In den Gutachtenprozess „Heizkraftwerk Wedel“, der von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) organisiert wurde, sollten die „relevanten gesellschaftlichen“ Akteure Hamburgs eingebunden werden. Ein von der Beratungsgesellschaft BET in einer „transparenten Diskussion“ auszuarbeitendes Gutachten sollte die Verhandlungen des Senats mit Vattenfall über eine Ersatzlösung für das HKW Wedel in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 vorbereiten.
Der Hamburger Energietisch, der sich als Wahrer des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze vom 22.9.2013 versteht, hat sich seit Juli 2014 an diesem Gutachtenprozess beteiligt. Der Volksentscheid wurde von mehr als 50 Organisationen unterstützt. Der HET erkennt an, dass einigen dieser Organisationen im Gutachtenprozess Mitspracherechte eingeräumt wurden, wenn auch mit begrenzter Wirkung.
Die Beteiligung hatte oft nicht einmal den Charakter einer Konsultation auf Augenhöhe. Mündlich und schriftlich vorgebrachte Fakten, Argumente, Anregungen und Kritik wurde nicht selten ignoriert, zumeist lediglich „dokumentiert und abgeheftet“. Schriftliche Anfragen an die BSU oder an BET wurden nicht oder nur sehr unvollständig beantwortet. Einige der bedeutendsten Kritikpunkte der NRO fanden erst nach langen und mühseligen Interventionen bei der den Gutachtenprozess leitenden BSU Beachtung. Bei zahlreichen wesentlichen Punkten blieb es aber bei einem offensichtlichen Dissens zwischen der BSU und den beteiligten NRO.
Daher distanziert sich der HET ausdrücklich von dem aus dem Gutachtenprozess hervorgehenden Gutachten des Beratungsinstituts BET, dessen Inhalt zum jetzigen Zeitpunkt bereits im Wesentlichen erkennbar ist. Die Beteiligung des HET am Gutachtenprozess Wedel darf in keiner Weise als Zustimmung zum Inhalt dieses Gutachtens verstanden werden.
Entscheidende Dissenspunkte sind:
- Der Volksentscheid wurde nicht zur Grundlage der Erarbeitung des Gutachtens erklärt. Vielmehr wurden von der BSU beliebige Relativierungen und Verwässerungen des zweiten Satzes des Volksentscheids geduldet.
- Das von BET mit Unterstützung der BSU bevorzugte Verfahren zur Aufteilung der CO2-Emissionen auf die Koppelprodukte Wärme und Strom (Allokationsverfahren) ist realitätsfern und untergräbt die Basis des Volksentscheids, indem es die Bereitstellung erneuerbarer Wärme ohne gleichzeitige Stromerzeugung als klimaschädlich einstuft (Solarthermie, industrielle Abwärme). Die BSU verlässt damit ohne überzeugende Begründung die in Hamburg, auf Bundesebene und in der EU bewährte „Finnische“ Aufteilungsmethode. (1) Durch Widersprüche zum „Basisgutachten“ und zum Masterplan Klimaschutz drohen damit völlig unnötige Brüche und Verwirrungen in der Klimaschutzpolitik Hamburgs.
- Die BSU und BET insistierten bisher zusammen mit der SPD – Bürgerschaftsfraktion auf Wedel als Standort eines zukünftigen GuD – Heizkraftwerks. Der HET spricht sich wegen vieler Vorteile für den Kraftwerksstandort Stellinger Moor als Hauptstandort für den Ersatz des Kohle-Heizkraftwerks Wedel aus: Die Beeinträchtigung durch Lärm- und Schadstoff-Emissionen in den unmittelbar an das Kraftwerksgelände angrenzenden Wohngebieten in Wedel widerspricht dem Kriterium „sozial gerecht“ im Volksentscheid. Der viel weiter von Wohngebieten entfernte Standort Stellinger Moor ist wirtschaftlich für Hamburg wesentlich vorteilhafter als der Standort Wedel (Gewerbesteuer, Rückbau der Fernwärmeleitung von Wedel). Das Bauzeit-Risiko ist in Wedel viel größer als dasjenige in Stellingen. (2) Dazu kommt, dass nach der Entscheidung des Senats, das Fernwärmenetz im Jahr 2019 zu kaufen, die Stadt Planungen und Bau von Kraftwerken selbst durchführen und nicht mehr dem sich verabschiedenden Unternehmen Vattenfall überlassen sollte. Der Bau eines Gas- und Dampfkraftwerks in Wedel (230 MW thermische Leistung) wird vom HET abgelehnt. Das Kohle – HKW Wedel sollte so rasch wie möglich stillgelegt und abgebaut werden. Die Fernwärmetrasse nach Wedel sollte so weit wie ökonomisch sinnvoll zurückgebaut werden. Für den HET folgt aus dem Volksentscheid, dass die zu ersetzende Fernwärmemenge vorrangig als regenerative Wärme bereit gestellt werden muss. Das kann durch ein Biomasse-Heizkraftwerk in Stellingen und zusätzlich durch die Nutzung von Solarthermie und industrieller Abwärme geschehen.
Für den HET sind der Volksentscheid von 2013 und das „Basisgutachten“ von 2010 die wichtigsten Grundlagen für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung Hamburgs. Bedauerlicherweise hat der SPD-Senat in der Legislatur 2011 bis 2015 sich nicht dafür interessiert, eine Wärmestrategie und insbesondere ein Fernwärmekonzept für Hamburg zu entwickeln. Die Ersatzlösung für das HKW Wedel, über die in Kürze entschieden werden soll, bildet daher lediglich als eine Ad-hoc-Maßnahme mit entsprechenden Mängeln. Daher fordert der HET den neuen Senat, vor allem aber die von einem grünen Senator geleitete Behörde für Umwelt und Energie, auf, unverzüglich die Ausarbeitung eines nachhaltigen Wärme- und Fernwärmekonzepts in Angriff zu nehmen. Der HET ist bereit, sich bei entsprechenden Randbedingungen hieran konstruktiv zu beteiligen.
Beschlossen vom Plenum des Hamburger Energietischs am 11.6.2015
(1) Vgl. Kritik an der Allokationsmethode von BET im „Gutachtenprozess Wedel“
(2) Vgl. Wirtschaftlicher Standortvergleich Stellingen – Wedel