Der Hamburger Energietisch

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Was hat Senator Kerstan gegen den Energiestandort Stellinger Moor?

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Senator Kerstan wirft einer Nutzung des Energiestandorts Stellinger Moor für den Ersatz des Heizkraftwerks Wedel immer neue Steine in den Weg. Der Grund: Er will eine Nordvariante ohne Elbtrasse verhindern, um seine Ersatzlösung südlich der Elbe mit einer teuren und überflüssigen Elbtrasse durchzusetzen.
Lesen Sie, was von seinen neuesten Einfällen zu halten ist.

Hier als pdf-Datei.

Gibt es im Stellinger Moor keine Fläche für eine Nordvariante?

Auf Einladung der Bürgerinitiative „Keine Elbtrasse!“ hielt Senator Kerstan am 16. September 2019 in der Volkshochschule Waitzstraße einen Vortrag „Wärmewende & Energiepark Hafen“.

Er räumte ein: Im Stellinger Moor gibt es auf der an das Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) angrenzenden Fläche, die Hamburg Wasser gehört, ausreichend Platz für eine Nordvariante ohne Elbtrasse, mit der das Heizkraftwerk Wedel ersetzt werden könnte. Allerdings werde diese Fläche bis 2025 als Baufeld und Materiallager für den Bau des ZRE gebraucht.

Kerstan:

„ …also, ich habe nicht gesagt, dass die Fläche nicht ausreicht, sondern dass ein Teil der Fläche für das ZRE benutzt wird und der Rest der Fläche eben während des Baus nicht zur Verfügung steht, weil er in der Bauphase mitbenutzt wird.“

Bei Nachforschungen stellte sich heraus:

Die Stadtreinigung Hamburg (SRH) versicherte beim Scoping-Termin für das ZRE am 4.10.2017 (Abschnitt 6.2.1 Bauphase):

„Die Flächeninanspruchnahme für Baustelleneinrichtungsflächen und Materialzwischenlager erfolgt ausschließlich auf dem Betriebsgelände.“

In einer Schriftlichen Kleinen Anfrage (Drs. 21/18476, 1.10.19) fragte die LINKEN-Fraktion sicherheitshalber noch einmal nach. Ergebnis:

„Die SRH plant weiterhin, die Baustelleneinrichtungsflächen und Materialzwischenlager auf dem Betriebsgelände zu konzentrieren.“

Zur Entlastung der Situation würden parallel auch Gespräche mit Eigentümern der Nachbargrundstücke geführt.

Kerstans Behauptung, eine für die Nordvariante in Frage kommende Fläche werde vom ZRE bis 2025 als Baufeld gebraucht, ist also falsch.

Ununterbrochene Prüfung der Wedelersatz-Alternative im Stellinger Moor?

Bei der gleichen Veranstaltung behauptete Senator Kerstan zunächst, eine Nordvariante im Stellinger Moor sei bei der Projektierung dauernd als Alternative zum Standort Dradenau mitgeprüft worden.

Das stieß nicht nur auf entschiedenen Widerspruch verschiedener bei dieser Veranstaltung anwesender Mitglieder des Energienetzbeirats (ENB). Die Behauptung Kerstans widerspricht auch ganz und gar den Protokollen und Dokumenten des Energienetzbeirats.

Ein Zuhörer fragte nach Unterlagen über diese Prüfungen: „Kann man das nicht ins Netz stellen, Herr Kerstan?“

Senator Kerstan räumte ein:

„Wenn der erste Schritt zum Ergebnis kommt, diese Fläche steht nicht zur Verfügung, dann endet an dem Punkt die Prüfung.“

Da aber, wie oben gezeigt, die Fläche sehr wohl zur Verfügung steht, muss man folgern:

Der Umweltsenator scheint von seiner Behörde sehr schlecht informiert zu werden!

Zur Frage eines ergebnisoffenen Vergleichs zwischen einer Nordvariante im Stellinger Moor und einer Südvariante in und um Dradenau hier etwas ausführlichere Erläuterungen:

Senator Kerstan erklärte bei der Veranstaltung am 16.9.2019:

„… wir haben das alles sehr intensiv geprüft. Das ist jetzt nicht so, dass wir uns das überlegt haben ohne Alternativen zu prüfen. Im Grunde genommen liefen bis zum Frühjahr letzten Jahres parallel zwei Planungen, die Dradenau und der Standort Stellingen und im April letzten Jahres haben wir dann entschieden im Senat, den Stellinger Standort zu verwerfen …“

Die Protokolle des Energienetzbeirats zeigen, dass diese Darstellung total falsch ist. In der Tat hat Senator Kerstan während der ENB-Sitzung am 5. April 2018 erklärt:

„Wir haben uns entschieden für die Südvariante.“

Entschieden auf Grund eines ergebnisoffenen Vergleichs mit einer Nordvariante im Stellinger Moor? Mitnichten!

Der Projektleiter Dr. Beckereit legte bei den ENB-Sitzungen am 2.11.2017 und am 23.11.2017 folgenden Vergleich vor:

  • Nordvariante: am Haferweg und in Wedel und eben nicht im Stellinger Moor
  • Südvariante: völlig verschieden von der gegenwärtig projektierten Variante.

