60 Prozent steigen dürfte. Dies obwohl schon bisher aus nachvollziehbaren Gründen die Fernwärme eine besonders teure Heizungsart war, wozu das Hamburger Abendblatt nähere Angaben machte. Diese „mindestens 60 Prozent“ dürften sich nach festgelegten Regeln aus den Kostensteigerungen vor allem für Steinkohle, Erdgas und CO2-Zertifikate ergeben (Preisänderungsklausel).

Nach dem Bericht des Hamburger Abendblatts gibt es 247.000 Haushalte, die von den HEnW mit Fernwärme versorgt werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gewerbekunden, städtische Einrichtungen und Krankenhäuser, die am Wärmenetz hängen. Rein rechnerisch werden vom Hamburger Stadtnetz rund 500.000 „Wohneinheiten“ mit Heizwärme und Warmwasser versorgt.

Wie verhalten sich nun die Übergewinne der HEnW von rund 150 Mio. Euro im Jahr 2022 zu den angekündigten Preiserhöhungen für die Fernwärme?

Das Hamburger Abendblatt erklärte, der Beratungsfirma co2online zufolge seien als Heizkosten für eine durchschnittliche 70 Quadratmeter große mit Fernwärme versorgte Wohnung in einem Mehrfamilienhaus 945 Euro für 2021 zu veranschlagen.

Tabelle 2: Zur Verwendung der Übergewinne der Hamburger Energiewerke im Jahr 2022

Eine einfache Überschlagsrechnung führt zum Vergleich in Tabelle 2: Für 200.000 bedürftige Haushalte, die bisher im Jahr rund 1000 Euro für die Fernwärme bezahlen, würden zur Vermeidung einer Kostenerhöhung von 60 Prozent 120 Millionen Euro benötigt. Mit ihren gar nicht selbst erwirtschafteten Übergewinnen könnten die HEnW also die Fernwärmekosten für die Haushalte, die in Hamburg mit Fernwärme für Heizung und Warmwasser versorgt werden und die die Preiserhöhung nicht einfach wegstecken können, für ein Jahr konstant halten.

Übrig bleiben würden 30 Millionen der Übergewinne für den vom HEnW-Aufsichtsratschef Senator Kerstan (Grüne) vorgeschlagenen Härtefallfonds des Senats für „Menschen, die die hohen Energiepreise trotz anderer staatlicher Hilfen nicht mehr bezahlen können.“ Energiesperren sollen damit vermieden werden. Und die HEnW hätten immer noch die „normalen“ Gewinne aus dem Fernwärmebetrieb.

Der Härtefallfonds soll Teil des „Notfallfonds Energiekrise“ werden, der mit einem Startkapital von 125 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Der Notfallfonds ist auch für Unternehmen in Industrie und Handwerk gedacht, die derzeit unter den explodierenden Strom- und Gaspreisen leiden. Nach Bürgermeister Tschentscher soll der Notfallfonds das dritte Entlastungspaket des Bundes ergänzen, das die größten Härten abfedern soll.

Wie wird es weitergehen?

Das renommierte Beratungsinstitut PROGNOS hat kürzlich unter Verwendung der zu erwartenden Preise von Energieträgern Prognosen zu den Großhandelspreisen von Strom in Deutschland bis zum Jahr 2040 veröffentlicht (Bild 2).

Bild 2: Von PROGNOS erwartete Strompreise bis 2040 (Quelle: PROGNOS. Der „obere Strompreispfad entspricht einem völligen Stopp russischer Gaslieferungen.)

Das völlige Ausbleiben von Erdgasimporten aus Russland entspricht dem „oberen Strompreispfad“. PROGNOS dazu: „Der obere Strompreispfad steigt 2023 aufgrund der hohen Gaspreise auf über 500 € / MWh an und sinkt dann bis 2028 deutlich ab. 2030 liegt der Preis bei 98 und sinkt bis 2040 auf rund 80 € / MWh ab.“ Vor 2021 war der Preis weniger als halb so hoch.

Der Studie liegen als Annahmen zugrunde: die Weiterführung des gegenwärtigen Strommarkt-Designs (merit-order) und die Bestimmung des Preises auf dem deutschen Gasmarkt durch verflüssigtes Erdgas aus den USA ab dem Jahr 2027. Als Preise für Erdgas wurden 2022/2023 250 bis 300 Euro pro MWh und ab 2027 25 bis 35 Euro pro MWh angenommen. Die Steinkohlepreise sind wesentlich moderater (Seite 7 in der Studie).

Nach der Studie ist zu erwarten, dass die größtenteils Steinkohle-gestützte Hamburger Fernwärme bei voller Auslastung der Heizkraftwerke noch weitere drei Jahre sehr hohe Übergewinne verbuchen kann. Mit den in den Folgejahren von PROGNOS erwarteten Strompreisen wird die Gewinnerwartung für Steinkohle-Heizkraftwerke weiterhin hoch sein. Zu erwähnen ist allerdings, dass PROGNOS auch davon ausgeht, dass bis 2030 alle deutschen Steinkohle-Kraftwerke abgeschaltet werden (Seite 10). Das ließe sich realisieren, wenn die installierte Leistung der erneuerbaren Energien gemäß dem „Osterpaket“ der Ampelregierung bis 2030 verdreifacht würde (Seite 11).

Folgen für den Klimaschutz

Es gibt zahlreiche negative Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Gegenmaßnahmen der westlichen Demokratien für den dringend notwendigen Klimaschutz.

Für die nähere Umgebung Hamburgs offensichtlich sind

  • die starke Zunahme der Verfeuerung von Steinkohle (Bild 1), die wohl noch einige Jahre im gegenwärtigen Umfang weitergeführt werden wird,
  • die mit „Lichtgeschwindigkeit“ (Habeck) erfolgende Errichtung zahlreicher LNG-Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas an den deutschen Küsten, die sich nicht auf schwimmende Terminals zur kurzfristigen Deckung des Erdgasbedarfs beschränkt, sondern für die bereits langfristige Verträge zur Lieferung von fossilem Erdgas geschlossen werden,
  • der Ersatz der übermäßigen Abhängigkeit von russischem Erdgas durch eine übermäßige Abhängigkeit von Erdgas aus Nordamerika, bei dem es sich häufig um besonders klimaschädliches Fracking-Gas handelt,
  • die Abwertung der Berücksichtigung ökologischer Belange bei der Verkürzung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren,
  • die Behinderung des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Reduzierung von Treibhausgasen, beispielsweise durch das von der Hamburger Umweltbehörde betriebenen Projekt eines LNG-Terminals in Hamburg, das der Errichtung einer großen Wasserstoff-Erzeugungsanlage im Weg stehen würde.

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