Der Hamburger Energietisch

Für die Energiewende in Hamburg

19. Februar 2020
von Redaktion
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Hamburg als Vorreiter bei „CO2-freier“ Müll-Fernwärme

Gabriela Keller in der Berliner Zeitung zum „Nullsummenspiel“ Müll-Fernwärme

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Es war zu erwarten!

Wenn eine grün geführte Energie- und Umweltbehörde trotz aller Einsprüche der Zivilgesellschaft und trotz Empfehlungen des Hamburger Energienetzbeirats nicht davon ablässt, den Einflüsterungen der Fernwärme-Lobby-Organisation AGFW zu folgen und Fernwärme aus Müllverbrennungsanlagen als klimaneutral bewertet, dann finden sich bald eilfertige Nachahmer.

In Berlin wurde das Nullsummenspiel – die trickreiche Verlagerung von CO2-Emissionen aus Müllverbrennungsanlagen – immerhin von der örtlichen Presse, der Berliner Zeitung, aufgegriffen, entlarvt und problematisiert:

Aus dieser Reportage von Gabriela Keller:

Die grüne Senatorin Regine Günther [stützt sich] auf ein methodisch auffälliges Konzept: Die Studie berücksichtigt „Abwärmequellen mit einem Emissionsfaktor von 0 g pro kWh“. Anders gesagt: Die Energie, die bei der Verbrennung von Müll entsteht, wird als zu hundert Prozent CO2-frei verbucht.

Dies widerspricht üblichen Berechnungsmethoden und bringt Umweltschützer und Wissenschaftler auf: „Es ist strikt falsch, und es ist interessengeleitet“, sagt Günter Dehoust, Senior Researcher am renommierten Öko-Institut in Berlin, „und das Drama ist, dass sich viele Leute diese Berechnung zu eigen machen.“ Es gebe klare Berechnungsvorgaben für Abwärme, wie sie auch das Bundesumweltamt zu Grunde legt, sagt er: „Alle Studien, die ich kenne, berücksichtigen die CO2-Emissionen aus der Abwärme.“

Es ist nicht so, dass er die Müllverbrennung generell ablehne. Für bestimmte Mengen von Restmüll gebe es keine andere Lösung, und so lange dabei Wärme anfällt, solle man sie auch nutzen. „Man darf sie deswegen aber nicht klimaneutral darstellen.“ Ökologisch weitaus vorteilhafter wäre es, Abfälle zu recyceln. Wer dagegen Abfallwärme als CO2-neutral bilanziert, setze fragwürdige Signale: „Es ist ein Taschenspielertrick, denn es geht ja darum: Wie plane ich die Wärmeversorgung in der Zukunft? Wenn ich mir die Emissionen schön rechne, habe ich falsche Planungsgrundlagen, die dann bei politischen Entscheidungen zu Grunde gelegt werden.“

Und so lässt sich an diesem Beispiel verfolgen, wie Methoden von Lobbygruppen in die Bilanzierungsmethoden einfließen – und von politischer Seite akzeptiert werden:

Berlin ist nicht die einzige Stadt, in der Müllverbrennung als CO2-neutraler Energielieferant auftaucht. Auch Hamburg kalkuliert die Emissionen seines Fernwärmenetzes seit wenigen Jahren nach diesem Prinzip – ebenfalls unter Berufung auf den AGFW – auch dort ist ein grüner Umweltsenator verantwortlich.

Im Entwurf des Gebäudeenergie-Gesetzes findet sich der CO2-Faktor Null bei der Müll-Abwärme auf Bundesebene wieder.

Als „Primärenergiefaktor für den nicht erneuerbaren Anteil“ steht in Anlage 4 zu § 22, Absatz 1 des Entwurfs des Gebäudeenergiegesetzes von Ende Januar 2020:

16       Siedlungsabfälle        0,0

Gabriela Keller fand in der Machbarkeitsstudie von BET für einen Kohleausstieg in Berlin bis 2030 auf Seite xxxi einen

Satz, der stutzig macht: „Die Bewertung zeigt, dass eine Reduktion der Abfallmenge die kumulierten Emissionen erhöht, eine Erhöhung der Abfallmengen führt zu sinkenden Emissionen.

