Bemerkungen zur „Replik“ des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement IfaS auf das DUH-Gutachten von Schick und Ibisch
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Auf massive Kritik am Buschholz-Gutachten von UNIQUE – antwortet das IfaS
A. Schick und P. Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde veröffentlichten im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) am 30. April 2021 ein Gutachten „Namibian ‘Bush encroachment’ in context: an ecological perspective on current and future dryland greening, its causes and consequences“. Darin wurde die Buschholz-Studie Seebauer et al. (2019) der UNIQUE GmbH (“Greenhouse Gas Assessment of Bush Control and Biomass Utilization in Namibia”) heftig angegriffen. Die UNIQUE-Studie beruhe auf falschen Annahmen und veralteten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Folglich werde die Fläche und das Ausmaß der Gehölzausbreitung in Namibia grob überschätzt. „Die Ergebnisse stellen die Kohlenstoffbilanzen und die Nachhaltigkeitsbewertungen der Buschholzernte ernsthaft in Frage.“
Die schon von mehreren Seiten hart kritisierte Forstberatung UNIQUE hüllt sich zu diesen Vorwürfen und zur Kritik in vorangehenden kritischen Gutachten, Stellungnahmen und parlamentarischen Anfragen in totales Schweigen. Das fällt nicht schwer, wenn der Auftraggeber, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) öffentlich feststellen, es gebe an diesem Gutachten nichts zu beanstanden. Das BMZ am 26.5.2021: „Aufgrund der anhaltenden Kritik wurde die Studie nochmals durch den Fach‐ und Methodenbereich der GIZ geprüft und es konnten keine Beanstandungen festgestellt werden.“ Angesichts der Vielzahl der veröffentlichten schweren Kritikpunkte eine skandalöse Antwort, die das Vertrauen der Zivilgesellschaft in die Arbeit von GIZ und BMZ untergraben kann.
Anstelle von UNIQUE meldete sich Ende Juli 2021 das Trierer Institut für angewandtes Stoffstrommanagement IfaS mit einer 31 Seiten langen „Replik“ zu Wort (Heck/Ohlde 2021), obwohl das IfaS und seine Veröffentlichungen in der DUH-Studie von Schick und Ibisch mit keinem Wort erwähnt wurden. Die Hamburger Umweltbehörde BUKEA hat ihren Buschholz-Prüfprozess am 18. Mai 2021 ausgesetzt. Das Buschholz-Projekt könnte daher bereits als gescheitert betrachtet werden (mopo). Nun versucht das IfaS offenbar eine Rettung des Plans zum Export von namibischem Buschholz, dem es vor neun Monaten eine 173 Seiten lange, von der GIZ beauftragte Machbarkeitsstudie gewidmet hat. Die Hamburger Umweltbehörde BUKEA hat für den Spätsommer einen „Bericht zum aktuellen Stand des Prüfprozesses“ angekündigt. Um den Einfluss auf diesen könnte es dem IfaS gehen.
Ein Rettungsversuch für den Export von Buschholz nach Europa
Schick und Ibisch griffen in ihrem 104 Seiten langen, auf Englisch verfassten Gutachten einen Pfeiler der Argumentation von UNIQUE und IfaS an. Im Auftrag des GIZ-Projekts BCBU hatten diese behauptet, in Namibia wachse so viel Buschholz, dass ein Stopp und eine Reduzierung der „Verbuschung“ nur durch einen umfangreichen Export von Buschholz, das in Europa verbrannt werden sollte, erreichbar wäre.
Die Feststellung von Schick und Ibisch steht in Übereinstimmung mit Abschnitt 9 des HET-Gutachten, Rabenstein 2021, „Buschholz aus Namibia: Ersatz für die Steinkohle in Deutschland?“, das unter besonderer Berücksichtigung des durch Wildfeuer zerstörten Buschholzes zum Ergebnis kam, dass für einen Stopp der „Verbuschung“ ein Holz-Export aus Namibia nicht erforderlich sei. Leider droht der Umfang der Buschbrände in der gegenwärtigen Feuer-Saison in Namibia noch größer zu werden als bereits in den letzten Jahren. [1] [2]
In der Kontroverse zwischen Schick/Ibisch und Heck/Ohlde geht es schwerpunktmäßig um Daten, die per satellitengestützte Fernerkundung gewonnen werden. Zu diesen technischen Fragen werden sich sicherlich Schick und Ibisch klarstellend äußern.
Hier soll nur auf die Behauptungen des IfaS am Ende ihrer „Replik“ eingegangen werden, die sich mit dem Klima und dem Umfang des Buschholzgeschäfts befassen.