Bei der Südvariante war die Hauptwärmequelle die Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (80 MW), die gegenwärtig fast ihren gesamten Dampf zu den Ölwerken Schindler leitet. Die Ölwerke sollten mittels der sog. „MVR-Rochade“ vom Kohlekraftwerk Moorburg beliefert werden. Dieses umstrittene Vorhaben, bei dem indirekt Kohle für die Fernwärme eingesetzt worden wäre, wurde erst im Spätsommer 2018 aufgegeben. Nun wurde ein leistungsstarkes und teures Gas-GuD-Kraftwerk der Hauptlieferant der Ersatzwärme wie in der heutigen Südvariante.

Als Nordvariante wurde Ende 2017 unter Mitwirkung von Vattenfall eine völlig unattraktive Kombination aus Wärmeerzeugern am Haferweg und in Wedel der Vergleichsprüfung unterzogen. Diese abschreckende Nordvariante war tatsächlich nicht konkurrenzfähig mit der damaligen Südvariante und außerdem erklärte Vattenfall, Flächen am Haferweg stünden erst Jahre später zur Verfügung.

(Bilder: BUE, EEWH)

Seltsam, dass sich Senator Kerstan an diese Vorgänge nicht mehr erinnern möchte, wenn er jetzt behauptet, eine Nordvariante im Stellinger Moor sei „intensiv geprüft“ worden.

Bau eines 400-MW-Kraftwerks in einem Wohngebiet?

Im geplanten Energiepark Hafen soll südlich der Elbe ein Gas-Kraftwerk, eine KWK-Anlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 400 MW, errichtet werden. Diese Anlage könnte auch in einer Nordvariante gebaut werden. Nach dem Vorschlag einer Arbeitsgruppe des ENB „Ersatz des HKW Wedel“ könnte hier die Leistung sogar geringer sein.

Im Stellinger Moor, so suggerierte Senator Kerstan, würde dieses Kraftwerk aber in einem Wohngebiet gebaut werden müssen:

„Dann würde ich im Ernst eine Versammlung so wie bei Ihnen jetzt in Stellingen machen mit Anwohnern, die mich fragen, warum ich da jetzt einfach ein 400 MW-Kraftwerk in ihr Wohnviertel stelle.“

Das folgende linke Bild zeigt klar, dass die betreffende Fläche von Hamburg Wasser, auf der früher eine Kläranlage betrieben wurde (rechts im Bild), in einem Industriegebiet liegt.


(Bilder: Google Earth)

Auf der westlichen Seite liegt in einiger Entfernung das Volksparkstadion, auf der östlichen Seite werden Gebäude durch die höher liegende Autobahn und die Gleisanlagen abgeschirmt.

Gegen den Bau des ZRE (unten im ersten Bild) hatte Kerstan nichts einzuwenden, obwohl dazu mehrere Kraftwerke gehören und es umfangreiche Mülltransporte mit sich bringt.

Daher stellt sich die Frage, wie es mit der gründlichen und dauerhaften Prüfung der Nordvariante im Stellinger Moor bei Senator Kerstan aussieht.

Jahrelanges Planfeststellungsverfahren für eine Gasleitung?

Senator Kerstan hatte noch andere „Argumente“ gegen den Nordvarianten-Standort Stellinger Moor auf Lager. Für die Gas-KWK-Anlage würde eine Gasleitung mit einem Planfeststellungsverfahren benötigt.

Kerstan:

„Wir müssten eine neue Gasleitung von der Hauptleitung quer durch die Stadt dorthin neu bauen. Dafür braucht man ein Planfeststellungs-Verfahren. Das dauert mehrere Jahre, genauso wie wir das jetzt hier bei, bei anderen Verfahren haben und insofern das auch ein weiterer Grund war, warum man sagte, bis 25 an der Stelle nicht schaffen kann.“

Zur Klärung der Frage nach ausreichender Gas- und Stromversorgung am Standort Stellinger Moor hatte sich die Arbeitsgruppe des Energienetzbeirats „Ersatz des HKW Wedel“ im Januar 2019 an die Unternehmen Gasnetz Hamburg und Stromnetz Hamburg gewandt.

Aus der Antwort von Gasnetz Hamburg geht hervor, dass keine „Hauptleitung quer durch die Stadt“ nötig wäre, sondern lediglich ein 2,5 km langer Leitungsbau mit Querschnitt DN 300. Da sich das Projekt als wirtschaftlich darstellt, wären vom Kunden nur die Anschlusskosten (0,8 bis 1,0 Mio.€) zu tragen.

Wenn die BUE den Standort Stellinger Moor wirklich geprüft hätte, hätte ihr das natürlich bekannt werden müssen.

Die Auskünfte von Stromnetz Hamburg und von Gasnetz Hamburg zu den im Stellinger Moor notwendigen Energieleitungen wurden inzwischen von der Arbeitsgruppe der Umweltbehörde zugestellt.

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