Heißt das, je mehr Müll verbrennt, umso besser fürs Klima? BET antwortet: „Dieses Thema ist sehr komplex und hier sind falsche Rückschlüsse schnell möglich.“ Grundsätzlich solle Müll bei der Verbrennung „thermodynamisch so hochwertig wie möglich“ verwertet werden. Die gemäß der Studie umgebaute Anlage weise „eine sehr hohe Effizienz auf und deswegen ist es tatsächlich gut für das Klima, wenn Müll dort (statt anderswo mit schlechterer Effizienz) thermisch verwertet wird.“

Eine bei komplexen Themen häufig verwendete Methode, unangenehme Fragen abzuwimmeln. Man geht nicht auf die gestellte Frage ein, sondern redet unter Verwendung von vielen nicht geläufigen Fachbegriffen über etwas, was gar nicht in Frage steht.

BET wählte für Vattenfall und die Stadt Berlin die Schwindel-Methode des AGFW für die Bilanzierung der Müll-Wärme:

Dabei weiß das Beratungsunternehmen sehr genau Bescheid, wie sich in der ausführlichen Fortsetzung dieses Kastens auf Seite 92 seiner Machbarkeitsstudie zeigt.

1. Februar 2020
von Redaktion
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Vertiefung der Weser – auf den letzten Drücker in ein Bundesgesetz geschmuggelt

Am 31. Januar 2020 hat der Bundestag das umstrittene Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG) aus dem Hause von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer beschlossen. Die LINKE und die Grünen sowie auch einige SPD-Mitglieder stimmten gegen dieses Gesetz.

Das verabschiedete Gesetz ist ein Teil eines größeren Vorhabens von CDU und CSU, die Beteiligungsrechte der Umweltverbände einzuschränken (12-Punkteplan).

Ganz in diesem Sinne versuchte auch die Hamburger Industrie, den Hamburger Senat zu entsprechenden Zugeständnissen zu bewegen.

Nach der Verabschiedung des Maßnahmenvorbereitungsgesetzes soll der Bundestag in der nächsten Zeit 8 Eisenbahnstrecken-Projekte und 6 Wasserstraßen-Projekte  per Gesetz genehmigen können, zum Beispiel zwei Fahrrinnen-Vertiefungen der Weser. Bislang entscheiden Behörden, ob Projekte verwirklicht werden. Bei Einsprüchen gilt das Verwaltungsrecht. Hintergrund dieser Entwicklung ist die Absicht, die Beteiligungsrechte von Umweltverbänden und -Initiativen zu beschneiden.

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20. Januar 2020
von Redaktion
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Der extensive Einsatz des Klimakillers Sulfurylfluorid in Hamburg wirft viele Fragen auf

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Ein Flugblatt der AG UEV der LINKEN

Erst durch eine Schriftliche Kleine Anfrage des LINKEN-Abgeordneten Stephan Jersch scheint die Hamburger Umweltbehörde (BUE) auf den sehr stark gestiegenen Einsatz des extrem klimaschädlichen Insektizids Sulfurylfluorid (SO2F2, kurz SF) aufmerksam geworden zu sein, mit dem im Hamburger Hafen, aber wohl ebenso in anderen Häfen, vor allem Holzexporte begast werden. Bei den Berechnungen der BUE zum gegenwärtig viel diskutierten neuen Hamburger Klimaplan blieb SF völlig unberücksichtigt.

Die Klimaschädlichkeit der Freisetzungen von Sulfurylfluorid wurde in den bisherigen Presse-Berichten sogar noch untertrieben. Für das Treibhausgaspotenzial (GWP) von SF ist im Zusammenhang mit den Klimazielen von Paris nicht ein Zeithorizont von 100 Jahren (GWP = 4732), sondern ein Zeithorizont von 20 Jahren anzusetzen (GWP = 6965). Bei 203,65 Tonnen SF gemäß der Bürgerschaftsdrucksache 21/19518 vom 10.1.2020 geht es im Jahr 2019 daher um 1,418 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das ist mehr als der Ausstoß des Hamburger Steinkohle-Heizkraftwerks Tiefstack von 1,21 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2017.

