Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

Mehr als ein Dutzend Fehler in den Buschholz-Gutachten der GIZ

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Am 31. März 2021 wurde den Medien ein im Auftrag des Hamburger Energietischs (HET) erstelltes Gutachten zur Klimawirkung eines Imports von Buschholz aus Namibia vorgestellt.
An der Pressekonferenz nahm aus Namibia Herbert Jauch, Arbeitswissenschaftler und Vorsitzender des ECONOMIC & SOCIAL JUSTICE TRUST (ESJT), teil.

♦ Das Ende März 2021 veröffentlichte Klimawirkungs-Gutachten von Prof. Dr. Dietrich Rabenstein „Buschholz aus Namibia: Ersatz für die Steinkohle in Deutschland?“:

Komplettes Gutachten,  deutsche Kurzfassung und englische Kurzfassung

♦ Eine Presseerklärung des ECONOMIC & SOCIAL JUSTICE TRUST:

Nutzung für Namibias Busch-Biomasse: Eine Chance für eine entwicklungspolitische Intervention, um koloniale Handelsmuster zu durchbrechen.“

Die Hamburger Umweltbehörde (BUKEA), die seit Mai 2020 den Import von Buschholz aus Namibia prüft, will Mitte 2021 die Ergebnisse dieses Prüfprozesses öffentlich vorstellen.

Sie stützt ihre bisherige Bewertung vor allem auf zwei externe, für die GIZ erstellte Studien:

Vom „Hamburg Szenario“ des IfaS gibt es bisher keine geschlossene und nachvollziehbare Darstellung. Zur Vervollständigung einer Bewertung mussten sechs weitere IfaS-Bruchstücke zur „Road Map“ hinzugezogen werden.

Was wurde im neuen HET-Gutachten untersucht?

Im neuen Gutachten von Prof. Rabenstein, einem Angehörigen der HafenCity Universität Hamburg, wurden die folgenden drei Fragen untersucht:

  1. Wie hoch wären die spezifischen Treibhausgas-Emissionen von Buschholz aus Namibia, wenn es in Hamburg oder in einer anderen europäischen Hafenstadt verbrannt werden würde?
  2. Ist es für einen Stopp der Verbuschung wirklich nötig, Buschholz in großem Maßstab aus Namibia zu exportieren?
  3. Ist die Verbrennung von Buschholz aus Namibia in deutschen Heizkraftwerken wirklich klimafreundlicher als eine Stromerzeugung mit Buschholz in Namibia, wie sie vom staatlichen Stromversorger NamPower geplant wird?

Nicht unmittelbar mit der Klimawirkung in Verbindung stehende Fragen wie die nach den sozialen und wirtschaftlichen Folgen, nach den Auswirkungen auf die Biodiversität und die Verfügbarkeit von Grundwasser in Namibia sind nicht Gegenstände dieses Gutachtens.

Mehr als ein Dutzend Fehler in den Gutachten von UNIQUE und IfaS

Die Klimabilanz des IfaS enthält dem HET-Gutachten zufolge mindestens ein Dutzend Fehler und Unstimmigkeiten, die teilweise auf UNIQUE zurückzuführen sind und teilweise erst in den IfaS-Bruchstücken auftauchen. Fast alle Fehler wirken sich auf gleiche Art und Weise aus: die errechneten Treibhausgas-Emissionen werden durch sie gesenkt.

Ein umfangreiches Kapitel 5 im HET-Gutachten beschreibt auf 13 Seiten besonders folgenreiche Fehler. Andere werden in den Kapiteln 6.3, 8, 9 und im Anhang aufgelistet.

IfaS behauptet, infolge der Verbrennung von namibischem Buschholz in deutschen Heizkraftwerken würde der Atmosphäre CO2 entzogen: 26 kg CO2 pro MWh des Energieinhalts der verbrannten Holzpellets. Diese „negativen Emissionen“ würden genau den Einsparungen an Treibhausgasen entsprechen, zu denen sich Namibia als Beitrag zum Klimavertrag von Paris 2015 verpflichtet habe, so das IfaS. Mehr als rund 100 kg CO2 pro MWh des Energieinhalts der Holzpellets aus Namibia würden auf keinen Fall emittiert.