Befeuern der Klimakrise durch Verbrennen von Frischholz
Schick und Ibisch verweisen zur Klimawirkung des Verbrennen von Frischholz auf eine vielbeachtete Studie von Leturcq 2020. [3] [4]
Es ist einfach zu begreifen, worum es in diesem Zusammenhang geht:
- Beim Verbrennen von Holz wird pro bereitgestellter Energiemenge mehr CO2 freigesetzt als beim Verbrennen von Kohle (der Emissionsfaktor ist höher).
- Es dauert Jahrzehnte, bis nachwachsendes Holz eine entsprechende Menge CO2 wieder aufgenommen hat, so dass ab diesem Zeitpunkt von „Klimaneutralität“ gesprochen werden könnte.
- Zur Einhaltung der Klimaschutz-Ziele des internationalen Abkommens von Paris 2015 müssen die CO2-Emissionen innerhalb des nächsten Jahrzehnts halbiert werden. Daher müssen unbedingt und schnellstmöglich alle vermeidbaren CO2-Emissionen unterbleiben, zumal dann, wenn es wie in Hamburger Heizkraftwerken klimafreundlichere Alternativen gibt.
Die Autoren des IfaS äußern sich dazu so:
Leturq (S. 7) führt weiterhin aus: “Energy substitution has an immediate adverse greenhouse effect since the emission factor of wood is higher than that of any other fuel. The possibility of regeneration for the exploited stands, and, in that case, the existence of a time delay beyond which a GHG benefit may be expected, cannot hide this inescapable physical reality. The time horizons set for the achievement of greenhouse gas emission reduction objectives (30 to 80 years) are, in most cases, less than this time to sequestration parity. …“ [5]
Leturq hat also lediglich ein Problem mit der Dauer bis zur Wiedereinlagerung des freigesetzten Kohlenstoffs. Und somit ist die Art der Landnutzung von besonderer Bedeutung, da diese über die Kohlenstoffentwicklung im System entscheidet.
Das ganze Gutachten beschäftigt sich ansonsten überhaupt nicht mit dem Thema der Treibhausgase. Für die Biomassepartnerschaft gibt es jedoch sehr detaillierte Annahmen zu den THG Bilanzen, die eingebaut in die Formeln Leturcqs genau das Gegenteil von dem produzieren würden, was die Gutachter zeigen wollen: Biomasse aus Buschholzausdünnung ist THG neutral. Vor allem der Aufwand für Ernte und Logistik wird überkompensiert durch die Entwicklung des SOC unter einer multifunktionalen Landnutzung. Die Wiedereinlagerung des entnommenen Kohlenstoffes ist bei Savannen-Buschbiomasse im Rahmen einer optimierten Landnutzung wesentlich kürzer als in mitteleuropäischen oder temperierten Wäldern. Nur um dies beurteilen zu können, müssten die Gutachter sich mit Namibia, der Savanne, C4 Gras und den geplanten Managementmaßnahmen intensiver beschäftigen.
Biomasse aus Buschholzausdünnung ist also den IfaS-Autoren zufolge „Treibhausgas-neutral“. Zur Begründung werden immer noch die „Entwicklung des SOC unter einer multifunktionalen Landnutzung“ angeführt. SOC ist der organische Kohlenstoff im Boden (Teil des Humus). Er soll sich angeblich nach der Umwandlung von Buschland in Grasland vergrößern. UNIQUE wird diese Behauptung kaum mehr wiederholen, nachdem sie in Kapitel 5 des HET-Gutachtens Rabenstein 2021 ausführlich widerlegt wurde und nachdem das Umweltbundesamt die Einschätzungen dieses Gutachtens unterstützt hat.
Während abgeholzte Bäume in Wäldern normalerweise rasch nachwachsen können, soll das im Konzept von UNIQUE und IfaS gerade für längere Zeiträume verhindert werden. Auf den gerodeten Flächen sollen Rinder gezüchtet werden, die das Klima mit ihrem Methan-Ausstoß belasten. Für die IfaS-Autoren ist das alles aber „THG-neutral“!
Der Machbarkeitsstudie des IfaS mit ihren Treibhausgas-Berechnungen hat sogar die Hamburger Umweltbehörde die Qualität einer wissenschaftlichen Publikation abgesprochen. Im HET-Gutachten wurden zahlreiche, teils grobe Fehler des IfaS in dessen Treibhausgas-Berechnungen offen gelegt. Das IfaS schweigt dazu und ignoriert die HET-Gutachten.