Seit 2018 stieg die im Hamburger Hafen eingesetzte Menge von SF sehr stark an.
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2. Januar 2020
von Redaktion
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Die alltägliche Irreführung bei der Werbung für verflüssigtes Erdgas (LNG)

Kurz vor Weihnachten 2019 durfte wieder einmal der Maritim-Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann, in vielen bundesdeutschen Medien ausgiebig für das umstrittene verflüssigte Erdgas werben.

Beispielsweise im Handelsblatt am 22.12.2019 oder in der WELT am 21.12.2019.

Die Süddeutsche Zeitung übernahm am 21.12.2019 den Kern dieser Meldungen „direkt aus dem dpa-Newskanal“. Hier findet sich – journalistisch korrekt – auch ein Hinweis auf die Kritik der Deutschen Umwelthilfe (DUH), den der focus und die WELT ebenfalls aufführen:

„In Deutschland gibt es noch kein Importterminal. Die Planungen laufen auf Hochtouren in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade und in kleinerem Maßstab in Rostock.

Brackmann nahm die Terminals gegen Kritik der Deutschen Umwelthilfe in Schutz, die einen sofortigen Planungsstopp fordert und auf die schlechte Klimabilanz des fossilen Brennstoffs LNG verweist.

LNG-Position der Deutschen Umwelthilfe e.V.“

Vergiftete Zutaten

Medien, von denen man dies eher weniger erwartet, erweiterten diese dpa-Meldung zu stark irreführenden Darstellungen:

Das ZDF am 21.12.2019:

„Antrieb in Seeschifffahrt: Brackmann will mehr Flüssigerdgas

Im Kampf gegen den Klimawandel muss sich auch die Schifffahrt deutlich umstellen. Derzeit nutzen viele Schiffe Schweröl als Antrieb. Eine Alternative könnte Flüssigerdgas sein.“

Die Assoziation: Flüssigerdgas für die Schifffahrt ist gut für den Kampf gegen den Klimawandel. Und wer will nicht den Klimawandel bekämpfen?

„Bei einem Wechsel von Schweröl hin zu LNG gehe der Ausstoß von Schwefeloxiden und Feinstaubpartikeln um fast 100 Prozent und der von Stickoxiden um mehr als 70 Prozent zurück, so Brackmann.“

Gut für die Luftreinhaltung. Aber was hat das mit dem Klimawandel zu tun?

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29. Dezember 2019
von Redaktion
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Angriffe von CDU und CSU auf Beteiligungs- und Klagerechte der Umweltverbände

CDU und CSU versuchen, mit populistischen Argumenten die Mitwirkungsrechte der Natur- und Umweltschutzverbände einzuschränken. Ihre Vorstöße sind weitreichend. Sie  richten sich insbesondere gegen das Verbandsklagerecht.

Ein „11-Punkte-Plan für schnelleres Planen und Bauen“ vom 13.9.2019 enthält zahlreiche Forderungen von fünf prominenten CDU-Abgeordneten. Es geht ihnen darum, Infrastruktur-Vorhaben reibungsloser durchsetzen zu können. Das Hamburger Abendblatt berichtete Mitte September 2019 darüber: „CDU will für schnelleres Bauen Verbandsklagen einschränken“.

Ganz in diesem Sinne versuchte die Hamburger Industrie entsprechende Zugeständnisse vom Hamburger Senat zu erhalten.

Ende November 2019 wurden die Forderungen der CDU erweitert zu einem 12-Punkte-Plan. Nach dem Punkt 12 sollen bei Projekten der öffentlichen Hand Schätzungen der Projektkosten erst dann kommuniziert werden, wenn dem Bauherrn belastbare Daten zu den Kosten einzelner Maßnahmen und Bauteile vorliegen. So lange würden der Öffentlichkeit Schätzungen der Kosten eines Projekts vorenthalten. Auch damit würde die Beteiligung der Betroffenen eingeschränkt.

Karikatur: Mester, SFV

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