Der Hamburger Energietisch

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Hamburger Fernwärme-Konzept – überteuert und fossil

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Investitionskosten von 750 Millionen Euro

750 Millionen Euro soll der „Energiepark Hafen“ kosten, den Umweltsenator Kerstan mit seinem  Fernwärme-Konzept am 13. September 2019 vorstellte. Durch diesen „Energiepark Hafen“ sollen 73 Prozent der Fernwärme aus dem Heizkraftwerk Wedel ersetzt werden. Die restliche Fernwärme für den Ersatz soll das neue Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) im Stellinger Moor liefern.

Alles in allem sollen also annähernd 1000 Mio. Euro für den Ersatz des HKW Wedel investiert werden.

Gegenüber früheren Kosten-Vorhersagen hat sich eine gewaltige Steigerung der Investitionskosten ergeben.

Vor etwa einem Jahr, am 13. November 2018, wurden dem Haushaltsausschuss der Hamburger Bürgerschaft noch 320 Mio. Euro für die neuen Versorgungsanlagen und das benötigte Leitungsnetz des späteren „Energieparks Hafen“ angegeben. Nun gab es eine Kostensteigerung um 134 Prozent!

Was zeigt sich bei einem Vergleich mit ähnlichen Fernwärme-Versorgungsanlagen?

Das neue Gas-Heizkraftwerk Kiel, das in Kürze in Betrieb gehen wird, wird einschließlich eines großen Wärmespeichers und eines Elektrokessels 290 Mio. Euro kosten. Es soll 840 Gigawattstunden (GWh) Fernwärme im Jahr liefern, etwas weniger als der „Energiepark Hafen“ mit 950 GWh im Jahr.

Nach einer Korrektur für die unterschiedliche Wärmemenge ergibt sich: Der Energiepark Hafen ist um 129 Prozent teurer!

Im Jahr 2012 plante Vattenfall in Wedel die Errichtung eines Gas- und Dampf-Heizkraftwerks (GuD) mit einer thermischen Leistung von 400 MW, etwa 70 Prozent leistungsstärker als die GuD-Anlage im „Energiepark Hafen“. Verglichen mit 430 bis 500 Mio. Euro für diese GuD-Anlage samt Zubehör sind die Anlagen, die zum „Energiepark Hafen“ gehören um etwa 60 Prozent teurer trotz der wesentlich geringeren Leistung.

Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass die Investitionskosten für das Kraftwerk Kiel und für das geplante Kraftwerk Wedel durch Fördergelder für Kraft-Wärmekopplung stark reduziert worden wären. Der KWK-Zuschlag von 190 Mio. Euro für den „Energiepark Hafen“ wird aber verloren gehen, wenn sich die Gas-KWK-Anlage als Kernstück dieses „Energieparks“ nicht bis Ende 2025 im Dauerbetrieb befindet. Und das ist sehr wahrscheinlich.

Warum ist der „Industriepark Hafen“ so teuer?

Rund 200 Mio. Euro verschlingen Fernwärmetrassen: Von Bahrenfeld mit Elbunterquerung nach Dradenau, dazu etliche Zubringertrassen rund um Dradenau. Weitere 200 Mio. Euro sollen von der Hamburger Fernwärmegesellschaft aufgebracht werden als Investitionen in Zulieferanlagen wie: eine Großwärmepumpe in der Kläranlage Dradenau, Industrielle Abwärmeanlagen von Trimet und Arcelor, Anbindung an die Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) und ein Aquifer-Tiefenspeicher. Damit würde die eigentliche Gas-KWK-Anlage noch 350 Mio. Euro kosten, immer noch 72 Prozent mehr als im November 2018 angegeben (Drs. 21/15042).

Lassen sich die hohen Investitionskosten durch die Erschließung von erneuerbarer Wärme rechtfertigen?

Die verglichenen Erzeugungsanlagen in Wedel wie in Kiel sind Anlagen zur ausschließlichen Verbrennung von Erdgas. Fossiles Erdgas ist keine gute Wahl, um die Klimaziele zu erreichen. Könnten daher die hohen Mehrkosten für den „Industriepark Hafen“ auf einen hohen Anteil klimaneutraler Wärme aus erneuerbaren Energiequellen zurückgeführt werden?