Es geht nicht um den Stopp der Verbuschung,
sondern um das große Geschäft
Zum Umfang des geplanten Buschholz-Geschäfts schreiben die IfaS-Autoren:
„Stand des Wissens ist, dass Namibia auf ca. 45 Mill ha invasiv verbuscht ist. Und Fakt ist auch, dass die Regierung davon 15 Mill. ha entbuschen will. Bei nachhaltig zu entnehmenden Mengen von 10 -12 t pro ha wären dies alleine 150 – 180 Mill t Biomasse. Das derzeitige Erntevolumen liegt bei 2 Mill t Biomasse pro Jahr. Selbst wenn dies verdoppelt würde, könnte über 20 Jahre der gewünschte Zustand nicht erreicht werden. Und dabei sind die Ausbreitungsrate und die Zuwachsrate der Buschbiomasse noch überhaupt nicht berücksichtigt.“
Die Regierungsabsicht, 15 Mill. ha zu entbuschen, stammt aus den im Jahr 2015 geplanten Verpflichtungen Namibias (INDC) zur Verminderung von Treibhausgasen. Bei der Formulierung war die Regierung davon ausgegangen, dass durch die Entbuschung Treibhausgase vermindert werden würden. Wenn sich nun laut unabhängigen, vom deutschen Umweltbundesamt unterstützten Gutachten gezeigt hat, dass eine Entbuschung sehr klimaschädlich wäre, käme die namibische Regierung vielleicht zu einer anderen Selbstverpflichtung.
Zu diesen 15 Mill. Hektar, die laut INDC Namibias „entbuscht“ werden sollen, bemerkt sogar UNIQUE auf Seite 22 seines Gutachtens:
“However, the plan to establish 15 million ha of grassland through bush thinning by year 2030 appears to be unrealistic. Future revised NDCs should provide more details supported by calculations to explain how this target can be achieved, as it is an important component of Namibia’s mitigation strategy and contributed 6% to the planned mitigation target.” [6]
Dem IfaS reicht eine Buschausdünnung in diesem Umfang dagegen noch nicht. In seiner Machbarkeitsstudie setzt es beispielsweise auf Seite 165 einen Maßstab von 105 Buschholz-Industrieparks, jeweils mit 250.000 Tonnen Buschholz-Ernte pro Jahr, verteilt über das ganze Land Namibia – „nachhaltig“ natürlich.
Eine Schlussfolgerung, an der somit kaum vorbeizukommen ist: Den IfaS-Autoren dürfte es schlicht an der Qualifikation für die Beurteilung von Klimawirkungen fehlen. Sie sind in diesem Fall nicht als Wissenschaftler, sondern als Lobbyisten zu betrachten, denen es um ein großes Geschäft geht. Die Hamburger Umweltbehörde sollte das erkennen, statt wie bisher dem IfaS und dessen Mit-Lobbyisten wie N-BIG aus Namibia weiterhin in weiten Teilen ihres Buschholz-Prüfprozesses die Initiative zu überlassen.
Prof. Dr. Dietrich Rabenstein, 17.8.2021
[1] Brände wie noch nie zuvor, AZ, 9.8.21, https://www.az.com.na/nachrichten/brnde-wie-noch-nie-zuvor2021-08-09/
[2] Umstände der Holzkohle-Produktion, AZ, 12.8.21, https://www.az.com.na/nachrichten/umstnde-der-holzkohle-produktion2021-08-12/
[3] Leturcq, P.: GHG displacement factors of harvested wood products: the myth of substitution. Sci Rep 10, 20752 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-77527-8, https://www.nature.com/articles/s41598-020-77527-8
[4] Hierzu auch Leturcq, P.: Wood preservation (carbon sequestration) or wood burning (fossil-fuel substitution), which is better for mitigating climate change? Annals of Forest Science (2014) 71:117–124 https://hal.archives-ouvertes.fr/hal-01098394/document
[5] „Die Energiesubstitution hat einen unmittelbaren negativen Treibhauseffekt, da der Emissionsfaktor von Holz höher ist als der jedes anderen Brennstoffs. Die Möglichkeit der Regeneration der genutzten Bestände und in diesem Fall das Vorhandensein einer zeitlichen Verzögerung, nach der ein Nutzen für die Treibhausgasemissionen erwartet werden kann, kann diese unausweichliche physikalische Realität nicht verbergen. Die Zeithorizonte, die für die Erreichung der Ziele zur Verringerung der Treibhausgasemissionen festgelegt wurden (30 bis 80 Jahre), sind in den meisten Fällen kürzer als die Zeit bis zur Sequestrationsparität.“
[6] „Der Plan, bis zum Jahr 2030 15 Millionen Hektar Grasland durch Buschdurchforstung zu schaffen, scheint jedoch unrealistisch zu sein. Künftige überarbeitete NDCs sollten mehr Details enthalten, die durch Berechnungen unterstützt werden, um zu erklären, wie dieses Ziel erreicht werden kann, da es eine wichtige Komponente von Namibias Minderungsstrategie ist und 6 % zum geplanten Minderungsziel beiträgt.“