Das HET-Gutachten stellte dagegen fest: Nach einer Korrektur aller in den UNIQUE-IfaS-Studien festgestellten Fehler ergaben sich rund 650 kg CO2 pro MWh. Das ist noch viel mehr als bei der bisher im Heizkraftwerk Tiefstack verfeuerten Steinkohle mit 439 kg CO2 pro MWh des Energieinhalts. Das folgende einfache Diagramm illustriert diesen Vergleich:

Vergleich der Treibhausgas-Emissionen gemäß IfaS und nach einer Korrektur

Einige der Unterschiede in der Bewertung werden im folgenden Bild veranschaulicht.

Links ist ein mit Büschen bewachsenes Gebiet vor der Buschernte zu sehen. Nach der Abholzung eines Teils dieser Büsche, „Ausdünnung“ genannt, entstehen Treibhausgase nicht nur durch die Verbrennung des Holzes. Vielmehr wird in bedeutendem Umfang Kohlenstoff aus dem Boden als CO2 freigesetzt. Für Jahre soll Nachwachsen von Büschen verhindert werden. Auf frei gewordenen Flächen sollen Rinder oder Wildtiere grasen, die Methan ausstoßen, ein fast hundertmal  stärkeres Klimagift als CO2. Bei einer vollständigen Lebenszyklusanalyse darf nicht übersehen werden, dass die Büsche bei einem 20-jährigen Weiterwachsen CO2 gespeichert hätten, hätte man auf die Abholzung verzichtet (rechte Seite im Bild).

UNIQUE und IfaS rechneten entgegen den meisten Literaturquellen und entgegen umfangreichen Messungen vor Ort, dass der in Grasland umgewandelte Boden CO2 nicht abgibt, sondern aufnimmt. Das Basis-Szenario „Weiterwachsen von Büschen“ wurde ignoriert. Die Methan-Emissionen wurden auf 100 statt 20 Jahre verteilt, obwohl Methan nur eine mittlere Lebensdauer von etwa 12 Jahren in der Atmosphäre besitzt.

Das folgende Bild wurde ohne die rot eingetragenen Korrekturen schon in der Bürgerschaftsdrucksache 22/1831 veröffentlicht. Außer der Holzverbrennung selbst mussten fehlerbedingt praktisch alle Einzelbeiträge zu den Treibhausgas-Emissionen korrigiert werden.

Fast jeder THG-Beitrag war in der IfaS-Berechnung fehlerhaft

Die Ausflüchte der BUKEA

Ein Klimawirkungsgutachten des HET vom Juni 2020, das bereits die UNIQUE-Studie kritisch analysiert hatte, prüfte die BUKEA nicht. Sie wandte in Drs. 22/3385 ein, es gehe von einer anderen Landnutzung und Landfolgenutzung aus als die Machbarkeitsstudie des IfaS. Daher seien die Ergebnisse nicht vergleichbar.

Weiter führte die Umweltbehörde an, es sei nicht bekannt, ob dieses HET-Gutachten einem Peer Review unterzogen worden sei (einer unabhängigen Überprüfung). Für die Machbarkeitsstudie des IfaS sei allerdings kein Peer Review geplant. Denn diese verfolge nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Publikation.

Das neue Gutachten des HET ist nun vollständig an das „Hamburg Szenario“ der Machbarkeitsstudie des Ifas angepasst. Wird die BUKEA sich  nun damit befassen? Oder wird sie neue Ausflüchte erfinden? Wird sie weiter eine Prüfung verweigern, gar eine „ergebnisoffene“?

Totale Verbuschung Namibias ohne Buschholzexport?

Alle Unterstützer:innen des Buschholz-Exports sind sich einig und wiederholen es bei jeder sich bietenden Gelegenheit: In Namibia wachse so viel Buschholz, dass im Land selbst der Zuwachs auf keinen Fall vollständig verwertbar sei.

Eine genauere Betrachtung zeigt: Auch das ist falsch.

Vom jährlichen Biomasse-Zuwachs sind nämlich abzuziehen:

  1. was an Buschholz im selben Zeitraum durch Buschfeuer verbrannt wird – wahrscheinlich mehr als im Bild – und
  2. was sich in nicht nutzbarem Gelände befindet.