Die Umweltbehörde gibt einen Anteil von 55 Prozent klimaneutraler Wärme an (Seite 14 im Konzept der BUE). Doch Vorsicht! Der wirkliche Anteil an klimaneutraler Wärme aus dem „Industriepark Hafen“ ist wesentlich geringer! Er liegt nur zwischen 14 und 18 Prozent.

12 Prozent von den angeblichen 55 Prozent sind ganz und gar nicht klimaneutral. Sie stammen von Wärme aus Müllverbrennungsanlagen, in denen große Mengen an Plastikabfall verbrannt werden. Es ist skandalös, dass die Umweltbehörde (!) diese CO2-Emissionen leugnet, während Vattenfall sie korrekt bilanziert hat.

Weitere 20 Prozent werden nicht im „Energiepark Hafen“ erzeugt, sondern vom Zentrum für Ressourcen und Energie im Stellinger Moor. Bleiben als Zwischensumme zunächst noch 23 Prozent.

Die Abwasserwärmepumpe in Dradenau soll mit Strom aus dem allgemeinen Netz angetrieben werden. Der Großteil dieses Stroms wird immer noch mit Kohle und Erdgas erzeugt! Daher ist die hier gewonnene Wärme nicht einmal zur Hälfte klimaneutral. Außerdem werden die für das Fernwärmenetz notwendigen Temperaturen bei weitem nicht erreicht.

Der Aquiferspeicher wird wahrscheinlich wegen Speicherverlusten kaum klimaneutrale Wärme bereitstellen können. Der Energienetzbeirat hat von einem Aquiferspeicher in Dradenau abgeraten. Solche Speicher gehören in Niedertemperaturnetze.

Damit bleiben statt 55 Prozent nur 14 bis 18 Prozent klimaneutrale Wärme südlich der Elbe am gesamten Ersatz für das HKW Wedel, die mit den teuren Fernwärmeleitungen erschlossen werden sollen. Die für Dradenau geplante Gas-KWK-Anlage lässt sich auch nördlich der Elbe errichten.

Gibt es eine gute Alternative zum „Energiepark Hafen“?

Eine Arbeitsgruppe des Hamburger Energienetzbeirats hat vor einem halben Jahr eine Alternative zum „Energiepark Hafen“ vorgeschlagen, die direkt neben dem ZRE im Stellinger Moor gebaut werden kann, keine teure Elbtrasse braucht und außerdem etwa 57 Prozent echte klimaneutrale Fernwärme liefert. Die Investitionskosten sind wesentlich geringer als die des „Energieparks Hafen“, wie das folgende Bild zeigt.

Besonders deutlich werden die Nachteile des „Energieparks Hafen“ gegenüber der Alternative „Energiepark Stellinger Moor“, wenn man die Frage stellt:

Wieviel kostet jeweils die Einsparung einer Tonne CO2 mit erneuerbarer Wärme?

Die „Südvariante“ ist, wie das nächste Bild zeigt, hierbei hoffnungslos unterlegen.

Da für den „Energiepark Stellinger Moor“ keine risikobehaftete Elbtrasse gebaut werden muss, dürfte der „Energiepark Stellinger Moor“ immer noch früher und sicherer zur Stilllegung des HKW Wedel führen als der „Energiepark Hafen“, den Senator Kerstan selbst als „eines der ehrgeizigsten und komplexesten Systeme zur Energieversorgung“ bezeichnet hat.

Damit drängt sich die folgende Frage auf:

Warum besteht die Umweltbehörde auf dem Bau dieses teuren, komplizierten Projekts mit geringem Umweltnutzen?

Ein wichtiger Grund ist wohl, dass bis zur Entscheidung über den Rückkauf des Fernwärmesystems Senator Kerstan vor dem Problem stand, sich mit Vattenfall über den Ersatz für das HKW Wedel zu einigen. Eine Einigung ohne eine Elbtrasse kam für Vattenfall nicht in Frage, weil der Konzern unbedingt sein Kohle-Kraftwerk Moorburg an die Fernwärme anschließen wollte.

Senator Kerstan sah sich also lange veranlasst, für eine Ersatzlösung mit Elbtrasse zu werben. Es könnte sein, dass er fürchtet, das Gesicht zu verlieren, wenn er jetzt davon Abstand nimmt.

Wichtiger als derartige persönliche Gesichtspunkte ist allerdings der Netze-Volksentscheid, der Gesetzeskraft besitzt und der sowohl „sozial gerechte“ Fernwärmepreise als auch erneuerbare Energien als Ziele vorgeschreibt.

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