Bei einer Geländeneigung von mehr als 12 ° und in verschiedenen anderen Fällen darf nämlich nicht abgeholzt werden.

Keine Buschernte auf schiefen Ebenen (Bilder: Bond & Midgley 2012)

Der in Namibia selbst nutzbare Anteil des Zuwachses – zwischen 3 und 6 Mio. Tonnen Biomasse pro Jahr (rechts im Bild) – ist daher durchaus vergleichbar mit dem verbleibenden, tatsächlich  „nutzbaren Zuwachs an Busch-Biomasse“. Der entscheidende Unterschied: Eine Nutzung in Namibia selbst bedeutet Wertschöpfung im eigenen Land und beträchtlich mehr Jobs als bei einem hochindustrialisierten Rohstoffexport entstehen würden.

Polemik gegen Buschholznutzung in Namibia selbst

Auffallend war mehrfach, mit welchem Eifer sich Vertreter:innen von GIZ, UNIQUE und IfaS gegen eine Nutzung von Buschholz zur Erzeugung von elektrischem Strom in Namibia selbst wandten.

Die Ausschreibung für ein 40-MW-Biomasse-Kraftwerk ist bereits am 10. März 2021 abgelaufen. Mit Strom aus Buschholz kann Namibia Kohlestrom aus Südafrika ersetzen. Aber, so die Export-Unterstützer:Innen, in einem Heizkraftwerk in Deutschland, könne der Brennstoff effizienter genutzt werden. Das mag so sein. Es gibt aber keine Stromtrassen von Deutschland nach Namibia.

Auch hier zeigte eine Überprüfung im HET-Hutachten eine extrem einseitige Analyse in der Studie von UNIQUE.

Bewertung von Stromerzeugung mit Biomasse in Namibia – links unfair und rechts fairer

Während das exportorientierte UNIQUE-Szenario negative Emissionen aufwies (links), ergaben sich für die Stromerzeugung in Namibia selbst höhere THG-Emissionen als mit Erdgas (Mitte). Die Überprüfung im HET-Gutachten zeigte, dass UNIQUE nicht die Kraftwerks-Kennwerte benutzt hatte, mit denen das Stromversorgungsunternehmen NAMPOWER plant, sondern erheblich schlechtere. Mit den Kennwerten von NAMPOWER und noch ohne Korrekturen für die oben beschriebenen Fehler von UNIQUE ergab sich eine viel günstigere Treibhausgas-Bewertung für das von NAMPOWER geplante Kraftwerk als für den Holzpellet-Export.

Wie objektiv sind die Gutachten von UNIQUE und IfaS?

Nach all diesen Ergebnissen drängt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit und Objektivität der Buschholz-Gutachten auf, auf die sich die BUKEA bisher stützt.

Längst wurde die Frage aufgeworfen, ob es für diese Gutachter nicht Interessenkonflikte gibt, die an ihrer Objektivität zweifeln lassen.

In einer langen Einleitung zur Bürgerschaftsdrucksache 22/2792 wird sehr deutlich, dass UNIQUE wegen umfangreicher eigener wirtschaftlicher Interessen als Gutachter im vorliegenden Fall nicht geeignet ist.

Wie steht es mit der Unabhängigkeit und Objektivität des IfaS? Eine eifrig verbreitete Erzählung lautet, die namibische Regierung habe Hamburg im Jahr 2019 um Abnahme des wuchernden Buschholzes gebeten. Das sei der Auslöser für den Prüfprozess und das MoU von Hamburg und IfaS gewesen.

Das GIZ-Projekt BCBU hat aber schon im Jahr 2015 den Buschholz-Lobby-Verband N-BIG gegründet. IfaS war dabei ein Gründungsmitglied. N-BIG sitzt in allen drei Arbeitsgruppen des Prüfprozesses der BUKEA. Skeptiker:innen wurden nach der Gründung dieser Arbeitsgruppen sehr schnell nicht mehr eingeladen. Die BUKEA nennt das „ergebnisoffene“ Prüfung.

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